Apfelinsel

Talk => Thema gestartet von: daveinitiv am Mai 18, 2007, 19:48:10

Titel: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 18, 2007, 19:48:10
Die Begriffe Ethik und Moral werden jedem hier etwas sagen, jeder hat eine gewisse, ihm oder ihr eigene Vorstellung, was er/sie unter diesen Begriffen definiert. Natürlich füllt jeder das Gefäß dieser Begrifflichkeiten anders, aber sehr wahrscheinlich wird man immer eine gewisse deckungsgleiche Summe haben, so dass sich ein gemeinsamer Nenner finden lässt.

Die Frage, die mich schon seit einiger Zeit immer wieder bewegt, ist: Haben Kinder, schon eine eigene Ethik, woraus eine gewisse Moralvorstellung resultiert oder bilden sich Ethik und Moral ausschließlich durch Erziehung, Sozialisation, Umfeld usw. heraus, so dass der Mensch "wertfrei" auf diese Welt tritt?

Ich stelle jetzt erst einmal diese Frage hier ins Forum, freue mich aber über eine lebhaften und geistreiche Diskussion, in der man die wahrscheinlich verschiedenen Ansichten austauschen kann.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing am Mai 18, 2007, 19:56:28
Nach meiner Erfahrung mit Kindern neige ich zu der Behauptung, dass sich diese Dinge entwickeln. Das heißt ziemlich genau: Kinder sind wert- und vorurteilsfrei, diese Dinge werden ihnen, meistens zu ihrem eigenen Nachteil, anerzogen. Sie lernen dieses aus ihrem Umfeld und das schon ganz früh.
Ich habe keinen Beweis dafür, also keinen wissenschaftlichen, aber so sehe ich das. Dem Menschen ist ja durch, ich weiß den korrekten Begriff nicht, Generationenvererbung, also Wissen, das aus der Erfahrung der Menschheit eine Art Instinkt bildet, bereits die Unterscheidung von Gut und Böse gegeben. Zumindest habe ich dies mal gelesen, ob das stimmt? Diesen Beweis muss ich wieder schuldig bleiben.
Aber wenn dem so ist, steht doch der Bildung einer eigenen Moral und Ethikvorstellung nichts im Wege. Ich bin der Meinung, egal wo du ein Baby hinsetzt und es aufwachsen lässt, es wird diese Welt zuerst akzeptieren. Die Fragen nach dem Richtig oder Falsch kommen erst sehr viel später.
Kinder sind nicht von Natur aus rassistisch veranlagt. Sie haben von Natur aus keine Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten, zumindest nicht so lange, bis sie durch uns erfahren, dass es "andere" gibt.

Trotzdem, schwieriges Thema und für mich zu groß, um alle meine Gedanken dazu hier hin zu tippen ;)
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 18, 2007, 20:31:28
Voraus, ich weiss es auch nicht.

Der US-Biologe Marc D. Hauser vetritt basierend auf wissenschaftlichen Studien, die er durchgeführt hat, die These (nachzulesen in Moral Minds (http://www.amazon.de/Moral-Minds-Marc-D-Hauser/dp/0060780703/ref=pd_bbs_sr_1/303-6378490-3819468?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1179512051&sr=8-1)), dass die Menschen über eine Art angeborene "Universalgrammatik" der Moral besitzen. Darauf wird dann, beeinflusst durch Kulturkreis, Erziehung, Umgebung, Erfahrungen und bewusstem Willen die tatsächlich gesprochene Sprache (= tatsächlich gelebte Moral) aufgebaut, erlernt und anerzogen. Dabei zieht er eben den Vergleich zur Sprache. Auch da sind gewisse Grundfähigkeiten dem Menschen angeboren und so sind denn auch sämtlichen menschlichen Sprachen, so unterschiedlich sie auch sind, gewisse grammatikalische Grundregeln gemeinsam.
Diese These scheint mir persönlich ziemlich plausibel. 

Edit: Typo
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: elafonisi am Mai 18, 2007, 21:58:32
Ich weiss es natürlich auch nicht.

Es ist meines Erachtens eine Mischung aus dem angeboren Grundwesen, dem Umfeld und der Erziehung. Fast alle Eltern werden versuchen ihrem Nachwuchs die eigenen gemachten Erfahrungen und Wertevorstellungen in Bezug auf Ethik und Moral zu vermitteln.

Beispiel:
Meine Frau arbeitet in einem sozialen Brennpunkt als Erzieherin. Den meisten Eltern in dieser Umgebung ist es wichtiger ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen als auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen . Den lieben Kleinen werden in der Regel kaum Grenzen gesetzt, deshalb herrscht schon im Kindergarten das Gesetz des Stärkeren. Sensibelchen und von Wesen oder der Erziehung her eher zurückhaltende Kinder, welche sich auch noch an Regeln halten haben da keine Chance. Um so erstaunlicher ist es zu sehen, wie das Ganze ein paar Jahre später ausgeht. Trotz der widrigen Umstände schaffen es gerade die "Weicheier" aus diesem Umfeld auzubrechen und ein halbwegs normales Leben zu leben. Von den "Starken" schaffen das nur ein paar Ausnahmen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: pancho0815 am Mai 20, 2007, 15:30:46
Voraus, ich weiss es auch nicht.

Der US-Biologe Marc D. Hauser vetritt basierend auf wissenschaftlichen Studien, die er durchgeführt hat, die These (nachzulesen in Moral Minds (http://www.amazon.de/Moral-Minds-Marc-D-Hauser/dp/0060780703/ref=pd_bbs_sr_1/303-6378490-3819468?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1179512051&sr=8-1)), dass die Menschen über eine Art angeborene "Universalgrammatik" der Moral besitzen. Darauf wird dann, beeinflusst durch Kulturkreis, Erziehung, Umgebung, Erfahrungen und bewusstem Willen die tatsächlich gesprochene Sprache (= tatsächlich gelebte Moral) aufgebaut, erlernt und anerzogen. Dabei zieht er eben den Vergleich zur Sprache. Auch da sind gewisse Grundfähigkeiten dem Menschen angeboren und so sind denn auch sämtlichen menschlichen Sprachen, so unterschiedlich sie auch sind, gewisse grammatikalische Grundregeln gemeinsam.
Diese These scheint mir persönlich ziemlich plausibel. 

Edit: Typo

Dto.
Interessant ist die Frage, was ist schon da und was nicht. Wenn ich sehe, wie übel mache Kinder miteinander umgehen (Neid, petzen, schwächeren was wegnehmen etc.) scheint es mir das allenfalls ein sehr grobes Gerüst an "Werten" zu sein.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: mathias am Mai 22, 2007, 09:57:14
Bin ganz Thyrfings Meinung.

Die These des Herrn Marc D. Hauser kann so nicht bestätigen. Es gibt angeborene Gefühle, Instinkte (Angst, Liebe, Wut, Vertrauen, Geborgenheit), aber Ethik und Moral sind anerzogen. Klassischer Fall: Kinder müssen lernen, daß ihnen nicht alles gehört bzw. daß sie respektieren, daß manche Sachen eben Eigentum anderer Kinder sind bzw. für alle da sind. So ein Kinderspielplatz/Sandkasten ist ein wahrer Mikrokosmos in Sachen Werte und Moral ;).
Kinder machen auch überhaupt keine Unterschiede zwischen Hautfarbe oder Herkunft, wieso auch? (Diese Kindliche Unschuld fasziniert mich immer wieder.) Ich habe das sehr gut an meiner Tochter beobachtet. Aber Ethik und Moral habe ich anfänglich nicht beobachtet, im Gegenteil: Kinder müssen lernen, daß man Tiere nicht einfach tottrampelt, daß man andere Kinder nicht schlägt, tritt etc.. soll heißen, Kinder nehmen die Moral/Ethik an, die zunächst der des Elternhauses entspricht, da sie ja nix anderes kennenlernen. Unter anderem ist Erziehung auch deshalb eine sehr schwierige Angelegenheit...

Mathias.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 22, 2007, 10:59:25
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Deine These, wonach 100% von Ethik und Moral erlernt werden muss, fände ich ziemlich furchteinflössend. Da driftet die Menschheit in der heutigen Zeit, in welcher Erziehungsarbeit stark vernachlässigt wird, ja auf eine ziemliche Katastrophe einer fast gänzlich von Ethik und Moral befreiten Gesellschaft zu.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Patrick am Mai 22, 2007, 11:45:52
Da driftet die Menschheit in der heutigen Zeit, in welcher Erziehungsarbeit stark vernachlässigt wird, ja auf eine ziemliche Katastrophe einer fast gänzlich von Ethik und Moral befreiten Gesellschaft zu.
Ist doch so, oder?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 22, 2007, 12:04:44
Ganz so pessimistisch seh ich das nicht, nein. Zweifellos hat Ethik und Moral heute einen geringeren Stellenwert als zu früheren Zeiten. Bis zu einem gewissen Grad ist das wohl auch gut so. (Zumindest in dem Sinne, dass Ethik und Moral heute weniger dogmatisch gehandhabt werden.)
Dass diese Entwicklung aber ständig so weitergeht, glaube ich nicht. Da ist doch schon heute teilweise wieder der Ansatz eines Backlash zu erkennen. Religiöse Fundis und andere Extrem-Moralisten scheinen eher wieder Zulauf zu haben. Das spricht IMO nicht unbedingt dafür, dass da nichts Angeborenes vorhanden wäre.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 22, 2007, 12:27:16
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Allerdings.
Nun sehe ich das zwar durchaus postitiv, denn tatsächliche Alltagsbeobachtungen haben ja auch ihren Wert, in Vielzahl auch einen statistischen.


Das Problem an der Diskussion ist halt, daß man die Faktoren Ererbung und Erziehung gar nicht sauber bestimmen kann.
Deshalb sind ja Zwillinge so ein beliebtes Forschungsfeld. Nur "leider" (nicht meine Meinung!) finden sich auch nicht allzu viele Zwillinge, die getrennt wurden und später als solche erkannt werden und zweitens ist es ja unmöglich - die Ethik lassen wir mal außen vor - die beiden Kindern wirklich stark unterschiedlichen oder, eigentlich notwendig, gar entgegen gesetzten Erziehungen auszusetzen. Natürlich kann sich der wissenschaftliche (!) Glücksfall ergeben, daß ein Zwilling in einer Akademikerfamilie aufwächst, der andere im Slum und alleingelassen. Nur wie oft? Einzelfälle (obwohl es spektakuläre gibt, die kaum zu glauben sind) haben einen sehr begrenzten Wert. Zudem unterscheiden sich in diesen so unterschiedlich erscheinenden Umwelten die erlernten Werte gar nicht so sehr wie man meinen würde.
 
Müsste man also schon nachhelfen - ethisch nicht vertretbar.

Zitat
Deine These, wonach 100% von Ethik und Moral erlernt werden muss, fände ich ziemlich furchteinflössend. Da driftet die Menschheit in der heutigen Zeit, in welcher Erziehungsarbeit stark vernachlässigt wird, ja auf eine ziemliche Katastrophe einer fast gänzlich von Ethik und Moral befreiten Gesellschaft zu.

Wird denn die Erziehungsarbeit wirklich vernachlässigt?
In vielen Familien sicherlich, in anderen wird aber das Gegenteil praktiziert, nur ist das die langweilige Mehrheit, über die niemand berichtet während die Straßenkinder und Serienstraftäter die Schlagzeilen bestimmen?
Und wenn schon von der Menschheit die Rede ist: Ist das nicht vor allem ein Phänomen meist urbaner Umfelder westlicher Prägung?

Sehe natürlich auch die Probleme, aber unlösbar sind die meines Erachtens nicht.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 22, 2007, 12:54:21
Wird denn die Erziehungsarbeit wirklich vernachlässigt?

Meiner Meinung nach schon, ja. Wobei ich mich nicht auf Presseberichte abstütze, sondern auf das, was man halt so persönlich mitkriegt und selbst erfährt, sei dies im Supermarkt, in den ÖV, aber auch im Bekanntenkreis. Und da werden in meinen Augen schon auf breitester Linie viel zuwenig Grenzen gesetzt. Die Kids dürfen heute alles. Auch die gesamte Erwachsenenumgebung zur Weissglut treiben. Ein Grossteil der Eltern betrachtet das quasi als Menschenrecht ihrer Sprösslinge.
Natürlich gibt es auch das löbliche Gegenteil. Und natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass es immer lebhafter zugange geht, wenn Kinder anwesend sind. Und natürlich können und müssen Kinder nicht stundenlang am Tisch sitzen ohne einen Laut von sich zu geben. Kinder sind Kinder, das ist schon klar. Aber ich bin durchaus der Ansicht, dass das durchschnittliche Kind heute zuwenig Grenzen erfährt / erfahren darf.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: fränk am Mai 22, 2007, 13:02:55
Die Kids dürfen heute alles. Auch die gesamte Erwachsenenumgebung zur Weissglut treiben. Ein Grossteil der Eltern betrachtet das quasi als Menschenrecht ihrer Sprösslinge.

Das ist das eine Extrem, ein anderes ist es den Kindern alles zu verbieten, sie ständig zu überwachen, ihnen bei 26°C eine Mütze aufzusetzen, sie nicht vor die Tür zu lassen wegen Autos, Kinderschändern, giftigen Früchten.....

Auch mir geht es immer öfter so, daß die Kiddies, die ich als "sympathisch" oder "gelungen" einschätze, Kinder die gewisse Fähigkeiten früher haben als andere...... als bemerkenswerte Ausnahme betrachte.

Die AKs (http://www.neon.de/kat/musik/song/344130/) scheinen mehr und mehr die Oberhand zu gewinnen.

Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 22, 2007, 13:17:48
Ich kenne auch allerhand Kinder, die mich zur Weißglut treiben würden, hätte ich sie öfters um mich.
Was ich aber auch sehe ist das viele Eltern einen Aufwand sondersgleichen betreiben, damit ihr Kind mal "was wird", und seit die Zeiten rauer werden in zunehmendem Maße. Teilweise ist das dann zu viel Erziehung.
Die vielen Ratgeberbücher sind da natürlich kein Indiz... die allgemeine Diskussion aber schon. Statistische Werte habe ich leider nicht, ich kann nur mit dieser Weltuntergangsstimmung nichts anfangen - sie deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen und ich glaube auch der Realität. Hier mischt sich Meinung und Wissen. :)

Gewisse negative Entwicklungen stehen natürlich außer Frage.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 22, 2007, 13:51:15
ich kann nur mit dieser Weltuntergangsstimmung nichts anfangen

Nicht dass ich da etwa falsch verstanden worden bin. Ich habe eben gerade keine Weltuntergangsstimmung. Die müsste ich kriegen, wenn ich mathias' These glauben würde. Wenn Ethik und Moral allein anerzogen wären, dann kann da von Generation zu Generation immer nur verloren gehen. Die Zügel würden zwangsläufig immer loser werden bis zur gänzlich amoralischen Gesellschaft.
Ich glaube aber eben durchaus an einen angeborenen Kern, an ein gewisses angeborenes Verlangen nach Moral, das bei vielen Kindern heute einfach etwas zuwenig befriedigt wird.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 22, 2007, 14:43:50
Habe nicht direkt Dich gemeint.

Die allgemeine Debatte geht halt in diese Richtung und wird oft dermaßen überzeichnet das man wirklich meint, es stünde alles vor dem Untergang.

Immerhin hat man mittlerweile erkannt, daß Kinder aus bestimmten Milieus kaum Chancen haben, diesen zu entkommen und langsam werden auch Gegenmaßnahmen ergriffen, wobei diese natürlich am besten nichts kosten sollten... aber mit einem Auge ist man wach, ich bin eigentlich guten Mutes, das Pendel scheint sich langsam wieder in die andere Richtung zu bewegen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: elafonisi am Mai 22, 2007, 16:49:17
Die müsste ich kriegen, wenn ich mathias' These glauben würde. Wenn Ethik und Moral allein anerzogen wären, dann kann da von Generation zu Generation immer nur verloren gehen. Die Zügel würden zwangsläufig immer loser werden bis zur gänzlich amoralischen Gesellschaft.
Ich glaube aber eben durchaus an einen angeborenen Kern, an ein gewisses angeborenes Verlangen nach Moral, das bei vielen Kindern heute einfach etwas zuwenig befriedigt wird.

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeiten der anti-autoritären Erziehung erinnern  :P
Ist euch schon mal aufgefallen, wie die damals anti-autotritär Erzogenen ihre eigenen Kinder erziehen? (so sie denn überhaupt welche haben) Da ist keine Rede mehr von anti-autoritär weil die gemerkt haben, dass das ganz sicher nicht das gelbe vom Ei war. Das betrifft alles, vom Sozialverhalten über die Umgangsformen bis hin zu Ethik und Moral. Durch diesen Umschwung, der aus den Herrschaften selbst heraus gekommen ist, kann ich der These das Teile der ethisch - moralischen Verhaltensweisen angeboren sind durchaus etwas abgewinnen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing out of order am Mai 22, 2007, 20:30:48
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern die Meinung der Kinderlosen und den Statistikern in Erscheinung treten. ;)
Thyrfing
Statistik über Erfahrung. Da sehe ich eher die Welt in einen Abgrund driften. Sieh es mal so: Außerhalb von Zahlenkolonnen gibt es wenigstens Menschen, die tatsächlich Erfahrungen gemacht haben. Soll auch wichtig für das Leben sein, habe ich gehört... ;)

Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 22, 2007, 20:48:27
Oje, der imemr wiederkehrende Streit. :)

Statistik ist nicht böse, sondern unser Freund. Erfahrung ebenso. Ersteres benötigt man (in deisem Zusammenhang) um gesellschaftliche Entwicklungen nachzuprüfen beziehungsweise zu beweisen.
Zweiteres um flexibel und schnell reagieren zu können ohne in Büchern nachzuschlagen. Gruß an alle Soziologen & Psychoanalytiker oder ähnlich Deformierte. ;)

Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: mathias am Mai 22, 2007, 21:18:37
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.
Dominierend und alles beweisend? Inwiefern denn? Außerdem: was ist denn eindrucksvoller für die Meinungsbildung, als die eigene Erfahrung/Beobachtung? Und wer kann die Entwicklung eines Kindes genauer beobachten: jemand, der Kinder nur auf dem Weg zur Uni in der Strassenbahn sieht, oder jemand, der 24/7 die selben Kinder um sich hat?

Religiöse Fundis und andere Extrem-Moralisten scheinen eher wieder Zulauf zu haben. Das spricht IMO nicht unbedingt dafür, dass da nichts Angeborenes vorhanden wäre.
Doch, tut es. Es beweist lediglich, daß der Mensch ein Verlangen nach diesen Dingen hat, nicht aber, daß bestimmte Werte und moralisches Denken schon vorhanden wäre. 

Moral und Ethik sind ja auch nicht lebenslang unveränderlich, sondern durchaus Wandlungen unterworfen, je nach den persönlichen Erfahrungen. Es kommt doch beinahe täglich vor, daß man seine eigenen Moralvorstellungen in Frage stellt, aufgrund von bestimmten Ereignisse usw. Als Erwachsener hat man u.U. eben gelernt, solche Dinge immer wieder kritisch zu betrachten. Als Kind nicht. Alles, was die Eltern sagen, wird von Kindern als bare Münze genommen (Bsp. Weihnachts-mann).
Ich glaube aber eben durchaus an einen angeborenen Kern, an ein gewisses angeborenes Verlangen nach Moral, das bei vielen Kindern heute einfach etwas zuwenig befriedigt wird.
Moral bzw. Werte und das Verlangen danach sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe, die nicht verwechselt werden dürfen. Dass das Verlangen nach Werten und Ethik ebenso wie das nach Nähe und Zuneigung angeboren ist, dem stimme ich zu. Moralische Werte selbst gibt es bei der Geburt dagegen keine, die werden durch das Umfeld definiert und weitergegeben.

OT:
Immerwieder faszinierend,  die tollen Erziehungsratschläge von alten und von kinderlosen Menschen...
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 23, 2007, 00:27:23
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern die Meinung der Kinderlosen und den Statistikern in Erscheinung treten. ;)

Das nehm ich Dir nicht so ganz ab. Zumindest ist die Kinderlosigkeit nie Thema oder gar Argument. Die Kinder hingegen ständig.  ;)
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 23, 2007, 00:36:54
Moralische Werte selbst gibt es bei der Geburt dagegen keine, die werden durch das Umfeld definiert und weitergegeben.

Dass ein Kind bereits mit fertig definierten und direkt anwendbaren moralischen Werten auf die Welt kommt, behauptet ja auch Hauser nicht. Das Neugeborene spricht ja auch noch keine Sprache.

Er sagt nur, das Grundgerüst für beides ist angeboren.

Wie erklärst Du Dir, dass die moralischen Werte eines in New York und eines im abgeschiedensten Regenwald Papua Neuguineas aufgewachsenen Kindes so fundamental anders nicht sind?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 23, 2007, 01:07:16
Wenn ich mal einhaken darf: Weil eben soziales Zusammenleben überall einen gewissen Regelsatz erfordert und deshalb zumindest die grundlegenden Dinge von den Eltern und anderen Personen weitergegeben werden, teilweise bewust, teilweise unbewust.

Das ein Grundgerüst angeboren ist, lässt sich wohl kaum verneinen, schließlich haben wir im Vergleich zu allen anderen Tieren ein sehr großes Gehirn mit enormem Energiebedarf, das - so zeigen ja mittlerweile mögliche Messungen - bei sozialen Kontakten aller Art höchst angeregt wird. Es ist auch erwiesen, daß fehlende soziale Kontakte die Altersdemenz beziehungsweise Alzheimer (ich weiß nicht, ob und wie man heute noch unterscheidet) wahrscheinlicher machen und umgekehrt ein reges Sozialleben eher geistig fit hält.

Ob aber tatsächlich ohne Einflüsse von außen ein Mensch heranwüchse, der einem moralischen Minimalkonsens folgte, lässt sich nicht nachprüfen. Selbst wenn es ginge, wäre es nicht vertretbar. Und setzte man sich darüber hinweg - man müsste den bis dahin Isolierten ja irgendwie überprüfen und daher Kontakt aufnehmen. Da ist es dann nicht auszuschließen - ich meine sogar unvermeidbar - das, einem Schwamm gleich, alle Eindrücke augesogen werden und so doch sofort wieder ein Umfeld sehr stark wirksam wird.

Es wird also bei der theoretischen Debatte im Unbestimmten bleiben, was gewisse Wissenschaftler der verschiedenen Fachbereiche aber nicht hindern wird ihre Theorie als allein gültig hinzustellen. Je nach Mode sind am erfolgreichsten Soziologen oder - wie zur Zeit, scheint mit - Anthropologen oder Neurologen. :)

Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 23, 2007, 01:19:50
Ob aber tatsächlich ohne Einflüsse von außen ein Mensch heranwüchse, der einem moralischen Minimalkonsens folgte, lässt sich nicht nachprüfen.

Das ist richtig. Aber der Umstand, dass die moralischen Werte in New York und beim unberührten Naturvolk Papua Neuguineas in erstaunlichem Ausmass kongruent sind, ist in meinen Augen doch ein deutliches Indiz dafür, dass die moralischen Werte nicht 100% "menschengemacht" (im Sinne von vom Menschen erdacht) sind.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 23, 2007, 01:26:39
Na, ich weiß nicht. Auch kleine Gruppen brauchen schließlich einige Regeln, um zu funktionieren. Und das sind nun mal überall ziemlich die gleichen.

Es kann aber zum Beispiel durchaus sein, daß so ein Regenwaldbewohner das Konzept Privatbesitz nicht kennt und daher Diebstahl auch nicht. Womit wir schon bei der Frage sind, wo Moral eigentlich anfängt.

Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 23, 2007, 10:15:46
Und das sind nun mal überall ziemlich die gleichen.

Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 23, 2007, 12:54:05
Vielleicht sollte man die Begriffe Ethik und Moral ein bisschen abkoppeln. Dies sind ja Begriffe, die mit Inhalten gefüllt werden müssen, was ist ethisch/moralisch richtig, was nicht.
Also gehe ich noch mal eine Stufe runter: Hat jeder Mensch von Anfang an ein Gewissen? Fühlt ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?
Dem Kind muss also eine Begründung, ein Hinweis, ein nachvollziehbarer "Tatbestand" gegeben werden, damit es das "Abstrakte" ins Praktische übertragen kann und dadurch lernt diese "Stimme" bewusst wahr zu nehmen, also Handlungen und Entscheidung vor dem Hintergrund dieser "Stimme" zu fällen.
Ist also das Gefäß der Ethik und Moral schon mit einer ganz krassen Konzentration gefüllt, die so aber nicht "genießbar" ist und muss dann die richtige Komponente beigegeben werden, damit eine vernünftige Mischung entsteht? Und wenn man eine andere Komponente beigibt, "verwässert" diese Konzentration zu stark?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 23, 2007, 13:22:43
Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?

Aus Notwendigkeit. Nun ist es natürlich interessant, ob das erlernt ist oder, weil diese Notwendigkeit seit den Urmenschen existiert, ins Genom eingeflossen ist... in bestimmter Weise wohl schon, siehe oben. Aber ob damit normgerechtes - vielleicht das passendere Wort - schon vorgegeben ist, halte ich für sehr fraglich. Die grundlegende Bereitschaft zur sozialen Interaktion aber sicherlich - soweit keine Krankheit vorliegt.

Was mich halt immer erzürnt ist wenn Wissenschaftler X irgendeine Hirnaktivität oder ein Gen gefunden hat, daß eine gewisse Rolle spielen mag und dann diesen Teilaspekt als alleinige Erklärung für alles hinstellt, mit einer griffig-provokanten Überschrift garniert und das alles nur aus Geltungssucht oder monetärem Interesse.

Das ist aber nicht auf diesen Hauser gemünzt, da ich seine Werke nicht kenne. Sondern eine allgemeine Beobachtung. Die kann man nicht nur bei diesem Thema machen, vielmehr erstreckt es sich auf alle Aspekte des menschlichen Handelns. Öffentlichkeitswirksam natürlich Liebe/Sex/Bindung.
Die Mainstream-Medien plappern dann die Stichworte nach und verkürzen die These noch weiter beziehungsweise spitzen sie zu und lassen viele Einschränkungen unter den Tisch fallen.

So ergeben sich dann schreckliche Gespräche mit Zeitgenossen über Dinge wie die Existenz des freien Willens, die einem die Zehennägel hochbiegen.

Ich finde, so sollte die Wissenschaftsvermittlung nicht ablaufen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 23, 2007, 13:32:36
Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?

Aus Notwendigkeit. Nun ist es natürlich interessant, ob das erlernt ist oder, weil diese Notwendigkeit seit den Urmenschen existiert, ins Genom eingeflossen ist... in bestimmter Weise wohl schon, siehe oben.

Stimmt. Womit wir wieder am Anfang wären.  :D
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: fränk am Mai 23, 2007, 13:53:41
Ich probier's auch mal ganz einfach, noch eine Stufe tiefer.
Fühlt ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?

Blut hat eine rote Warnfarbe.


Dem Kind muss also eine Begründung, ein Hinweis, ein nachvollziehbarer "Tatbestand" gegeben werden, damit es das "Abstrakte" ins Praktische übertragen kann und dadurch lernt diese "Stimme" bewusst wahr zu nehmen, also Handlungen und Entscheidung vor dem Hintergrund dieser "Stimme" zu fällen.

Der angeborene Instinkt sollte dem Kind, auch ohne Begründung klar signalisieren, daß es nicht richtig war dem anderen Kind eine blutende Verletzung beizubringen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Patrick am Mai 23, 2007, 14:17:44
Also gehe ich noch mal eine Stufe runter: Hat jeder Mensch von Anfang an ein Gewissen? Fühlt
Nein.
Zitat
ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?
Auch nein. Das Gewissen macht sich ja dann bemerkbar, wenn man etwas falsch macht. Ein Kind kennt diese Unterscheidung (richtig/falsch) nicht. Es weiß auch nicht, daß sein Handeln Konsequenzen hat. Wenn es einem anderen Kind eine Plastiktüte über den Kopf stülpt und dieses erstickt, sieht das Gezappel vielleicht noch ganz lustig aus und hinterher ist es langweilig, daß sich das andere Kind nicht mehr rührt, aber daraus abzuleiten, daß es etwas falsch gemacht hat, darauf kann ein Kind nicht kommen. Solange nicht der Input von außen kommt, daß da was katastrophal Schlimmes passiert ist, wird das Kind sich an dieser Tat nicht stören.

Was mich hier etwas irritiert ist, daß sehr abstrakt über noch abstraktere Begriffe wie Ethik und Moral diskutiert wird. Welches sind denn ethische und moralische Grundwerte? Sehr schnell werden wir darauf kommen, daß es vielleicht ein paar wenige gemeinsame Werte gibt, aber viele, die für den einen zu den Grundwerten zählen, für den anderen überhaupt nicht.

Welches sind denn diese Grundwerte?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 23, 2007, 14:24:35
Der angeborene Instinkt sollte dem Kind, auch ohne Begründung klar signalisieren, daß es nicht richtig war dem anderen Kind eine blutende Verletzung beizubringen.

Aber dazu muss es das andere Kind ja erstmal verletzen. Und diese "Ersttat", muss sie möglicherweise sein, um das Abstrakte, vielleicht schlummernde zu konkretisieren, sichtbar zu machen?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: fränk am Mai 23, 2007, 15:24:45
Dann so:
Ein Kind sieht ein anderes Kind bluten.

Ich glaube es "spürt" das hier etwas nicht stimmt.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Patrick am Mai 23, 2007, 16:16:30
Ich glaube es "spürt" das hier etwas nicht stimmt.
Nicht zwangsweise. Eher das begleitende Schreien oder Weinen führt dazu, weniger die Tatsache, daß Blut fliesst. Das hat aber nur was mit Instinkt zu tun, so wie Babies auch auf Gesichtsausdrücke reagieren.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 23, 2007, 18:57:29
Aha!

Sag ich ja: Ohne Einflüsse ist nichts und niemand, also muss die Diskussion abstrakt bleiben.

Wir können uns ja mal ansehen, wie so etwas gesetzlich geregelt ist: Unter 14 keine Strafmündigkeit, bis zu 21 Jahren (je nach Reife) eingeschränkte Strafmündigkeit.

Das löst aber nicht die Frage, ob sich Moral mit zunehmendem Alter von selbst herausbildet oder herausbilden könnte.
Tja.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Patrick am Mai 24, 2007, 00:13:18
Das löst aber nicht die Frage, ob sich Moral mit zunehmendem Alter von selbst herausbildet oder herausbilden könnte.
Wenn Du Moral im Zusammenhang mit Lebenserfahrung betrachtest, könnte sowas vermutlich passieren, da vermutlich jeder Mensch überall auf der Welt im Grunde ähnliche Dinge erlebt und aus diesen Erfahrungen seine meist ähnlichen Schlüsse zieht.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 24, 2007, 01:26:57
Wir können uns ja mal ansehen, wie so etwas gesetzlich geregelt ist: Unter 14 keine Strafmündigkeit, bis zu 21 Jahren (je nach Reife) eingeschränkte Strafmündigkeit.

Nach dieser Theorie müsste man ja Kindern die Einsicht, dass etwas unrecht ist, absprechen, also, dass sie Ethik und Moral erst erlernen müssen und sich das Gewissen darüber hinaus ausbildet.

Was ist deiner/eurer Meinung nach zuerst da, Ethik/Moral oder das/ein Gewissen?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 24, 2007, 02:05:17
Wenn man Moral als die Anerkennung von Regeln versteht:
Ohne Regeln kein Vergehen oder Überlegung darüber.

Darum: Moral vor Gewissen.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 27, 2007, 20:13:40
Also würde es bedeuten, dass wenn man sich die Regeln und Gesetze wegdenken würde, dass auch Gewissen, Ethik und Moral hinfällig wären?
Also würde die Regel "Du sollst nicht morden/töten" nie aufgestellt worden sein, dann würde im Bewusstsein des Menschen auch nichts stattfinden, dass ihn bei einer solchen Tat belasten würde?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 28, 2007, 00:47:30
Soweit muss man mich nicht interpretieren.

Es könnte ja auch sein, daß der Wille Regeln anzuerkennen oder zu erstellen und durchzusetzen - oder gar die Regeln selbst - naturgegeben sind und sich von allein entwickeln.

Das ist ja, soweit ich sehe, auch Deine ursprüngliche Fragestellung.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 28, 2007, 00:51:54
Es war keine Interpretation deiner Worte, sondern nur ein Denken von mir, dass von dem Punkt aus weiterging. Ich habe es einfach als Frage formuliert.

Die Frage stelle ich mir noch immer. Wenn es nirgendwo normiert worden wäre, würden sich die Menschen einfach nur die Schädel einschlagen, um bei dem Beispiel zu bleiben, da es so schön plakativ ist.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 28, 2007, 01:07:05
Habe mich verlesen, Du hast recht, meine Erwiderung ist nicht gerade passend.

Kriege heute nichts mehr Sinnvolles hin. Versucht habe ich es auch jetzt noch mal, aber das Kontrolllesen überstand es nicht.

Morgen dann...
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing am Mai 28, 2007, 01:15:43
Es war keine Interpretation deiner Worte, sondern nur ein Denken von mir, dass von dem Punkt aus weiterging. Ich habe es einfach als Frage formuliert.

Die Frage stelle ich mir noch immer. Wenn es nirgendwo normiert worden wäre, würden sich die Menschen einfach nur die Schädel einschlagen, um bei dem Beispiel zu bleiben, da es so schön plakativ ist.
Die Wissenschaft behauptet ja, dass uns genau dieses vom Tier unterscheidet. Angeblich. Ich glaube zwar  nicht, dass wir uns ohne die gesetzten Normen und Gesetzte den Schädel einschlagen würden. Viel eher bin ich geneigt zu glauben, dass sich die "Stärkeren" dann nur einfacher nehmen könnten, was sie begehrten. Aber im Prinzip passiert in der Welt ja eigentlich nichts anderes und teilweise sogar im Schutze der Normen / Gesetze. Wo sind da Ethik und Moral?

Wenn es all das nicht gäbe, keine Normen, keine Gesetze, keine Überlieferungen, dann würde es den Menschen in seiner jetzigen Form nicht geben. Es ist eine der herausragenden Stärken gewesen, Wissen weiter zu geben, als es darum ging, die anderen Tiere zu dominieren.

Es gibt viele Faktoren, die das bestimmen, was man Denken oder Verstand nennt, manchmal auch freier Wille. Man sollte bei all diesem nicht vergessen, dass Befehle und Gedanken zwar im Gehirn formuliert werden, aber das Gehirn wiederum wird von den Hormonen & Proteinen gesteuert bleibt.
Bleibt die Frage: Wie frei ist der freie Gedanke (die freie Entscheidung)?

Sprache, bzw. Kommunikation, war und ist für den Menschen wichtig, damit seine Rasse existieren kann. Von Anfang an wurde sie dafür benutzt, sich seiner Feinde oder besser, seiner Ängste zu entledigen. Und das seit Jahrtausenden. Vor diesem Entwicklungshintergrund bleibt es fraglich, ob Ethik und Moral nur zwei Begriffe sind, die der Mensch sich geschaffen hat, um eine Schutzmauer um sich herum zu bauen. Selbstschutz. Wieviel freier Wille bleibt dir als Rasse, wenn du von der unsäglichen Angst umtrieben wirst, zu sterben?

Ich gebe aber gerne zu, je länger ich darüber nachdenke, desto fragwürdiger wird für mich selber mein erster Beitrag zum Thema... Und trotzdem ist der Gedanke, der Mensch habe diese Einsicht, diese Unterscheidung nach Gut und Böse, bereits bei der Geburt im Blut, ein beruhigender.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Florian am Mai 28, 2007, 13:23:49
So, neuer Versuch. :)

Die Frage stelle ich mir noch immer. Wenn es nirgendwo normiert worden wäre, würden sich die Menschen einfach nur die Schädel einschlagen, um bei dem Beispiel zu bleiben, da es so schön plakativ ist.


In dieser Allgemeinheit kann man das nicht so sagen.

Was uns aber die Realität immer wieder bestätigt ist das das Fehlen von Regeln (von außen) und auch nur das Fehlen von Sanktionen immer wieder zu Gewalt führen. Wie genau man das kalkulieren kann, wurde auch experimentell bewiesen.

Trotzdem ist das aber keine Zwangsläufigkeit. Denn was immer unterschätzt wird ist die Logik. Man wird niemandem absichtlich weh tun, wenn es einem selbst schadet - außer in Momenten des Vernunftsverlust, die natürlich beim Homo Sapiens schon öfters vorkommen.
In Kleingruppen, in denen der Mensch und seine Vorfahren die Zeit verbrachten und letzendlich bis heuter verbringen, ist der Tod eines Einzelnen fast immer ein herber Verlust. Anders als in Situation, wo eine Seite der anderen total überlegen ist.

Zum anderen habe ich den Begriff Regeln sehr weitgehend verwendet, sollte Deine Frage also auf eine naturgegebene Empathie abzielen, so muss man doch beachten, daß die logische Folgerung aus Empathie die  Regel ist, dem Anderen kein unnötiges Leid zuzufügen. Diese muss nicht von Außen verfügt werden.

Das selbst die absurdesten Rechtfertigungen mensch ausreichen, um auch das schlimmste Leid des Anderen als nötig zu betrachten lässt mich aber vermuten, daß keine natürliche Notbremse existiert. Man kann sie sich aber aneignen, davon bin ich persönlich überzeugt.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 28, 2007, 14:46:20
In dieser Allgemeinheit kann man das nicht so sagen.

Was uns aber die Realität immer wieder bestätigt ist das das Fehlen von Regeln (von außen) und auch nur das Fehlen von Sanktionen immer wieder zu Gewalt führen. Wie genau man das kalkulieren kann, wurde auch experimentell bewiesen.

Natürlich führt es zu Gewalt. Das ist doch die logische Konsequenz, die sich aus solchen Umständen ergibt. Wenn es die endogenen Faktoren, also eine Art Gewissen, Ethik/Moral des Einzelnen nicht mehr gibt, dann fallen ja auch die exogenen Faktoren weg, das kongruent abgebildete und herausgebildete Gemeinschaftsinteresse wird nicht mehr in Regelform gegossen. Und da es auch in der Natur des Menschen liegt, dass es immer welche gibt, die sich gegen dieses Gemeinschaftsinteresse auflehnen und Dinge nicht akzeptieren, ist die Folge Gewalt.

Trotzdem ist das aber keine Zwangsläufigkeit. Denn was immer unterschätzt wird ist die Logik. Man wird niemandem absichtlich weh tun, wenn es einem selbst schadet - außer in Momenten des Vernunftsverlust, die natürlich beim Homo Sapiens schon öfters vorkommen.

Aber das ist ja dann auch nur ein aus innen herauskommendes Kalkül. Wenn der Selbstschaden wegfällt, dann sieht es doch schon wieder ganz anders aus.

In Kleingruppen, in denen der Mensch und seine Vorfahren die Zeit verbrachten und letzendlich bis heuter verbringen, ist der Tod eines Einzelnen fast immer ein herber Verlust. Anders als in Situation, wo eine Seite der anderen total überlegen ist.

Aber wenn dieser Tod von Außen zugeführt wird, also nicht aus der "Peer-Group" kommt, dann ist der Verlust ja nur für die "Peer-Group" schmerzlich. Derjenige, der aus der/einer anderen "Peer-Group" kommt, für den spielt der Verlust, abstrakt gesehen, keine Rolle.

Zum anderen habe ich den Begriff Regeln sehr weitgehend verwendet, sollte Deine Frage also auf eine naturgegebene Empathie abzielen, so muss man doch beachten, daß die logische Folgerung aus Empathie die  Regel ist, dem Anderen kein unnötiges Leid zuzufügen. Diese muss nicht von Außen verfügt werden.

Das selbst die absurdesten Rechtfertigungen mensch ausreichen, um auch das schlimmste Leid des Anderen als nötig zu betrachten lässt mich aber vermuten, daß keine natürliche Notbremse existiert. Man kann sie sich aber aneignen, davon bin ich persönlich überzeugt.

Keine Notbremse, oder ist es eher so, dass das "Gewissen" ausgeblendet wird und mit den Rechtfertigungsgründen befriedigt wird, damit der Mensch mit der/den Tate/n leben kann? Also ein stark einsetzendes RDF?

Ich stell' mal ein Beispiel zur Diskussion:
Angenommen, man hätte die Chance einen Laptop, eine Stereoanlage (irgendetwas Hochwertiges, was man sich so nicht leisten kann) einem Unternehmen zu stehlen. Ohne, dass man a) erwischt werden würde, es b) jemals nachgewiesen werden könnte und c) keine Strafe folgen könnte und würde und diese drei Faktoren 100% feststehen würden. Zusätzlich weiß man, dass dieses Unternehmen ziemlich viel Gewinn macht, da es die Preise bestimmen kann, da es eine markbeherrschende Stellung hat und das Unternehmen beutet seine Angestellten aus, da es sehr geringe Löhne, bei erwartet viel Arbeitseinsatz zahlt.

Dies ist die Ausgangssituation. Wie viele Menschen würden das Produkt "mitgehen" lassen, weil es ja eigentlich gerechtfertigt ist?
Wer hier würde es für sich verantworten können?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing am Mai 28, 2007, 15:38:55
Zitat
Ich stell' mal ein Beispiel zur Diskussion:
Angenommen, man hätte die Chance einen Laptop, eine Stereoanlage (irgendetwas Hochwertiges, was man sich so nicht leisten kann) einem Unternehmen zu stehlen. Ohne, dass man a) erwischt werden würde, es b) jemals nachgewiesen werden könnte und c) keine Strafe folgen könnte und würde und diese drei Faktoren 100% feststehen würden. Zusätzlich weiß man, dass dieses Unternehmen ziemlich viel Gewinn macht, da es die Preise bestimmen kann, da es eine markbeherrschende Stellung hat und das Unternehmen beutet seine Angestellten aus, da es sehr geringe Löhne, bei erwartet viel Arbeitseinsatz zahlt.

Dies ist die Ausgangssituation. Wie viele Menschen würden das Produkt "mitgehen" lassen, weil es ja eigentlich gerechtfertigt ist?
Wer hier würde es für sich verantworten können?

Ich nicht. Und hier muss ich nun anführen:"Ich bin so nicht erzogen worden.".
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich an anderen bereichern. Ferner unterliege ich der Annahme, dass alles was ich tue, vor allem anderen antue, wieder zurückkommt. Nicht von einer göttlichen oder höheren Macht gesteuert, vielmehr ist mir klar, dass mein Handeln zum einen mein weiteres Handeln im Leben beeinflusst und zum anderen, die Handlungen anderer mir gegenüber erheblich beeinflusst.

Wenn ich nun dieses Gerät nehmen würde, irgendjemand in meinem Umfeld würde dies bemerken. Es bleibt einfach nichts verborgen, auf dieser Welt. All sein Denken mir gegenüber wird nun, ab hier wahrscheinlich unbewusst, auf meine Tat bezogen. Und so wird sein Handeln und mein Handeln von dieser einen kleinen Bereicherung beeinflusst.
Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Das hätte dann aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eher positive Folgen, als in dem Fall, bei dem ich mich "moralisch" falsch verhalte.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Mai 28, 2007, 15:56:11
Ich hätte jetzt gesagt, ja, ich würde. Mit schlechtem Gewissen zwar, aber ich würde.  ;D

Andererseits gibts ja z.B. bei Musikdownloads fast die von Dir geschilderte Situation. Und dort mache ichs nicht.  Schwer zu sagen, wenn man nicht wirklich eine konkrete reale Situation vor sich hat.  :-\
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: fränk am Mai 28, 2007, 16:06:29
Ich würde nicht.
Theoretisch.

Ich mache auch nicht.
Allerdings hat sich mir auch noch keine so lukrative Situation geboten.

Ich bin im Alltag zu faul zum Lügen und zum Bescheissen.
Man muss sich so viele Situationen und Gesichter merken und genau wissen welche Sauerei man wem angetan hat.
Ich habe daher vor einiger Zeit beschlossen es mit Ehrlichkeit zu versuchen.

Finanziell rechnet es sich aber leider nicht.
Jedenfalls nicht im Geschäftsleben.
Ich habe sogar den Eindruck man wird milde belächelt.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Mai 28, 2007, 16:27:02
Wenn ich nun dieses Gerät nehmen würde, irgendjemand in meinem Umfeld würde dies bemerken. Es bleibt einfach nichts verborgen, auf dieser Welt.

Der Ansatz ist aber, dass es verborgen blieben würde. Jeder deiner Freunde würde denken, du hättest es gekauft und würden nie nach der Art des Erwerbs fragen.
Es ist eine ganz abstrakte Konstellation, die ich hier gegeben habe, die natürlich so niemals geschehen würde.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing am Mai 28, 2007, 17:42:08
Wenn ich nun dieses Gerät nehmen würde, irgendjemand in meinem Umfeld würde dies bemerken. Es bleibt einfach nichts verborgen, auf dieser Welt.

Der Ansatz ist aber, dass es verborgen blieben würde. Jeder deiner Freunde würde denken, du hättest es gekauft und würden nie nach der Art des Erwerbs fragen.
Es ist eine ganz abstrakte Konstellation, die ich hier gegeben habe, die natürlich so niemals geschehen würde.
Ok, aber selbst hier hätte mein Handeln einen Einfluss. Zuerst auf mich. Mein Verhalten der Welt gegenüber würde anders sein. Und im Umkehrschluss würde die restliche Welt auf mich reagieren und zwar als Konsequenz auf meine Motivation an sie.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: MacFlieger am Juni 04, 2007, 14:51:05
Für mich etwas schwierig so spät noch einzusteigen. Aber ich versuche es trotzdem mal.

Ich glaube nicht, dass Moral und Gewissen den Kindern angeboren sind.
Ich glaube nicht, dass Moral und Gewissen ausschließlich durch Erziehung der Eltern geformt werden.
Ich glaube, dass den Kindern angeboren ist, dass sie Moral und Gewissen durch Interaktion mit der Umwelt erwerben können.
Zur Erklärung: Kinder verhalten sich gerade wenn sie noch sehr klein sind sehr rücksichtslos bzw. können die Folgen ihres Tuns noch gar nicht begreifen. Z.B. will mein Größerer öfters andere Kinder in den Arm nehmen. Gerade bei kleineren Kindern besteht dann aber die Gefahr, dass die beiden das Gleichgewicht verlieren, umfallen und sich das kleinere Kinde verletzt. Als ich ihm (deutlich) klar machte, dass er das Kind nur streicheln aber nicht umarmen dürfte, fing er fast an zu weinen und man musste ihn trösten. Ihm sind die möglichen Folgen noch nicht immer klar.
Durch Interaktion mit anderen (nicht notwendigerweise nur den Eltern) lernen Kinder für sie positive Verhaltensweisen und das sind eben nicht immer nur die egoistischen Verhaltensweisen. Die Kinder bekommen bei egoistischen Verhaltensweisen auch negative Rückkopplung, gerade auch wenn sie mit gleichaltrigen spielen. Daher meiner Meinung nach auch die Ähnlichkeit der Moralvorstellungen, die warlord ansprach. Sie ergeben sich meiner Meinung nach automatisch durch die Interaktion der Personen einer Gruppe, wie ein sich-selbst-organisierendes System. Sie lernen dabei zu kooperieren. Die Eltern sollten das natürlich durch Erziehung unterstützen und dieses Erlernen fördern.
Diese angeborene Fähigkeit Moral und Gewissen zu erlernen wird meiner Meinung nach auch in den Untersuchungen zu "Spiegelneuronen" unterstützt. Es wurde herausgefunden, dass im menschlichen Gehirn die gleichen Areale aktiv sind, egal ob ich eine Handlung selber durchführe oder jemanden dabei beobachte. Dadurch soll das Möglichkeit zum Hineinversetzen in die Situation eines anderen begründet sein.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Juni 04, 2007, 15:05:32
Das, was du jetzt da ansprichst Flieger, in deinen Beispielen, hat es wirklich mit Gewissen, Ethik usw. zu tun.

Das "egoistische" Verhalten von Kindern, Umarmung etc., entspringt ja einem positivem Wunsch, nämlich Zuneigung zu zeigen. Dass die kleinen Menschen dann halt koordinativ noch nicht so drauf sind, dass mögliche negative Folgen auf jeden Fall vermieden werden, das indiziert doch aber nicht ein negative Bestimmung der Handlung.

Dass (und das meine ich generell) Kindern dann diese Zuneigungsbekundung durch die Umarmunf teilweise "abtrainiert" wird -- eigentlich schade, aber es ist halt schwierig den Unterschied zwischen richtiger Handlung und negativen, vielleicht unvermeidbaren Folgen aufzuzeigen, denn es sind Kinder, die Abstraktionsfähigkeit ist im Gegensatz zu einem Erwachsenen halt wesentlich geringer.

Es beantwortet aber immer noch nicht die Fragestellung. ;)
Können Kinder bewusst negativ handeln, also eine bewusste Entscheidung treffen und wissen sie in ihrer Welt um mögliche Konsequenzen und nehmen diese billigend in Kauf, wenn sie so handeln oder ist dieses "Grundbewsusstsein" einfach noch nicht vorhanden?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: MacFlieger am Juni 04, 2007, 15:45:42
Das "egoistische" Verhalten von Kindern, Umarmung etc., entspringt ja einem positivem Wunsch, nämlich Zuneigung zu zeigen. Dass die kleinen Menschen dann halt koordinativ noch nicht so drauf sind, dass mögliche negative Folgen auf jeden Fall vermieden werden, das indiziert doch aber nicht ein negative Bestimmung der Handlung.

Klar, sollte nur ein Beispiel dafür sein, dass Kinder die Folgen ihres Tuns noch nicht einschätzen können und war mir nur gerade stark im Gedächtnis. Beispiele für wirklich negative Handlungen (anderes Kind schlagen, Spielzeug wegnehmen etc.) gibt es ebenfalls genügend und man sieht sehr schön im Laufe der Entwicklung, wie sie lernen zu verstehen, dass ihnen Kooperation mehr bringt.

Zitat
Dass (und das meine ich generell) Kindern dann diese Zuneigungsbekundung durch die Umarmunf teilweise "abtrainiert" wird -- eigentlich schade, aber es ist halt schwierig den Unterschied zwischen richtiger Handlung und negativen, vielleicht unvermeidbaren Folgen aufzuzeigen, denn es sind Kinder, die Abstraktionsfähigkeit ist im Gegensatz zu einem Erwachsenen halt wesentlich geringer.

Korrekt. Wobei er in diesem Fall darauf "trainiert" wurde, sich größere Mädchen zu schnappen, die nicht umfallen, oder zu warten, bis sich das andere Kind hinsetzt.

Zitat
Können Kinder bewusst negativ handeln, also eine bewusste Entscheidung treffen und wissen sie in ihrer Welt um mögliche Konsequenzen und nehmen diese billigend in Kauf, wenn sie so handeln oder ist dieses "Grundbewsusstsein" einfach noch nicht vorhanden?

Nach meiner Erfahrung können sie anfangs weder positiv noch negativ bewusst handeln. Sie lernen die Folgen ihres Tuns erst mit der Zeit einzuschätzen und was positiv und negativ ist, entwickelt sich automatisch selbst organisierend bei der Interaktion mit der Umwelt. Unterstützt wird das dann durch Erziehung der Eltern/Erzieherinnen (nein, kein I), damit nicht alle Taten erstmal auftreten müssen, also quasi "Generationengedächtnis".
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Juni 04, 2007, 16:01:43
Nach meiner Erfahrung können sie anfangs weder positiv noch negativ bewusst handeln. Sie lernen die Folgen ihres Tuns erst mit der Zeit einzuschätzen und was positiv und negativ ist, entwickelt sich automatisch selbst organisierend bei der Interaktion mit der Umwelt. Unterstützt wird das dann durch Erziehung der Eltern/Erzieherinnen (nein, kein I), damit nicht alle Taten erstmal auftreten müssen, also quasi "Generationengedächtnis".

Also müsste man von diesem Ansatz ausgehen, ganz abstrakt sagen, dass die Eltern, die Erziehenden, die Weichen stellen und das Kind zu seinem möglichen nicht vorhandenen Unrechtsbewusstsein nichts kann, da er so erzogen, sozialisiert wurde.
Ich lasse jetzt absichtlich die Parameter "Anderes Umfeld", "Schule" etc. außen vor, um diese Abstraktion zu bekommen, damit man, von den Parametern losgelöst, diskutieren kann, inwieweit es dann alles bei einem Kind "unselbstbestimmt" bleibt, wie sein Gewissen, Ethik/Moral herausgebildet wird.

Die anderen Parameter bewirken ja "nur" einen Abwägungs- und Entscheidungsprozess.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: MacFlieger am Juni 04, 2007, 16:27:25
Also müsste man von diesem Ansatz ausgehen, ganz abstrakt sagen, dass die Eltern, die Erziehenden, die Weichen stellen und das Kind zu seinem möglichen nicht vorhandenen Unrechtsbewusstsein nichts kann, da er so erzogen, sozialisiert wurde.

Nein, genau das meine ich nicht.
Meiner Meinung nach kommt ein Kind von alleine durch die Interaktion mit anderen Wesen seiner Spezies (siehe Spieltheorie) und durch die Fähigkeit des Hineinversetzens in andere (siehe Spiegelneuronen), zu einem Gut und Böse. Auch ohne Eltern und Erzieher als sich-selbst-organisierendes System. Daher auch die ähnlichen Moralvorstellungen unterschiedlicher Bevölkerungen.
Eltern und Erzieher wirken dann als zusätzliche Richtungsgeber, die aber nicht notwendig sind.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Juni 04, 2007, 17:32:44
Wobei er in diesem Fall darauf "trainiert" wurde, sich größere Mädchen zu schnappen,

Der fängt ja früh an.  ;)
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Juni 04, 2007, 17:39:18
Nein, genau das meine ich nicht.
Meiner Meinung nach kommt ein Kind von alleine durch die Interaktion mit anderen Wesen seiner Spezies (siehe Spieltheorie) und durch die Fähigkeit des Hineinversetzens in andere (siehe Spiegelneuronen), zu einem Gut und Böse. Auch ohne Eltern und Erzieher als sich-selbst-organisierendes System. Daher auch die ähnlichen Moralvorstellungen unterschiedlicher Bevölkerungen.
Eltern und Erzieher wirken dann als zusätzliche Richtungsgeber, die aber nicht notwendig sind.

Also lässt man auch den Parameter Eltern weg, und die Kinder sind völlig isoliert untereinander, dann würde sich eine unseren Vorstellungen entsprechende Ethik/Moral herausbilden. Habe ich dich da so richtig verstanden?
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: warlord am Juni 04, 2007, 17:40:32
Sofern es da Überlebende gäbe.  ;D
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: MacFlieger am Juni 04, 2007, 19:16:32
Ja, so würde ich das sehen.
Natürlich nicht so ausgefeilt, wie wir das aktuell kennen, sondern nur die Grundzüge. Ich denke, dass die Feinheiten sich dann über Generationen hinweg zusätzlich über die Rückkopplungsschleife "ältere Individuen" gebildet hat.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: daveinitiv am Juni 04, 2007, 19:33:19
Ich denke, dass die Feinheiten sich dann über Generationen hinweg zusätzlich über die Rückkopplungsschleife "ältere Individuen" gebildet hat.

Was ja in dem momentanen Gedankenexperiment nicht geht, da wir den Parameter der Eltern usw. auslassen. Bedeutet nach deiner Sicht würden immer nur Grundzüge "hervortreten".
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: MacFlieger am Juni 06, 2007, 14:35:28
Ja, genauso. Die ethischen Grundlagen wurden ja über die Jahrtausende immer weiter verfeinert und jedes "Böse"/"Gute" erst einmal selber machen, um daraus die Zuordnung Gut/Böse zu lernen, ist ja nicht möglich.
Also praktisch ein selbst-organisierendes System, dass sich durch Interaktion eines Kindes mit den Wesen seiner Spezies verbunden mit einem "Gedächtnis" durch Weitergabe von derartig erhaltenen Zuordnungen über die älteren Wesen der Spezies.
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: mathias am Juni 13, 2009, 07:24:50
Musste jetzt diesen alten Fred nochmal auskramen, weil ich gerade das Buch lese "Wer bin ich und wenn ja wie viele?" von Richard David Precht. Der ein oder andere mag das Buch vielleicht schon gelesen haben. Die Meinungen über die Qualität gehen - wie fast immer - stark auseinander (bei Amazo z.B.). Mir gefällt es, da es  mir Spass macht,  hin und wieder mal über philosophische Fragen nachzudenken bzw. verschieden Denkanstösse zu bekommen. Wer allerdings hofft -wie einige der Kritiker- er könne in diesen 400 Seiten mal schnell die komplette Philosophie erlernen oder konkrete Antworten auf wichtige Fragen erhalten, der wird enttäuscht werden.
Nun zum Thema....
Der Mensch ist von Natur aus gut - der Mensch ist von Natur aus schlecht - beides falsch. In dem Buch heißt es, in der Wissenschaft wird heute allgemein die Meinung vertreten, dass der Mensch keine angeborene Moral besitzt. Angeboren ist "nur" die Fähigkeit, Moral zu entwickeln/erlernen.
Tja, schade, dass Dave die Antwort auf seine Frage nicht mehr hier nachlesen wird. Aber vielleicht hat er ja das Buch selbst gelesen...
Titel: Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Beitrag von: Thyrfing am Juni 13, 2009, 10:10:55
Angeboren ist der Überlebensinstinkt und der ist erstmal ohne moralische Wertvorstellungen vorhanden.