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Obamas Lizenz zum Töten
Mai 14, 2010, 13:31:49
Obamas Lizenz zum Töten. Die noblen Prinzipien (so es sie denn je gab) sind längst an der Realität zerschellt. "Obama hat im ersten Jahr seiner Präsidentschaft mehr Drohnenangriffe angeordnet als Bush in zwei ganzen Amtszeiten." Aber in der Wahrnehmung Europas wird wohl untilgbar verankert bleiben, dass Bush der Skrupellose war, und die Plaudertasche Obama der Gute.
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

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Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #1: Mai 14, 2010, 13:57:31
Die noblen Prinzipien (so es sie denn je gab) sind längst an der Realität zerschellt.

Nobel oder nicht, den Nobelpreis hätt's nicht gebraucht. :)

Zitat
"Obama hat im ersten Jahr seiner Präsidentschaft mehr Drohnenangriffe angeordnet als Bush in zwei ganzen Amtszeiten."

Na gut. Das kann man doch kaum für irgendeine Beweisführung heranziehen, zumal wenn die Vergleichszahlen bemannter Luftangriffe und Raketen nicht mitgeliefert werden. Außerdem hat sich ja die Lage auch verändert und die Drohnen bieten sich durch den technischen Fortschritt und die Vermeidung von Soldatengefährdung  immer mehr an.
Obama hat auch angekündigt, dass er Afghanistan ins Zentrum rücken will und Pakistan eine große Rolle spielt.
Insofern würde ich da auch keine Kehrtwende sehen - in anderen Dingen schon eher. Wobei man sehen muss, was er wikrlich gesagt hat und was auf ihn projiziert wurde. Pazifist zu sein hat er zum Beispiel nie behauptet.

Aber das liest sich jetzt wieder wie eine Verharmlosung gewisser Sauereien. Will ich nicht. Es geschehen auch unter seiner Administration und durch seine Befehle inakzeptable Dinge.

Zitat
Aber in der Wahrnehmung Europas wird wohl untilgbar verankert bleiben, dass Bush der Skrupellose war, und die Plaudertasche Obama der Gute.

Glaube ich nicht so recht, bröckelt es nicht schon länger? Aber vielleicht hast auch Du recht.
Moralisch mag man bewerten, wie man will (vielleicht aber noch mal acht Jahre Bush/Cheney Revue passieren lassen ;)), ich persönlich sehe eine wesentlich intelligentere Politik. Und daraus entsteht eher Gutes als aus dummer.
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Antwort #2: Mai 14, 2010, 14:56:36
Na gut. Das kann man doch kaum für irgendeine Beweisführung heranziehen, zumal wenn die Vergleichszahlen bemannter Luftangriffe und Raketen nicht mitgeliefert werden.
Schon klar. Beweisführung ist bei solchen Themen wohl ohnehin fast unmöglich. Sowas versucht ja jede Regierung so weit im Dunkeln zu lassen, wie nur möglich.

Zitat
Außerdem hat sich ja die Lage auch verändert und die Drohnen bieten sich durch den technischen Fortschritt und die Vermeidung von Soldatengefährdung  immer mehr an.
Und sicher spielt auch das hinein. So komplett geändert haben sich Ausrüstung und Möglichkeiten in diesen 16 Monaten aber nicht.

Die Tendenz, dass man heute möglichst keine Gefangene mehr macht, sondern gleich eliminiert, wird IMO trotz Verdunkelung allmählich deutlich erkennbar. Und ich glaube nicht, dass das an den technischen Möglichkeiten liegt. Die waren auch früher schon gegeben. (Ursache dürfte eher eine veränderte Einschätzung bezüglich "Nützlichkeit" der Gefangenen sein.)
Nachtrag: Abgesehen davon, halte ich persönlich Obama in der Tat für wesentlich skrupelloser, als Bush. Aber mit dieser Ansicht werde ich wohl kaum auf viel Unterstützung stossen.

Zitat
Wobei man sehen muss, was er wikrlich gesagt hat und was auf ihn projiziert wurde. Pazifist zu sein hat er zum Beispiel nie behauptet.
Schon klar. Genau darum geht es mir ja von Anfang an bei meiner Kritik an Obama. Er hat in der Öffentlichkeit vermutlich noch nie irgend etwas gesagt, worauf man ihn hätte festnageln können. Er versteht es einfach auf absolut geniale Weise, sich als völlig unverbindliche Projektionsfläche zu präsentieren. Jeder konnte seinen Wunschpräsidenten auf ihn projizieren und aus seinen Reden und Schriften all das herauslesen, was er hören möchte. Ein bisschen so wie man aus der Bibel rauslesen kann, was immer man möchte.  ;)

Zitat
ich persönlich sehe eine wesentlich intelligentere Politik. Und daraus entsteht eher Gutes als aus dummer.
Ja, Obama bzw. die Maschinerie Obama ist zweifellos intelligenter und schlauer als die Maschinerie Bush. Dass sie dadurch zwangsläufig eher Gutes produziert, da bin ich skeptischer als Du.  ;)
« Letzte Änderung: Mai 14, 2010, 15:13:02 von warlord »
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Antwort #3: Mai 14, 2010, 15:45:26
Machen wir uns nichts vor:

Menschen die es schaffen, sich zum Präsidenten der USA wählen zu lassen, können nur schlecht sein!

Jeder, der nur einen Funken „Gutes“ in sich hat, würde scheitern.

Florian

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Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #4: Mai 14, 2010, 15:54:43
Die Obama-Einschätzung lasse ich mal aussen vor, ich habe durchaus auch Kritik an ihm, aber Bush&Cheney, na gut. Wie gesagt, ich lasse es. :)


Die Tendenz, dass man heute möglichst keine Gefangene mehr macht, sondern gleich eliminiert, wird IMO trotz Verdunkelung allmählich deutlich erkennbar.

Das denke ich auch, sehe das Umdenken aber schon vor Obama und nicht nur in den USA-geführten Konflikten. Ein durchaus interessantes Thema.

Zitat
Schon klar. Genau darum geht es mir ja von Anfang an bei meiner Kritik an Obama. Er hat in der Öffentlichkeit vermutlich noch nie irgend etwas gesagt, worauf man ihn hätte festnageln können.

Meine Kritik geht da eher Richtung Medien und Leichtgläubige.
Obama hat immer klar gesagt, dass er Afghanistan und Pakistan als den wichtigeren Konflikt sieht und dort die Truppen verstärken will, während der Irakeinsatz langsam auslaufen soll. Und genau das macht er doch, oder? Gut, dass er gleichzeitig ein unrealistisches Abzugsdatum für Afghanistan festgesetzt hat, ist natürlich eine andere Sache.


Zitat
Ja, Obama bzw. die Maschinerie Obama ist zweifellos intelligenter und schlauer als die Maschinerie Bush. Dass sie dadurch zwangsläufig eher Gutes produziert, da bin ich skeptischer als Du.  ;)

Ich habe das natürlich anders gemeint. Weißt Du ja. :)
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Antwort #5: Juli 26, 2010, 22:53:14
Zum Thema gezielter Tötung (siehe oben) ist der neueste Wikileaks-Scoop natürlich höchst interessant. Den Link habt Ihr ja wohl schon der Presse entnommen, aber egal, hier findet Ihr alle bisher veröffentlichten, durchgesickerten Dokumente:
http://wardiary.wikileaks.org/

Die Information, auf die sich die Medien konzentrieren, ist ja die Todesschadron, die gezielt Personen sucht - und eliminiert, teilweise auch „nur“ gefangen nimmt. Und das ohne jede Information oder Deckung durch das ISAF-Kommando oder der Partnerländer.

So. Und wen genau überrascht das jetzt?

Nun ja, trotzdem kann man sich mit viel Leselust mal so richtig über die Abgründe eines fehllaufenden Einsatzes informieren. Und auch andere Themen werden durch die Dokumente einmal von offizieller Seite so bestätigt, wie man das schon wusste, wenn man sich ein bisschen auf dem Laufenden hielt. Ist doch auch schön. Die Wahrheit selbst natürlich weniger.
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Re:Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #6: Juli 27, 2010, 20:34:21
...mal so richtig über die Abgründe eines fehllaufenden Einsatzes informieren.

Ich glaube Du irrst.

Dies ist ein ganz normaler Einsatz, so wie Militärs halt planen und ausführen.

Da läuft nix fehl, die können's nicht besser.

Florian

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Re:Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #7: Juli 27, 2010, 21:59:58
Der Einsatz ist ja nicht rein militärisch.
Aber egal, generell gibt es sehr wohl auch erfolgreiche Militäreinsätze. Die zeichnen sich meistens durch Ruchlosigkeit aus, was aber bald Niemanden mehr so richtig interessiert.

In Afghanistan liegen die Dinge aber anders. Falsche Lagebeurteilung trifft auf fehlendes Engagement,  vermeintlich Verbündete päppeln den Feind auf, und die afghanische Regierung besteht aus genau den Leuten, die das Land in den Abgrund geschickt haben - bis auf die paar Chaoten, die man nicht an die Fleischtöpfe der ausländische Hilfe ließ und daher weiterbomben.
Das Ganze wird dann mit Lügen den Truppenentsendernationen auf absurde Weise zu positiv dargestellt.

Das sind ja die wesentlichen Dinge, die von den Dokumenten bestätigt werden, die man aber vorher auch schon wissen konnte:
a) Die USA & Verbündete kämpfen viel schmutziger als dargestellt
b) Zumindest aus Sicht der USA treibt der pakistanische Geheimdienst sein altes Spiel und versucht sich über die Taliban Afghanistan unter den Nagel zu reißen
c) Die Taliban sind viel stärker als dargestellt
d) Die afghanische Regierung kann man vergessen
e) Der Krieg ist nicht zu gewinnen

Da können die Geheimkrieger noch so viele Listen abarbeiten. Das wird nichts mehr und das war von Anfang an klar.

Nötig gewesen wären ausreichend ausgestatteter Militäreinsatz, heißt 500 000 (!) Mann und alle Schikanen an Gerät. Einmal richtig draufhauen. Dann hätte man das Land schützen können und mit Geld zuschmeißen und selber aufbauen, damit nichts versickert, nach fünf Jahren die installierte Marionettenregierung in die Unabhängigkeit entlassen aber im Land starke Militärbasen behalten um dem Land und den Nachbarn notfalls heftigst auf die Finger zu klopfen.
Aber ich weiß natürlich das wäre den Bevölkerungen nicht vermittelbar gewesen. Und das wussten die Politiker, die Militärs würden wohl schon anders wollen.
Hätte aber unter Strich wohl weniger Opfer bedeutet und dem Land eine Zukunft eröffnet.
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Re:Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #8: Juli 27, 2010, 23:32:12
Sehe ich ähnlich, Flo.

Problem dabei (letzter Absatz) wäre halt, dass du diesem Land den kompletten westlichen Stempel aufdrückst. Und zwar ohne wenn und aber. Ob das der Bevölkerung gefallen hätte? Viele machten den Fehler, so etwas mit der deutschen Befreiung (oder ähnlichen Besatzungen der westlichen Welt) zu vergleichen. Da waren die Leute wohl wirklich froh, dass es anders wurde. Hier geht's aber leider auch im Religion. Und da sind die Menschen nicht zu überzeugen. Selbst wenn du neben jeden Afghanen einen Aufpasser stellst.
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Re:Obamas Lizenz zum Töten
Antwort #9: Juli 28, 2010, 01:00:04
Nein, ich glaube nicht das es vergleichbar wäre. Ich habe auch nichts von Demokratie oder Menschenrechten geschrieben. Das kann höchstens das Endprodukt einer Entwicklung über Generationen sein.

Natürlich ist Afghanistan womöglich überhaupt nicht zu befrieden. Denn die regelrecht explosive Bevölkerungsentwicklung (*), der Bildungsstandard, die Geschichte und die Zerissenheit des Landes sind Faktoren gegen die man vielleicht einfach nicht ankommt. Fast scheint es das Land steht erst am Beginn einer Katastrophe, nicht an ihrem Ende, dabei gibt es dort seit Jahrzehnten nur Krieg und Leid.
Wenn man was bewirken kann dann aber mit einer massiven und dauerhaften Präsenz unter Einbeziehung eben aller wichtigen Akteure. Und nicht mit viel zu wenigen Soldaten und einem schmutzigen kleinen Geheimkrieg.

(*) Für mich überhaupt der wichtigste Grund. Sieht man ja immer wieder. Und töten die jungen Kerle nicht wegen der Religion, dann eben für Kaiser, Führer, Vaterland.

Ach so, und zum Ende des 2. WK:
Ob da die Deutschen wirklich froh waren, und die Japaner? Es gab ja keine Alternative mehr weil man wirklich total besiegt war. Davon sind Taliban und co. weit entfernt.
Und noch eins: Natürlich ist mir die völlige Undurchführbarkeit meiner obigen Empfehlungen im Jahre 2010 bewusst. Nur dann soll man's halt ganz lassen, finde ich.
« Letzte Änderung: Juli 28, 2010, 01:08:58 von Florian »
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