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Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #45: Juli 02, 2012, 14:51:24
Etwas länger, aber lesenswert (auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin):
http://www.nzz.ch/aktuell/digital/wolfgang-kleinwaechter-interview-1.17308743
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #46: August 25, 2012, 21:08:42
« Letzte Änderung: August 26, 2012, 20:14:01 von radneuerfinder »
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #49: Dezember 01, 2012, 08:30:04
Naja, "widerspricht" ist gut.
Eigentlich bestätigen sie doch nur die Vorwürfe.
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Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen." -- Schiller
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #50: Dezember 01, 2012, 17:48:51
Vermmutlich bleibt auch nach der Konferenz alles so wie es ist. Mittelfristig aber ...

Durch die World Conference on International Telecommunications (WCIT) drohen entscheidende Änderungen: Für die User könnte dann Internet nicht gleich Internet sein, der Internet-Zugang je nach Betreiber und Bezahlung in unterschiedliche Netzwelten führen:
http://www.heise.de/ct/artikel/Netz-Kontrolleure-1758455.html
http://www.golem.de/news/wcit-2012-warnung-vor-umstrukturierung-der-internetkontrolle-1212-96089.html

« Letzte Änderung: Dezember 03, 2012, 16:05:17 von radneuerfinder »
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #55: Dezember 15, 2012, 17:50:29
Das Netz hat sich in letzter Zeit hin zu mittelalterlichem Feudalismus entwickelt, findet Bruce Schneier: http://www.wired.com/opinion/2012/11/feudal-security/

Eine IMO interessante These. Und gänzlich Unrecht hat er damit nicht. Die staatlichen Bemühungen, etwas mehr Kontrolle über das Internet zu gewinnen, erscheinen da auf einmal in einem etwas anderen, milderen Licht. Zumindest dann, wenn es sich um rechtsstaatliche Bemühungen handelt.

Danke für den Link. Ich habe ihn gleich mal nach hier übernommen.

Das mildere Licht müsstest Du für mich aber noch setzen. Von selber erhellt es sich mir nicht. An was denkst Du? An eine weltweite InternetKartellBehörde gegen Oligopolbildung?
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #56: Dezember 15, 2012, 18:14:25
Das mildere Licht müsstest Du für mich aber noch setzen. Von selber erhellt es sich mir nicht. An was denkst Du? An eine weltweite InternetKartellBehörde gegen Oligopolbildung?

Ich habe an keine spezifische Lösung gedacht. Ich habe gar keine solche. Und vermutlich gibt es sie auch gar nicht. Die Ablösung des Feudalismus war ja schon im nicht-digitalen Zeitalter kein leichtes, unblutiges, von heute auf morgen zu erledigendes Unterfangen. Heute im globalen Internet ist es wohl noch weniger leicht.

Ich meinte einfach nur, dass die Bemühungen, etwas mehr staatliche Kontrolle ins Internet zu bringen, an sich, aus Sicht des Einzelnen, nicht nur schlecht sein müssen. Und dieser Satz kommt gerade mir, der ich eigentlich kaum je für mehr Staat bin, nicht leicht und schon gar nicht begeistert über die Lippen (bzw. über die Finger). Aber wenn letztlich nur eine Wahl besteht, sich entweder einem Feudalherrn oder einem Rechtsstaat auszuliefern, dann ist mir der letztere doch irgendwie noch lieber. Aber auflehnen wird sich das freiheitlich schlagende Schweizerherz natürlich gegen beide. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
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Florian

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Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #57: Dezember 16, 2012, 13:57:33
Ich würde das einfacher formulieren: Man gibt die Kontrolle über seine Daten ab.

Nun war das auch schon vor iPhone und Facebook teilweise so, man denke an ganz normale Email- und Hosting-Provider. Kaum Jemand hat ja seine eigenen Server.
Aber natürlich stellt man immer mehr ins Internet und viele Leute auch immer bedenkenloser. Gleichzeitig oft auf ausländische Server, wo sie ganz anderen Gesetzen unterliegen. Und wo man früher bezahlte für das Hosting, will man heute alles umsonst - bzw. gibt bereitwillig seine Daten zur Verwertung frei.

Ich sehe das natürlich alles sehr kritisch, aber andererseits wird niemand dazu gezwungen.
Man kann auch so ein digitales Nomadenleben haben, dann muss man sich eben bisschen informieren und selber was aufsetzen. Anders als im Mittelalter…


Zu den staatlichen Eingriffen:
Ich bin kein Anhänger anarchistischer Theorien und natürlich muss auch im Internet das Gesetz Beachtung finden. Was aber nicht geht ist die völlige Überwachung aller Nutzer, um dann im Bedarfsfall den Täter rauszufischen. Natürlich praktisch, aber zu welchem Preis?
Das Bundesverfassungsgericht hat der deutschen Politik sogar recht deutlich gesagt, was noch erlaubt ist (schon noch einiges!), und was nicht. Die Politik verweigert Einsicht und Kreativität daraus sinnvolle Gesetze zu machen.

An andere Länder mag ich da gar nicht denken. Bekämen die Regierungen generell noch mehr Macht, sähe ich die Internationalität des Internets endgültig davon schwimmen. Auch als Katalysator für gesellschaftlichen Wandel dürfte es dann ausfallen. In China sieht man ja schon gut, was heute schon an Zensur möglich ist. Noch können sich interessierte Chinesen teilweise mit allerlei Tricks behelfen, aber es wird immer schwieriger.
Auch in Demokratien haben wir ja anhand dieser Internet-Sperren gesehen, dass da plötzlich Seiten draufstanden, die definitiv nichts mit Straftaten zutun hatten. Bin immer sehr skeptisch, wenn der Ruf nach mehr Kontrolle wiederhallt.

 
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"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #58: Dezember 16, 2012, 17:18:22
Ich sehe das natürlich alles sehr kritisch, aber andererseits wird niemand dazu gezwungen.
Man kann auch so ein digitales Nomadenleben haben, dann muss man sich eben bisschen informieren und selber was aufsetzen. Anders als im Mittelalter…

Klar kann man. Man konnte wohl auch im Mittelalter eine Existenz als Nicht-Bauer wählen. Freilich, das wird wohl kaum jemand freiwillig getan haben, weil er dann einfach kein Land zum Bewirtschaften und so auch kein Essen gehabt hätte.

So dramatisch ist die digitale Situation natürlich nicht. Es geht nicht um Leben oder Tod (meistens jedenfalls). Natürlich kann man versuchen, sich sämtlichen digitalen "Feudalherren" zu entziehen. Und das ohne dass einem der Hungertod droht. Aber eben doch zum Preis, dass man viele digitale Äcker nicht bewirtschaften kann und so zu einem ähnlichen weirdo und Aussenseiter wird, wie einst die Vagabunden. So völlig abwegig ist der Vergleich mit dem Feudalismus IMO nicht.

Ich finde solche Gedankenexperimente jedenfalls interessant, weil sie helfen können, sich in verfahrenen Situationen zu orientieren und mögliche Auswege zu diskutieren. Und, sind wir ehrlich, in einer verfahrenen Situation sind wir, wenn wir (ich nehme mich da nicht aus) zwar wünschen, dass die Gesetze auch im Internet Beachtung finden, wir gleichzeitig aber sämtliche Möglichkeiten vereiteln wollen, das auch umsetzen zu können.

Ist es nicht so, dass wir "Überwachungsgegner" etwas zu verteidigen versuchen, was es gar nie gab? Freilich wird in der Öffentlichkeit gerne das Bild vom anarchistischen Internet gezeichnet. Und freilich glauben die Jungs von Anonymous daran, dass das Internet wirklich anarchistisch ist (zumindest so lange, bis dann doch die Polizei vor der Tür steht). Und freilich tun auch viele staatliche Akteure so, als wäre das Internet etwas anarchistisches, ihrer Kontrolle entzogenes, das sie machtlos zurück lässt. Aber kaschiert das häufig nicht nur Unfähigkeit der betreffenden staatlichen Organe? Und dient es den übrigen staatlichen Organen nicht häufig einfach nur als Schutzschild vor der Rechtsstaatlichkeit? (Im feudalistischen Umfeld, in welchem man sich nur mit den übrigen Feudalherren arrangieren muss, agiert es sich deutlich einfacher als in einer Republik. Und solange man dem Internet-Volk vorgaukeln kann, es lebe in einer Anarchie, stört sich da auch keiner daran. Sondern die Leute, wir, kämpfen sogar noch dafür, dass die bisherigen Zustände so bleiben...)

An andere Länder mag ich da gar nicht denken. Bekämen die Regierungen generell noch mehr Macht, sähe ich die Internationalität des Internets endgültig davon schwimmen. Auch als Katalysator für gesellschaftlichen Wandel dürfte es dann ausfallen. In China sieht man ja schon gut, was heute schon an Zensur möglich ist. Noch können sich interessierte Chinesen teilweise mit allerlei Tricks behelfen, aber es wird immer schwieriger.
Auch in Demokratien haben wir ja anhand dieser Internet-Sperren gesehen, dass da plötzlich Seiten draufstanden, die definitiv nichts mit Straftaten zutun hatten. Bin immer sehr skeptisch, wenn der Ruf nach mehr Kontrolle wiederhallt.

Ja, ich auch. Mir ist aber rechtsstaatliche Kontrolle lieber als unrechtsstaatliche. Und das heisst womöglich, dass man überdenken muss, ob das, wofür man eintritt, wirklich das ist, wofür man einzutreten glaubt und wofür man eintreten möchte.
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Florian

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Re: Netzneutralität - Wem gehört das Internet?
Antwort #59: Dezember 16, 2012, 18:50:28
Auf den Feudalismus-Vergleich wollte ich weniger eingehen, er ist natürlich extrem übertrieben. Aber sei's drum:

Klar kann man. Man konnte wohl auch im Mittelalter eine Existenz als Nicht-Bauer wählen. Freilich, das wird wohl kaum jemand freiwillig getan haben, weil er dann einfach kein Land zum Bewirtschaften und so auch kein Essen gehabt hätte.

Nein, Hörige und Leibeigene hatten keine freie Orts- oder Berufswahl, hatten die Scholle zu beackern. Die Pflichten wurden vererbt.
Natürlich gab es auch (vgl. wenige) Freibauern, aber die sind ja wohl gerade nicht gemeint.

Ein Verlassen des Hofes ohne Erlaubnis (in der Regel nach Freikauf) war sehr gefährlich. Nicht nur, weil man nichts zu essen hatte. Man wurde verfolgt und wahrscheinlich auch wieder eingefangen, Bestrafung mitunter extrem.

Zitat
Aber eben doch zum Preis, dass man viele digitale Äcker nicht bewirtschaften kann und so zu einem ähnlichen weirdo und Aussenseiter wird, wie einst die Vagabunden. So völlig abwegig ist der Vergleich mit dem Feudalismus IMO nicht.

Der Druck wird wahrscheinlich immer weiter zunehmen, bzw. ist bei den jungen Leute wohl schon extrem.

Man kann aber wirklich nicht davon sprechen, hier würde irgendetwas lebenswichtiges vorenthalten. Natürlich kommt das dem einen oder anderen so vor, wenn er in der Schule ein Außenseiter ist… 

Eine gewisse Lösung aus der Abhängigkeit bei gleichzeitiger Nutzung eines solchen Dienstes kann nur ein freies Netzwerk sein ohne kommerziellen Hintergrund. Das wäre immerhin ein Kompromiss. Momentan sieht es vielleicht mau aus, aber an Wikipedia, OSM und Mozilla haben ja auch viele lange nicht geglaubt.

Zitat
Ich finde solche Gedankenexperimente jedenfalls interessant, weil sie helfen können, sich in verfahrenen Situationen zu orientieren und mögliche Auswege zu diskutieren.


Naja, gut. Ich hätte das anders ausgedrückt, aber ich bin ja auch kein Journalist. Ist so natürlich knackiger.

Zitat
Und, sind wir ehrlich, in einer verfahrenen Situation sind wir, wenn wir (ich nehme mich da nicht aus) zwar wünschen, dass die Gesetze auch im Internet Beachtung finden, wir gleichzeitig aber sämtliche Möglichkeiten vereiteln wollen, das auch umsetzen zu können.

Ich persönlich lehne nicht sämtliche Möglichkeiten ab. Aber eine verdachtslose Massenspeicherung auf Vorrat ist nur unheimlich toll für die Behörden. Zumal wenn es nicht wirklich zielführend ist, weil die Profis eh unterm Radar durchtauchen.

Aber dazwischen gibt es ja Möglichkeiten: Eben im Verdachtsfall den Anschluss des Verdächtigen überwachen. Entsprechende Seiten mit Vehemenz bekämpfen.
Was die IP-Adressen angeht: Da wäre in Deutschland sicher nicht so viel Gegenwind, wenn es nicht den Abmahnwahn gäbe. Das muss man sicher immer im Hinterkopf behalten.

Aber tatsächlich kommt doch eh selten etwas raus allein mit den IP-Adressen. Aber natürlich sind solche IP-Sammlungen wahnsinnig interessant und führen dann leider fast schon automatisch zu Aktionen, die nicht ganz zielführend sind, aber für die Betroffenen massive Konsequenzen haben. So z.B. die „Operation Himmel“ 2007. Ich will nichts beschönigen, aber hier ging es letztendlich zumeist um ein Popup-Fenster auf einer sonst legalen Pornoseite.
Je nach Staatsanwaltschaft wurden alle Verfahren eingestellt oder 80% der Anschlussinhaber besucht mitsamt Beschlagnahme aller Rechner etc. und natürlich einem Stigma für den Betroffenen, der ja wohl nur noch umziehen kann. Leider kann ich keine Quote der Verurteilungen finden, bei 12000 eingeleiteten Verfahren hat man sicher bei dem einen oder anderen noch mehr gefunden.
Wahrscheinlich wurde vor allem folgendes bewirkt: Angst bei allen, auch mal ein Popup-Fenster serviert zu bekommen. Und vermehrte IP-Verschleierung bei den Kriminellen.


Zitat
Ist es nicht so, dass wir "Überwachungsgegner" etwas zu verteidigen versuchen, was es gar nie gab? Freilich wird in der Öffentlichkeit gerne das Bild vom anarchistischen Internet gezeichnet. Und freilich glauben die Jungs von Anonymous daran, dass das Internet wirklich anarchistisch ist (zumindest so lange, bis dann doch die Polizei vor der Tür steht). Und freilich tun auch viele staatliche Akteure so, als wäre das Internet etwas anarchistisches, ihrer Kontrolle entzogenes, das sie machtlos zurück lässt. Aber kaschiert das häufig nicht nur Unfähigkeit der betreffenden staatlichen Organe? Und dient es den übrigen staatlichen Organen nicht häufig einfach nur als Schutzschild vor der Rechtsstaatlichkeit? (Im feudalistischen Umfeld, in welchem man sich nur mit den übrigen Feudalherren arrangieren muss, agiert es sich deutlich einfacher als in einer Republik. Und solange man dem Internet-Volk vorgaukeln kann, es lebe in einer Anarchie, stört sich da auch keiner daran. Sondern die Leute, wir, kämpfen sogar noch dafür, dass die bisherigen Zustände so bleiben...)

Zustimmung. Man sieht ja, wie es auch gehen kann: kreuz net ist weg vom Fenster. Aber das war nicht die Polizei, Zivilpersonen hatten ermittelt, da haben sie Schiss bekommen… wo sind denn die Beamten, die sich auskennen? Die guten Leute verdienen viel mehr in der Privatwirtschaft.

Zitat
Ja, ich auch. Mir ist aber rechtsstaatliche Kontrolle lieber als unrechtsstaatliche. Und das heisst womöglich, dass man überdenken muss, ob das, wofür man eintritt, wirklich das ist, wofür man einzutreten glaubt und wofür man eintreten möchte.

Immer. Die Welt ist auch nicht so einfach, wie sie die „Netzaktivisten“ darstellen. Leider besteht ein enormes Gefälle an Know-How zwischen ihnen und z.B. den Innenpolitikern. Das macht den Dialog so schwierig.
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                         William Shakespeare