Antwort #13: November 07, 2009, 08:25:11
Von der Theorie der Konjunkturhilfe für Pharmaunternehmen (oder gar von Verschwörungstheorien, die böse Pharmaindustrie stecke hinter dem ganzen Hype (oder sogar dem Virus)), halte ich nun relativ wenig. Pharma spürt die schlechte Konjunktur nämlich nur unterdurchschnittlich.
Das Hype-Problem ist in meinen Augen deutlich vielschichtiger. Wichtige Motoren der zeitweise bestehenden Überdramatisierung sind in meinen Augen auch das Bedürfnis von Gesundheitsbehörden, die Notwendigkeit der eigenen Existenz zu beweisen, und dann vor allem auch die Presse und ihr Selbstverständnis. Aufgabe der Presse ist heute ja nicht mehr primär die Berichterstattung, sondern die Unterhaltung. (Ein Grossteil der Konsumenten will das natürlich auch so.)
Und dann gibt es wohl eben durchaus auch wissenschaftliche Gründe, die gegen ein Nehmen auf die allzu leichte Schulter sprechen. Nicht auf den einzelnen Kranken bezogen, aber gesamtheitlich betrachtet. Sorgen machen weniger die aktuellen Auswirkungen von H1N1. Die Sterberate ist in der Tat vergleichbar mit den "üblichen" saisonalen Grippen oder sogar leicht geringer. Angst macht er den Experten schätzungsweise primär als mögliche Komponente oder Ausgangsvirus für einen weit gefährlicheren Virus. Z.B. wenn er sich mit H5N1 (besser bekannt als Vogelgrippe, der übrigens die Behörde, bei welcher ich tätig bin, auch heute noch wesentlich stärker beschäftigt als H1N1, auch wenn man darüber seit Jahren nichts mehr liest) vereinigen würde. Und je grösser die Ausbreitung von H1N1 wird, je mehr Viren es also gibt, umso mehr Mutationen von ihm gibt es. Und je mehr Mutationen es gibt, umso grösser ist die Chance, dass darunter auch gefährlichere Mutationen sind oder er sich gar mit H5N1 vereinigt.
Edit: Typos
« Letzte Änderung: November 07, 2009, 10:17:55 von warlord »
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)