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Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
November 13, 2012, 08:34:49
Filesharing: Zeugenaussage schlägt Screenshot

Was für ein Theater. Das Gericht glaubt dem Familienvater, dass er keine Musik angeboten hat, weil er beweisen kann, dass er in Urlaub war, und dem Zeugen glaubt, dass der Router stromlos gesetzt wurde.

An der Richtigkeit des Screenshots des Klägers und der Zuordnung des Angeklagten zur IP zweifelt es aber auch nicht. Schon irgendwie widersprüchlich für den normalen Menschenverstand.
Liegt aber daran, dass juristisch keine Notwendigkeit für das Gericht besteht, sich näher mit dem "Beweis" des Klägers zu beschäftigen, da der Angeklagte schon seine Unschuld glaubhaft machen konnte.
Daher wäre es schon zu wünschen, dass der Angeklagte nun gegen die Kläger vorgeht, damit sich das Gericht mit der Glaubhaftigkeit dieser Beweise mal auseinandersetzt.

Denn das ist das eigentliche Problem: Screenshots oder Log-Dateien vom Kläger und nachfolgende Personenzuordnung des Providers werden als absolut glaubhaft vor Gericht angesehen und es ist nur in wenigen Fällen möglich, dass Gegenteil zu beweisen. Das übliche Vorgehen vor Gericht ist hier ins absolute Gegenteil verkehrt. Man muss nicht mehr eine Schuld beweisen, sondern eine Unschuld. Und das ist in fast allen Fällen unmöglich. Im Gegensatz zum Kläger erhält man über die eigene IP zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Auskunft vom Provider. Aus Datenschutzgründen. Abstrus.
Eigene Aufzeichnungen über die zugeteilte IP sind nicht glaubhaft, da solche Log-Dateien oder Screenshots natürlich leicht manipuliert werden können. Vergleichbare Log-Dateien und Screenshots des Klägers sind aber über jeden Zweifel erhaben.

Es gabe in letzter Zeit öfters Fälle, bei denen die Zuordnung der IP nicht oder falsch gelang. Leute sind in Urlaub, eine ältere Dame hat zwar einen Internetanschluß, aber weder Computer noch Handy... Das kann an einem falschen oder ungenauen Zeitstempel liegen, an einem Zahlendreher bei der Abfrage beim Provider etc. Wenn man ganz böse ist, kann man auch behaupten, dass sich der Kläger dort IP-Adressen einfach ausdenkt oder bei aktiven IPs einfach das illegale Anbieten behauptet. Mit der aktuellen Verfahrensweise hat man als Computernutzer faktisch keine Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen.

Daher wäre es schön, wenn sich mal Gerichte mit der echten Beweiskraft solcher Behauptungen auseinandersetzen würden. Aber das scheuen die mit der Teufel das Weihwasser. Das würde erhebliche Konsequenzen auch für andere Fälle haben.
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Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen." -- Schiller
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #1: November 13, 2012, 09:24:28
Wenn man ganz böse ist, kann man auch behaupten, dass sich der Kläger dort IP-Adressen einfach ausdenkt oder bei aktiven IPs einfach das illegale Anbieten behauptet. Mit der aktuellen Verfahrensweise hat man als Computernutzer faktisch keine Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen.
Naja wenn 5400 Euro Schadensersatz ist kein Pappenstiel. Da würde doch jeder versuchen den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, nicht wahr?
Allerdings hat er ja 2200 Audiodateien angeboten, ich frage mich ob das der ausschlaggebende Punkt war, denn wenn er 2200 Audiodateinen nur runter geladen hätte anstatt anzubieten, wäre vermutlich nichts passiert. Ich habe das so in Erinnerung, dass die Musikindustrie hauptsächlich gegen die vorgeht, die Musik illegal verbreiten, weniger gegen die, welche sie herunter laden. Das mag daran liegen weil es einfach zu viele sind die runter laden und nur einige wenige die hoch laden (bereit stellen)

Aber diese ganze Debatte um illegale Musik, war das nicht in den 90er Jahren aktuell? Ich dachte das ist schon lang nicht mehr so schlimm wie damals dank iTunes Musik Store und die anderen offiziellen Möglichkeiten Musik online zu kaufen.
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #2: November 13, 2012, 09:31:48
Ich lese

... Da der Beklagte einen Mietvertrag über sein Urlaubsdomizil zum Beweis vorlegen konnte ...

Das besagt aber doch nicht, dass er auch dort war ?

Jochen
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Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #3: November 13, 2012, 09:52:20
... Da der Beklagte einen Mietvertrag über sein Urlaubsdomizil zum Beweis vorlegen konnte ...
Das besagt aber doch nicht, dass er auch dort war ?

Das ist richtig, jedoch kann man davon ausgehen dass es stimmt. Wenn ich mir in Ibiza für 2 Wochen nen Bungalow miete dann geht man halt davon aus dass ich da auch Urlaub mache und genau das hat das Gericht wohl getan.

Es heisst in dem Artikel ja auch:
Da der Beklagte einen Mietvertrag über sein Urlaubsdomizil zum Beweis vorlegen konnte, reduzierte sich die Haftungsfrage, wie so häufig bei Filesharing-Prozessen, auf die Frage, ob Fremde seinen Anschluss für die Rechtsverletzungen missbraucht haben.

Es wurde also die Haftungsfrage im Prozess reduziert auf die logische Schlussfolgerung, wenn er im Urlaub ist dann muss jemand anders den  Anschluss benutzt haben. Wenn ein Richter sein Urteil fällt, so kann er die Entscheidung davon abhängig machen (natürlich allem im gesetzlichen Rahmen) wem er mit seinem Rechtsverständnis, Logik und Erfahrung Glauben schenkt. Offensichtlich hat er sich hierbei für den Beschuldigten entschieden.
« Letzte Änderung: November 13, 2012, 09:57:11 von Ninnth »
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #4: November 13, 2012, 09:59:37
Naja wenn 5400 Euro Schadensersatz ist kein Pappenstiel. Da würde doch jeder versuchen den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, nicht wahr?

Wenn Du dann zu betreffenden Zeitpunkt nicht zufällig in Urlaub bist und(!) glaubhaft beweisen kannst, dass Dein Router aus ist, hast Du keine Chance.

Zitat
Allerdings hat er ja 2200 Audiodateien angeboten, ich frage mich ob das der ausschlaggebende Punkt war, denn wenn er 2200 Audiodateinen nur runter geladen hätte anstatt anzubieten, wäre vermutlich nichts passiert. Ich habe das so in Erinnerung, dass die Musikindustrie hauptsächlich gegen die vorgeht, die Musik illegal verbreiten, weniger gegen die, welche sie herunter laden. Das mag daran liegen weil es einfach zu viele sind die runter laden und nur einige wenige die hoch laden (bereit stellen)

Äh, nein.
Richtig ist: Das Bereitstellen ist auf jeden Fall illegal. Der Download ist dann illegal, wenn er aus eindeutig zu erkennender illegaler Quelle erfolgt.
Nur ist ein Bereitstellen viel einfacher zu erkennen, als ein Download. Wie willst Du erkennen, wer was herunterlädt? Das ist aktuell auch nicht möglich. Bei FileSharing ist es aber so, dass man bei einem Download automatisch auch bereitstellen muss.
Bei FileSharing gibt es nicht "viele die herunterladen" und "wenige die bereitstellen". Alle(!) die herunterladen stellen mind. die Zeit während des Downloads auch bereit.

Aber darum geht es hier nicht. Wenn einer FileSharing betreibt und dann erwischt wird, hat er Pech gehabt, dann muss er zahlen. Ob die Zahlungen angemessen sind oder nicht, ist noch diskussionswürdig, aber um solche Fälle geht es nicht!

Wenn morgen ein Brief bei Dir eintrudelt mit einem Log-Auszug, dass IP xy zu diesem oder jenen Zeitpunkt etwas bereitgestellt hat und der Provider dazu Deinen Namen ausspuckte, was machst Du dann? Richtig: Wenn Du nicht zufällig im Urlaub oder Krankenhaus o. Ä. warst und(!) beweisen kannst, dass Dein Router aus war (reine Abwesenheit reicht nicht!), zahlst Du.

Zitat
Aber diese ganze Debatte um illegale Musik, war das nicht in den 90er Jahren aktuell? Ich dachte das ist schon lang nicht mehr so schlimm wie damals dank iTunes Musik Store und die anderen offiziellen Möglichkeiten Musik online zu kaufen.

Noch einmal: Es geht nicht um illegale Musik.
Es geht um die Beweislastumkehr. Es gibt einige Fälle, bei denen klar der falsche beschuldigt wurde und nur durch Zufall da wieder raus kam. Die alte Frau ohne Computer und Handy musste ebenfalls ihre Unschuld beweisen. Und nicht umgekehrt, wie es sonst vor Gericht üblich ist.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #5: November 13, 2012, 10:04:30
Daher wäre es schön, wenn sich mal Gerichte mit der echten Beweiskraft solcher Behauptungen auseinandersetzen würden. Aber das scheuen die mit der Teufel das Weihwasser. Das würde erhebliche Konsequenzen auch für andere Fälle haben.

Wie kommst Du denn auf die Idee, dass sich das Gericht nicht mit der Beweiskraft ausgeinander gesetzt hätte?

Auch wenn Falschzuordnungen von IPs vorkommen können und schon vorgekommen sind - hundertprozentige Fehlerfreiheit kann wohl nie jemand garantieren - dürfte das IP-Protokoll des Providers doch wohl das Beweiskräftigste sein, was bei solchen Aussage-gegen-Aussage-Situationen berücksichtigt werden kann. Oder worauf würdest Du denn abstellen wollen?
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #6: November 13, 2012, 10:07:02
... Da der Beklagte einen Mietvertrag über sein Urlaubsdomizil zum Beweis vorlegen konnte ...
Das besagt aber doch nicht, dass er auch dort war ?

Das ist richtig, jedoch kann man davon ausgehen dass es stimmt. Wenn ich mir in Ibiza für 2 Wochen nen Bungalow miete dann geht man halt davon aus dass ich da auch Urlaub mache und genau das hat das Gericht wohl getan.


Ich hatte auch mal einen unterschriebenen Mietvertrag für ein Urlaubsdomiziel in England im August.
Sogar Anzahlung geleistet.
Den Urlaub konnte ich nicht antreten.

Im September des gleichen Jahres hatte ich immer noch den unterschriebenen Mietvertrag.

Jochen
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Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #7: November 13, 2012, 10:18:46
... Da der Beklagte einen Mietvertrag über sein Urlaubsdomizil zum Beweis vorlegen konnte ...
Das besagt aber doch nicht, dass er auch dort war ?

Das ist richtig, jedoch kann man davon ausgehen dass es stimmt. Wenn ich mir in Ibiza für 2 Wochen nen Bungalow miete dann geht man halt davon aus dass ich da auch Urlaub mache und genau das hat das Gericht wohl getan.


Ich hatte auch mal einen unterschriebenen Mietvertrag für ein Urlaubsdomiziel in England im August.
Sogar Anzahlung geleistet.
Den Urlaub konnte ich nicht antreten.

Im September des gleichen Jahres hatte ich immer noch den unterschriebenen Mietvertrag.

Jochen

Ja soetwas passiert natürlich zu 0.1 % aber der Richter geht von der Wahrscheinlichkeit aus die am grössten ist und die ist eben nicht so wie dein spezieller Fall ;)
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #8: November 13, 2012, 10:26:04
Wenn morgen ein Brief bei Dir eintrudelt mit einem Log-Auszug, dass IP xy zu diesem oder jenen Zeitpunkt etwas bereitgestellt hat und der Provider dazu Deinen Namen ausspuckte, was machst Du dann? Richtig: Wenn Du nicht zufällig im Urlaub oder Krankenhaus o. Ä. warst und(!) beweisen kannst, dass Dein Router aus war (reine Abwesenheit reicht nicht!), zahlst Du.

Na wie gut dass ich kein Filesharing bereibe :D *uff *Glück gehabt :D

Zitat
Aber diese ganze Debatte um illegale Musik, war das nicht in den 90er Jahren aktuell? Ich dachte das ist schon lang nicht mehr so schlimm wie damals dank iTunes Musik Store und die anderen offiziellen Möglichkeiten Musik online zu kaufen.

Noch einmal: Es geht nicht um illegale Musik.
Es geht um die Beweislastumkehr.

Ja ich weiß das. Das war ja auch nur eine zusätzliche Frage die mit der Thematik Filesharing unmittelbar verknüpft ist und daher habe ich sie gestellt. Wenn das nicht erwünscht ist, dass ich mir Gedanken mache die darüber hinausgehen und es eine strikte "Immer-beim-Thema-bleiben-Taktik gibt, dann ziehe ich mich gerne wieder zurück. Entschuldige bitte die Störung, war nicht beabsichtigt.
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #9: November 13, 2012, 10:32:30
Wie kommst Du denn auf die Idee, dass sich das Gericht nicht mit der Beweiskraft ausgeinander gesetzt hätte?

In diesem speziellen Fall:
Es können nicht Kläger und Angeklagter gleichzeitig Recht haben.
Das Gericht glaubt dem Angeklagten, äußert aber keine Zweifel an der Beweiskraft der Unterlagen des Klägers. Das klingt zunächst einmal schizophren, ist es aber nicht. Ein Gericht prüft nur so viel, wie es meint für ein Urteil zu benötigen. D.h. nachdem der Richter dem Angeklagten Glauben geschenkt hat, war eine Prüfung der Beweiskraft der Anklage nicht mehr erforderlich. Daher äußert sich das Gericht dazu auch nicht. Ist ja auch korrekt und in diesem fall zum Glück nicht das Problem.

Das Problem tritt dann auf, wenn Du nicht so simpel beweisen kannst, dass Du es nicht warst. Vor deutschen Gerichten ist es aktuell so, dass Du dann keine Chance hast, da raus zu kommen, weil die Beweiskraft des Klägers immer ungeprüft als sicher angenommen wird. Das und nur das ist ein Problem.

Zitat
Auch wenn Falschzuordnungen von IPs vorkommen können und schon vorgekommen sind - hundertprozentige Fehlerfreiheit kann wohl nie jemand garantieren - dürfte das IP-Protokoll des Providers doch wohl das Beweiskräftigste sein, was bei solchen Aussage-gegen-Aussage-Situationen berücksichtigt werden kann.

Das ist soweit richtig. Es ist das Beweiskräftigste, was vorliegt. Aber es ist eben nur ein Detail und dann noch der harmloseste.

Es ist so:
- Im Auftrage von Rechteinhabern werden Anwälte und darauf spezialisierte Firmen beauftragt, Nutzer illegaler Dienste aufzuspüren.
- Diese benutzen dazu eine Software, die sich in die Filesharing-Systeme einklinkt und schaut, von welchen IPs man aktuell etwas downloaden kann und protokolliert das in einer Textdatei. Diese verwendete Software wurde noch nie auf Funktionssicherheit oder Fehlergrößen unabhängig überprüft. Man weiß weder, wie gut und sicher diese Programme funktionieren noch ist das Ergebnis der Programme (Textdatei) überhaupt gegen eine Manipulation, die im Sinne des Betreibers vorteilhaft wäre, geschützt. Trotzdem wird das Ergebnis als absolut beweiskräftig vor deutschen Gerichten anerkannt.
- Die fraglichen IPs werden beim Provider angefragt. Dieser Punkt ist noch der am wenigsten problematische im Sinne von Beweiskräftigkeit. Aber auch hier kommen Fehler vor und es gibt keinerlei Untersuchung, wie häufig die sind. Das Ergebnis dieser Anfrage ist als absolut beweiskräftig anerkannt.
- Auf der anderen Seite ist eine nachträgliche Überprüfung für den Angeklagten nicht möglich. Eine eigene Anfrage an den Provider über die eigene IP wird entweder aus Datenschutzgründen abgelehnt bzw. ist meistens nicht nicht mehr möglich, da die Daten mittlerweile gelöscht sind. Eine Korrektur eines Fehlers bei der Providerabfrage (z.B. Zahlendreher, vertippt etc.) ist für den Angeklagten nicht möglich.
- Auch die Protokollierung der eigenen IP durch eigene Log-Dateien wird vor Gericht nicht akzeptiert. Es sind nur einfache, leicht manipulierbare Textdateien und nicht beweiskräftig.

Du siehst: Das Problem ist weniger eventuelle Fehler bei der Abfrage beim Provider neben der Unmöglichkeit diese überprüfen oder korrigieren zu lassen, sondern dass einfache Textdateien des Klägers ohne Prüfung beweiskräftig sind, das gleichen beim Angeklagten aber nicht.
Es sind auch schon öfters bei Überprüfung dieser Logdateien des Klägers durch Beklagte große Fehler z.B. bei Zeitstempeln beobachtet worden. Diese werden dann meist durch einen Softwarefehler bei der Anzeige erklärt, die zugrundeliegenden Daten sind aber trotzdem beweiskräftig. Die Software, die dort vom Kläger benutzt wird, wurde noch nie unabhängig geprüft. Und selbst wenn sie mal geprüft würde, in der aktuellen Form ist es doch ganz schlimm, dass derjenige, der finanzielle Interessen an der Klage hat, problemlos das Hauptbeweisstück manipulieren kann (Textdatei).
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #10: November 13, 2012, 10:42:24
Wenn morgen ein Brief bei Dir eintrudelt mit einem Log-Auszug, dass IP xy zu diesem oder jenen Zeitpunkt etwas bereitgestellt hat und der Provider dazu Deinen Namen ausspuckte, was machst Du dann? Richtig: Wenn Du nicht zufällig im Urlaub oder Krankenhaus o. Ä. warst und(!) beweisen kannst, dass Dein Router aus war (reine Abwesenheit reicht nicht!), zahlst Du.

Na wie gut dass ich kein Filesharing bereibe :D *uff *Glück gehabt :D

Du hast schon verstanden, dass Du dazu kein Filesharing betreiben musst?
Was machst Du, wenn morgen dieser Brief kommt und Du eben nicht im Urlaub, Krankenhaus etc. warst und nicht belegen kannst, dass der Router aus war?
Genau das ist die Frage und das Problem!

Zitat
Ja ich weiß das. Das war ja auch nur eine zusätzliche Frage die mit der Thematik Filesharing unmittelbar verknüpft ist und daher habe ich sie gestellt. Wenn das nicht erwünscht ist, dass ich mir Gedanken mache die darüber hinausgehen und es eine strikte "Immer-beim-Thema-bleiben-Taktik gibt, dann ziehe ich mich gerne wieder zurück. Entschuldige bitte die Störung, war nicht beabsichtigt.

Kein Thema, so meinte ich es nicht. Deshalb habe ich ja auch trotzdem auf die Frage nach dem rechtlichen Hintergrund bei Filesharing hingewiesen. Jeder der beim Filesharing eine Datei aus illegaler Quelle herunterlädt, stellt diese auch gleichzeitig zur Verfügung. Da bei der Frage der Illegalität die Bereitstellung auf jeden Fall völlig klar ist und eben Nutzer von Filesharing durch die oben erwähnte Problematik leicht erkannt werden können, finden alle aktuellen Abmahnverfahren im Bereich des Filesharing statt. Auch wenn dieser Bereich wegen unterschiedlichster Gründe abnimmt. Die Anstrengungen werden hier auch schon aus finanziellen Gründen verstärkt. Es wurde mal vor einiger Zeit ein Werbeschreiben eines Anwalts öffentlich, in dem er die Zusatzeinnahmen durch Abmahnungen beschrieb und auch klar stellte, dass man so viel mehr Geld als durch herkömmliche Wege verdienen kann.

Mein Hinweis, dass es mir nicht um Filesharing geht, hatte ich nur gebracht, weil Filesharing und seine rechtlichen Folgen für mich an dieser Stelle nicht wichtig waren. Wer beim Filesharing Dateien aus illegaler Quelle herunterlädt und dann bezahlen muss, der macht es dann zu Recht und das ist kein Problem.

Das für mich wichtigere Problem entsteht an der Stelle, wenn man kein Filesharing betreibt, aber dies jemand behauptet und hier eine gegenüber der normalen Notwendigkeit in unserem Rechtssystem die Beweislast umgekehrt wird und(!) eigene Beweise nicht zählen oder die Schaffung derselben unterbunden wird.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #11: November 13, 2012, 10:48:39
Das für mich wichtigere Problem entsteht an der Stelle, wenn man kein Filesharing betreibt, aber dies jemand behauptet und hier eine gegenüber der normalen Notwendigkeit in unserem Rechtssystem die Beweislast umgekehrt wird und(!) eigene Beweise nicht zählen oder die Schaffung derselben unterbunden wird.

Ja das ist tatsächlich ein Problem. Ich frage mich grade was ich tun soll wenn ich ein Schreiben bekommen würde aber gar kein Filesharing betreibe? Ein Bekannter der im Versicherungsfeld tätig ist hat mir mal geraten wenn ich eine dubiose Schriftsache bekomme bei dem es um etwas geht was ich nicht getan habe, soll ich die liegen lassen und nicht darauf antworten. Oft wird versucht massenweise Haushalte anzuschreiben und man stürzt sich dann nur auf die, welche antworten.

Ob das im Falle einer gerichtlichen Vorladung auch funktioniert bezweifle ich aber. Das mit der Beweislast ist interessant. Ist dass denn nur in Deutschland so? Ich wohne nicht in Deutschland, also habe ich vielleicht doch mehr Glück in diesem Fall :)
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #12: November 13, 2012, 10:56:01
Du siehst: Das Problem ist weniger eventuelle Fehler bei der Abfrage beim Provider neben der Unmöglichkeit diese überprüfen oder korrigieren zu lassen, sondern dass einfache Textdateien des Klägers ohne Prüfung beweiskräftig sind, das gleichen beim Angeklagten aber nicht.
Es sind auch schon öfters bei Überprüfung dieser Logdateien des Klägers durch Beklagte große Fehler z.B. bei Zeitstempeln beobachtet worden. Diese werden dann meist durch einen Softwarefehler bei der Anzeige erklärt, die zugrundeliegenden Daten sind aber trotzdem beweiskräftig. Die Software, die dort vom Kläger benutzt wird, wurde noch nie unabhängig geprüft. Und selbst wenn sie mal geprüft würde, in der aktuellen Form ist es doch ganz schlimm, dass derjenige, der finanzielle Interessen an der Klage hat, problemlos das Hauptbeweisstück manipulieren kann (Textdatei).

Ja, wenn das so ist, dass das nur Textdateien sind, dann gebe ich Dir Recht. Nur kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass die ein Gericht dann tatsächlich als beweiskräftig ansieht. (Oder doch, dass sie ein Gericht fragwürdigerweise als beweiskräftig einstuft, kann ich mir vorstellen. Aber nicht, dass es allgemeine Gerichtspraxis ist.)

Weisst Du denn, dass diese Beweise der Kläger wirklich so dürftig sind? Oder gehst Du einfach aufgrund der Berichterstattungen davon aus? Letztere würde ich doch jeweils sehr mit Vorsicht geniessen. Die dürften meiner Ansicht nach doch grösstenteils auf Schutzbehauptungen der Beklagten basieren. (Sorry, auch obige Story des Beklagten stinkt doch zum Himmel. War da wirklich die gesamte Familie mit im Urlaub, samt dem filesharenden Sohnemann...?)

Jedenfalls mag ich nicht recht glauben, dass da massenweise Unschuldige beklagt werden. Und die dann auch noch verlieren vor Gericht. Sicher gibt es solche Fälle. Zu Fehlurteilen kommt es ja auch bei grösseren und schlimmeren Angelegenheiten. Da werden sie hier erst recht nicht absolut vermeidbar sein. Aber, that's live...
« Letzte Änderung: November 13, 2012, 10:59:23 von warlord »
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #13: November 13, 2012, 11:04:31
Es wurde schon einmal irgendwo in Presse und TV thematisiert.

Es ist wohl in D gängige Praxis, dass die (angeblich) Geschädigten, die Logdateien so spät vom Provider anfordern, dass sie sie zwar noch bekommen, die Dateien kurz danach aber gelöscht werden.

Dann erfolgt die Klage, der Beschuldigte will ebenfalls die Logdateien einsehen und kann keine mehr vpm Provider bekommen, weil der ja erzählen muss, er hätte sie gelöscht.
Der Beschuldigte sieht dann alt aus, weil er nur auf das Exemplar der Logdateien zurückgreifen kann, was ihm der Kläger zur Verfügung stellt (wenn er es überhaupt macht, bevor die beiden Parteien vor einem Richter stehen).
Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #14: November 13, 2012, 11:08:04
Das für mich wichtigere Problem entsteht an der Stelle, wenn man kein Filesharing betreibt, aber dies jemand behauptet und hier eine gegenüber der normalen Notwendigkeit in unserem Rechtssystem die Beweislast umgekehrt wird und(!) eigene Beweise nicht zählen oder die Schaffung derselben unterbunden wird.

Ich denke, man müsste da doch immer auch wissen, wie denn die Beklagten agiert haben. Wenn ich als Unschuldiger mit solch untauglichen Beweismitteln beklagt werde, dann muss ich natürlich auch geltend machen, dass die vom Kläger vorgelegten Beweise untauglich sind. Und erläutern, wieso sie das sind. IANAL, aber soweit ich weiss, muss ein Gericht in einem Zivilverfahren nur berücksichtigen, was von den beiden Seiten wirklich vorgebracht wird. Wenn der Kläger etwas behauptet und dies mit untauglichen Beweismitteln unterlegt und der Beklagte einfach nur sagt, nö ich war's nicht, aber nichts vorlegt, nichts geltend macht und die "Beweise" der Gegenseite nicht angreift, dann ist's klar wie die Sache ausgeht. Aber das war dann weder Schuld des Klägers noch des Gerichts...
« Letzte Änderung: November 13, 2012, 11:11:09 von warlord »
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