Wer nach dem langen Zeit-Artikel noch mehr verträgt, noch ähnliche Infos aus der Schweiz:
Hier ist vor wenigen Tagen, das Trauerspiel um die sogenannte
Verwahrungsinitiative in wohl eine der letzten Phasen getreten. Die Volksinitiative wurde vor einigen Jahren von einer Mutter, die ihre Tochter durch einen von einem Wiederholungstäter begangenen Sexualmord verloren hat, lanciert und verlangt die "lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter". Dabei verlangte die Initiative, dass Fälle von Verwahrten nur dann erneut überprüft und neue Gutachten erstellt werden dürfen, wenn "durch neue, wissenschaftliche Erkenntnisse erwiesen wird, dass der Täter geheilt werden kann und somit keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt". Die notwendigen Unterschriften hat das Initiativkomitee mit Schützenhilfe der (vor allem Boulevard-)Presse locker zusammen gekriegt.
Die Initiative wurde vom Parlament für gültig erklärt. In meinen Augen ein beängstigender krasser Fehler. Die Initiative verstiess IMO ziemlich eindeutig gegen übergeordnetes Recht, nämlich die Europäische Menschenrechtskonvention, und hätte für ungültig erklärt werden müssen.
Ein grosser Teil der politischen Parteien empfiehlt dem Volk die Ablehnung der Initiative. Die Boulevard-Presse hält dagegen und wirbt für die Initiative. Dann eine meiner grössten Enttäuschungen über die direkte Demokratie: das Volk nimmt die Initiative im Jahr 2004 an. Seit dann gibt es also in unserer Verfassung Bestimmungen, welche IMO gegen die EMRK verstossen.
Und seit dann versucht nun also das Parlament die Bestimmungen in einem Ausführungsgesetz näher zu regeln. Nachdem eine Kammer einem Gesetzentwurf zugestimmt hat, hat vor wenigen Tagen die Rechtskommission der anderen Kammer kapituliert und es als unmöglich bezeichnet, ein Gesetz zu schmieden, das sowohl der Verfassung als auch der EMRK gerecht wird. Sie empfiehlt Ablehung des Gesetzes und man geht davon aus, dass die Parlamentskammer der Kommission folgen wird. Das hiesse, ein Gesetz wäre endgültig gescheitert.
Artikel dazu im Tagesanzeiger.(Und letztlich wird es auch das zwar zu späte Eingeständnis sein, dass man mit der Gültigerklärung einen Fehler beging.)
Es wird also die ziemlich einzigartige und kuriose Situation geben, dass Gerichten einzig die Verfassung und keine weiter ausführenden Erlasse als Grundlage zur Verfügung stehen werden. Gleichzeitig sind aber auch die Richter an die EMRK gebunden. Sie dürfen den populistischen Schlamasel nun also ausbaden und man kann gespannt sein, in welche Richtung die Bäder dann verschüttet werden...