Gestern war die EZB dran, jetzt werden „unbegrenzt“ Staatsanleihen der Krisenländer aufgekauft, einzige Voraussetzung: Sie müssen sich unter die Rettungsschirme begeben oder schon drunter sein und damit (theoretisch) an Reformen gebunden sein.
Da gibt es so einige Probleme:
- Die EZB hat gar nicht das Mandat zu diesen Beschluss. Nirgendwo in den Verträgen steht etwas von der Rettung einzelner Länder bzw. der Senkung ihrer Finanzierungskosten.
- Dem Verbot des Aufkaufs von Staatsanleihen umgeht man durch den indirekten Kauf am Sekundärmarkt, also von Banken. Diese leihen sich also für 0,75% Geld bei EZB, kaufen damit z.B. italienische 5%-Anleihen und verkaufen sie wieder an die EZB. Beliebig wiederholbar. Das soll die Zinsen drücken, aber in Wirklichkeit werden die Anleihen nicht mehr wert, man verschiebt sie nur und dem Steuerzahler das Risiko auf.
- Einzelne Ländern wird die Last abgenommen. Die anderen, die das finanzieren, bekommen diesen Bonus aber nicht, im Gegenteil, deutsche Refinanzierungs-Zinsen werden wohl steigen, weil die Märkte das erhöhte Risiko für Deutschland einpreisen.
- Das es mit den Reformen nicht so klappt, wenn der Druck nachlässt, ist leider immer wieder zu sehen. Zudem sind es oft die falschen Maßnahmen, nur um schnell Löcher zu stopfen, anstatt endlich die Strukturen zu ändern.
Am 12. entscheidet dann wohl das Bundesverfassungsgericht über den ESM, den heute der Ökonom Dr. Gunnar Beck in der Print-SZ als „institutionalisierten Verfassungsbruch“ bezeichnete.
Viel wird ja diskutiert, ob der ESM eine Banklizenz bekommen, also selbst Geld schöpfen soll. Laut Beck eine Scheindebatte, dies wäre faktisch schon so in den Verträgen, da der ESM sich direkt bei der EZB Geld leihen können soll.
Die Gouverneursräte sind immun und haben ein lebenslanges Schweigerecht. ESM-Entscheidungen sind jedem Klageweg entzogen.
Nun lebt Beck in London, wo man die scharfe Debatte liebt, und der Artikel auch polemisch. Draghi wird z.B. als Draghiavelli verunglimpft.
Die erwähnten Probleme konnte ich aber soweit überprüfen.
Insgesamt sieht es also so aus, dass das deutsche oder französische oder griechische Parlament noch exakt null zu sagen hat.
Die Märkte sind sich sicher: Am Bundesverfassungsgericht wird der ESM nicht scheitern. Schauen wir mal. Zumindest ein Volksentscheid erscheint mir bei einem solchen epochalen Wandel zwingend. Denn hier wird eine neue Herrschaftsebene ganz oben eingeführt, die nur sehr, sehr indirekt demokratisch legitimiert ist und sich jeder Kontrolle juristisch und natürlich auch faktisch entzieht.
Das ist nach meinem laienhaften Rechtsverständnis mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Aber ich bin ja kein Verfassungsrichter.