Soso, das iPad kann die Zeitungsbranche ruinieren? Das muss er mir mal erklären,
Ja, klar ist die Aussage zugespitzt. Einerseits ist das iPad ja nicht der erste und einzige mobile Reader. Und andererseits sind die mobilen Reader nicht der primäre Grund, weshalb es den Zeitungen schlecht geht. Da gehe ich einig mit Dir.
Aber die aufkommenden mobilen Reader sind etwas, das den Zeitungen noch mehr zu schaffen machen wird, weil der Online-Content damit in Bereiche vordringen wird, an denen die Printausgaben bis jetzt noch praktisch ohne Konkurrenz waren (Arbeitsweg, WC, Sofa, Bett u.a.). Und von all den mobilen Readern wird dem iPad sicher eine spezielle Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Denn einerseits hat Apple mit dem iPhone natürlich bewiesen, dass sie in der Lage sind, Nägel mit Köpfen zu machen. Wie wohl gegenwärtig kaum eine andere Firma. Und andererseits hat Apple eben gerade im Bereich Musik auch gezeigt, dass sie keine allzu grosse Bedenken haben, Marktmacht einzusetzen und ein nicht allzu rücksichtsvolles Powerplay zu spielen. Auch hier, wie wohl gegenwärtig kaum eine andere Firma.
Die Zeitungsbranche hat sich selbst ruiniert, indem sie ihre Inhalte im Internet für lau angeboten hat. Jaja, ich weiss schon, es hat sich so ergeben, weil JEDER dabei sein wollte, und da wirklich Goldgräberstimmung war. Alle Versuche, Geld für Content zu verlangen sind am Konsumenten und fehlenden Micropayment zerschellt. Da hatte Apple nun erst mal gar keinen Anteil. Wohl aber an der Lösung des Micropayments mit dem iTunes Store …
Abgesehen davon, dass iTunes ja eben auch gerade kein wirkliches Micro-Payment implementiert, hast Du damit natürlich auch nicht völlig unrecht. Es ist ja aber nicht so, dass nicht anerkannt würde, dass das iPad mit iTunes eine Lösung (oder zumindest ein Lösungsansatz) für das Problem sein könnte, das die Verlage bis jetzt nicht selbst zu lösen im Stande gewesen waren. (Und ja, ich bestreite nicht, dass da die Verlage zu lange gepennt haben.) Das Interesse der Verlage an dem Produkt ist ja durchaus da.
Ich sehe, dass die Formulierung, das iPad könne die Zeitungsbranche ruinieren, ungeschickt ist. Besser, und wohl auch eher gemeint, wäre die Formulierung, dass Apple die Zeitungsbranche ruinieren kann. Nicht der Reader an sich entscheidet, ob er Untergang oder Retter der Zeitungsbranche wird. Sondern das Verhalten von Apple, die sich als neuen Zwischenhändler zwischen Verlag und Zeitungsleser zwängen.
Jetzt "könnte" sich das mit Apps ändern. Und Apple verlangt natürlich folgerichtig seinen Anteil am Vertrieb, (Im Übrigen recht CO2 neutral) und plötzlich ruiniert Apple die Branche. Das hat sie eigentlich schon selbst erledigt, oder siehst du das anders?
Wenn Apple ebenso skrupellos wie bei der Musik die Margen drückt, dann dürften sie der Branche in der Tat eher schaden als helfen. Nein, nicht indem sie das iPad und iTunes gebaut haben. Sondern indem sie als Marktregulator agieren und den Markt und den Wettbewerb einschränken.
Das hätte gar nicht sein müssen. Weder bei der Musikindustrie, noch bei der Medienindustrie. Die Herrschaften hätten nur ihren Arsch hochkriegen müssen, und etwas mehr kreativ sein müssen.
Das ist so. Der Nachteil von kartellartigen Zuständen ohne echten Markt mit echter Konkurrenzsituation. Da werden keine den Fortschritt treibenden Kräfte geboren. Die können dann nur von "aussen", aus anderen Branchen kommen. Und äusserst schade ists dann halt, wenn die tatsächlich kommen und sogleich wieder eine noch abgeschottetere, markt- und damit innovationsfeindlichere Umgebung zu schaffen versuchen.
Und damit müsstest, nach meiner Einschätzung, auch gerade Du ein Problem haben. Jedenfalls lässt sich das auch aus Deinem letzten Abschnitt folgern:
Das iPad jedenfalls, und auch Apple, sind kaum dafür verantwortlich. Sie scheinen nur den maximalen Nutzen aus den Fehlentscheidungen ganzer Industrien zu ziehen. Und das wahrlich nicht schlecht (und darüber liesse sich trefflich streiten, ob man da den Beissreflex zugunsten einer alten Industrie zurückhalten sollte - Bitte. Wir sind im Kapitalismus …). Aber so ist das seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte: Irgendwann wird etwas durch was anderes ersetzt, dann werden eine Menge Leute arbeitslos, aber es entstehen auch neue Jobs.
So sind unsere Ansichten wohl gar nicht so unterschiedlich. Wir haben nur ein ziemlich unterschiedlich positives Bild von Apple. Na ja, die Zukunft wird uns dann wohl verraten, ob Deine rosarote oder meine schwarze Brille besser abgebildet hat.
