Jetzt bin wirklich gespannt, wie das weitergeht.
Gibt es wirklich nur Nachteile für die Briten und für die EU?
Beide Lager haben im Vorfeld ja genau gewusst, was geschehen wird, mal sehen, wie's wirklich wird.
Ansichtssache. Die wirtschaftlichen und politischen, auch geopolitischen Nachteile auf beiden Seiten sind sicher größer. Und die Vorteile nur schwierig zu erreichen und für viele vielleicht gar keine, sondern Zumutungen.
Was ich damit meine: Mit den Briten war keine weitere Einigung zu machen. Gleichzeitig blockierten sie Fortschritte auch allein für die Euro-Gruppe, zu der sie gar nie gehörten.
Theoretisch könnten sich die anderen also nun fester zusammenbinden - nur erweisen sich manche anderen Länder ja als noch widerspenstiger als die Engländer, die Populisten aller Couleur jubeln und werden der UKIP versuchen nachzueifern.
Umso härter dürften die Briten jetzt angefasst werden, auf Vergünstigungen wegen ihrer Wichtigkeit brauchen sie nicht hoffen.
m.E. ist Deutschland der größte Verlierer, auch wenn vielleicht ein kleiner Teil des Finanzsektors nach Frankfurt wandert (was auch zweischneidig ist). Wirtschaftlich, aber eben auch, weil die Briten sehr oft auf unserer Seite standen. Jetzt dürfte die EU südlich und östlicher werden. Gleichzeitig bleibt die derzeitige ungewollte Führungsrolle Deutschlands quasi zementiert, was den Gegenwind noch verstärken dürfte. Italien und Frankreich scheinen ja auf längere Sicht nicht hoch zu kommen. Polen könnte irgendwann mal wirtschaftlich aufschließen, aber das dauert noch Jahrzehnte.
Werden jetzt Stimmen laut, man brauche die Türkei als Gegengewicht zu Deutschland?
Zieht die Regierung in London noch die Notbremse und hält sich nicht an das Ergebnis?
Ganz sicher nicht, so etwas ist dann doch unvorstellbar.
Cameron ist schon zurückgetreten.
Jetzt müssen wir erstmal schauen, wie es in GB weitergeht mit der Regierungsbildung und wann dann der Austrittswunsch übermittelt wird. Dafür gibt es ja ein vertraglich geregeltes Prozedere. Hält man sich daran, geht das über zwei Jahre und bis dahin ist GB noch EU-Mitglied.
Folgt ein wilder Austritt, dürften die Verwerfungen noch viel größer werden.
Oder ist's am Ende wie mit dem Millennium-Bug, eigentlich passiert nix?
Das wird immer so dargestellt. Erst wurde die Gefahr hysterisch übertrieben, dann passierte fast nichts und man hakt es ab. Hätten vorher aber nicht viele Leute ordentlich Überstunden geschoben, wäre das nicht so glimpflich abgelaufen.
Man konnte sich eben vorbereiten. Hoffentlich hat man das auch beim Brexit gemacht.
Edit: Und so machen Populisten Politik:
Erst mit falschen Zahlen Versprechungen machen, direkt nach dem Wahlsieg diese dann sofort einkassieren.
http://www.sueddeutsche.de/politik/ukip-chef-farage-kassiert-wichtigstes-brexit-versprechen-direkt-wieder-ein-1.3049615Und nein, dass machen nicht alle so.
Edit 2:
Schottland hat sich eindeutig für Remain entschieden und die Nationalisten drängen auf eine neue Unabhängigkeits-Abstimmung.
Auch Nordirland hat sich, gespalten wie zu erwarten, mehrheitlich für Remain entschieden. Die Grenze zur Republik Irland ist bald EU-Außengrenze mit allen Folgen. Auch wird befürchtet, dass die Provinz von London nicht annähernd so viele Subventionen bekommt wie von der EU. Sinn-Féin-Urgestein McGuiness fordert schon ein neues Unabhängigkeitsreferendum. Vom Bevölkerungsgemisch her dürfte es reichen, will sagen die Katholiken vermehren sich eben stärker, zudem sind mittlerweile viele Polen im Land - katholisch und als Ausländer EU-freundlich.
Könnte also sein, dass in ein paar Jahren Großbritannien nur noch aus England und Wales besteht. Wobei auch in Wales erfolgreiche Austritte der anderen Nationen den Separatisten Aufwind geben dürfte. Dann stünde England alleine da.
Beim Brexit sieht man übrigens auch sehr stark die Macht der Älteren. Jung sehr oft für remain, Alt oft für leave.
Diesen demographischen Wandel und seine politischen Auswirkungen sehen wir hierzulande ja noch stärker. Glücklicherweise sind unsere Alten noch mehrheitlich geimpft gegen Nationalismus. Aber generell hat man im Alter natürlich oft mehr Probleme mit „dem Fremden“, dass ist ja kein neuer Befund und auch nicht böse gemeint.
In GB kippt die Mehrheit übrigens schon bei „ab 50 Jahre".