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USA fordern Kampfeinsatz der Bundeswehr
Januar 31, 2008, 21:21:50
Amerika hat Deutschland aufgefordert sich an Kampfeinsätzen im Süden Afghanistans zu beteiligen. Diese Forderung ist nicht wirklich neu. Neu allerdings ist die Art und Weise mit dem diese Forderung einhergeht. Die oft zitierte Floskel vom "Bürger in Uniform" wird sich wohl nicht aufrechterhalten lassen, falls eine Entsendung tatsächlich vollzogen wird. Was glaubt ihr, werden deutsche "Kampftruppen" entsandt?

Florian

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Re: USA fordern Kampfeinsatz der Bundeswehr
Antwort #1: Februar 01, 2008, 00:43:49
Nun ja. Der Brief ging wohl nicht nur an den deutschen Minister, sondern an alle Nato-Partner.
Man darf aber generell annehmen, daß der stetig stärker gewordene Druck die jüngste Entwicklung ausgelöst hat. Es ist nämlich schon klar, daß Deutschland „Kampftruppen“ entsendet. Nur (noch) nicht in den Süden. Eine Ablösung der 350 norwegischen Soldaten ist beschlossene Sache - bis auf die Linke sind sich die Parteien (Parteimehrheiten) auch einig, daß dieser Einsatz kein neues Mandat erfordert, soweit die Anzahl der Soldaten nicht übers beschlossene Limit geht. Man wird wohl etwas umschichten.

Man entsendet dann halt also ein paar Schützenpanzer und schwerere Maschinengewehre, keine Kampfpanzer oder Artillerie.

Selbstverständlich wird auch dies als humanitäres Engagement etikettiert werden.

Damit ist dann erstmal Druck vom Kessel.

Nächstes Frühjahr wird man dann wohl diskutieren, wer die 3500 US-Soldaten ablösen soll, die derzeit extra in den Süden gesandt wurden um die afghanische Armee zu schulen (nur bleibt es dabei natürlich nicht). Da wird man dann tolle Statements hören. Süden ja, aber natürlich ist das kein Kampfeinsatz, Leute!

Zeitlich dürften wir wohl lernen müssen, in Jahrzehnten zu denken.


Für mich ist die ganze Geschichte des Afghanistan-Einsatzes eine Anhäufung von Offenbarungseiden:
- Die Nato-Führung muss um jeden Soldaten und jedes Gerät betteln, immer wieder. Das lässt ja wirklich nur den Schluss zu, daß dieses Bündnis kurz vorm Ende steht, es nur keiner zugibt.
- Jeder hat eingesehen, daß dieser Krieg so nicht zu gewinnen ist, realistisch gesehen sollte man entweder abziehen oder endlich genügend Truppen schicken. So tut man halt als ob.
- Die Bundeswehr und auch viele andere Nato-Armeen sind groß, aber am Rande der Leistungsfähigkeit angekommen, wenn 5% der Truppe im Einsatz ist, grundlegend reformieren tun sich aber nur die Amerikaner und halbwegs die Briten.
- Ein großer Teil der „deutschen Öffentlichkeit“ interessiert sich für das Schicksal unserer Soldaten einen feuchten Dreck.
- Der Hindukusch ist Heimat vieler seltsam anmutender Sprachblüten.
- Echter Krieg ist dieser Nation nicht mehr zu vermitteln. Gut oder schlecht, das sei mal dahingestellt. Erfahrungsgemäß wird man halt irgendwann gezwungen zu kämpfen.
- Transparenz ist für das Bundesverteidigungsministerium ebenso unbekannt wie der Wille zum Wissen bei den meisten Deutschen. Insofern perfekte Zustände.
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Patrick

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Re: USA fordern Kampfeinsatz der Bundeswehr
Antwort #2: Februar 01, 2008, 01:30:16
Also, zum einen sind Kampfeinsätze für die Bw nicht wirklich neu, die gibt es schon seit deren Gründung (naja, fast). Nur waren die natürlich nie offiziell. Wie auch jetzt waren solche Einsätze natürlich immer nur mit Freiwilligen durchgeführt worden, allerdings wurde natürlich im Vorfeld auch immer darauf hingewiesen, welche finanziellen Zuwendungen man für einen solchen Einsatz bekommt. Aber das gilt für alle Armeen in Kampfzonen. Aber soviel zum Thema "freiwillig"...

Ich glaube nach wie vor an das Konzepts des "Bürgers in Uniform", allerdings muß man die Bw (mal wieder) in 2 Klassen aufteilen: was früher Territorialheer genannt wurde, wird jetzt für die "Beheimatung" der Wehrpflichtigen verantwortlich sein, und das Einsatzheer wird mit Masse aus Zeit- und Berufssoldaten bestehen, die für genau solche Einsätze zur Verfügung stehen werden. Wir sind auf dem Weg dorthin und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es soweit ist. Mir gefiel immer der Gedanke, daß eine Wehrpflichtigenarmee eigentlich ein Spiegel der Gesellschaft ist, mit all ihren Stärken und Schwächen, und die Zeit- und Berufssoldaten dadurch gezwungen waren, sich damit auseinanderzusetzen.

Die Bw hat in den letzten Jahren eine dramatische Veränderung erfahren, nur fehlt (noch) der politische Wille, diesen Weg bis zu meinem oben geschilderten Punkt zu gehen. Ich sehe halt die Gefahr, daß der Einsatzverband sich in sich zurückzieht (Stichwort Staat im Staat) und nach eigenen Gesetzen und Regeln lebt, so wie es fast jede Berufsarmee tut. Ich weiß nicht, wie man dem vorbeugen kann ohne Einsatz von Wehrpflichtigen, die doch letzten Endes Mißstände in der Truppe nach außen tragen, so wie es jetzt immer wieder geschieht.
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Florian

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Re: USA fordern Kampfeinsatz der Bundeswehr
Antwort #3: Februar 01, 2008, 12:54:16
Das mit dem Staat im Staate halte ich für eine Diskussion, die gerne von Politikern vorgeschoben wird, um den Zivildienst zu retten.
Nun besteht natürlich das Potential dazu, aber dem könnte man mit rigider ziviler Kontrolle durchaus vorgreifen.
Zudem, Patrick schrieb es ja schon, sind die Berufssoldaten eh immer mehr unter sich, während die Wehrpflichtigen mehr und mehr zur Heimatmiliz werden.

Man braucht sich ja nur mal den technologischen Rückstand anschauen. Das Geld reicht eben nur für eine kleine Einsatzgruppe und wenige technische „Highlights“. Natürlich wäre mehr Geld übrig, wenn die Beschaffungen wirklich Marktgesetzen und dem Bedarf folgten. Aber das ist wohl nirgends auf der Welt so.

Im Endeffekt ist es nun aber so, daß durch all das die Bundeswehr gar keinen Krieg mehr führen kann. Flächenbombardements kann man ja heutzutage nicht mehr machen. „Chirurgische Schläge“, eh ein Mythos, kann Deutschland gar nicht mal versuchen. Solche „smart bombs“ haben wir weniger als ein Dutzend.
Also bliebe nur der Einsatz vieler, vieler Bodensoldaten. Politisch und finanziell auch nicht drin.

Um ein Land wie Afghanistan zu „nation building“-ingen, da müssten schon alle Nato-Partner die Armeen besser mobilisieren, denn wenn ich mal 150 000 benötigte Soldaten über den Daumen anpeile, bin ich sicher näher am Optimum dran als die derzeit dort stationierte Zahl.


Es wird halt nie zu Ende gehandelt. Zwar hat man die Öffentlichkeit über Kambodscha-Somalia-Bosnien-Kosovo weichklopfen wollen, aber die Deutschen bleiben mehrheitlich einsatzfeindlich und sofern nicht überraschend positive Entwicklungen im Kosovo oder Afghanistan stattfinden, stellt sich natürlich auch eher interventionistisch Gestimmten die Sinnfrage. 
Da verbrennt man sich doch kein Politiker mit unangenehmen Wahrheiten die Finger.

So reformiert man dann die Bundeswehr halt in aller Stille und mit viel zu wenig Geld.
Es findet keine öffentliche Debatte statt, was die Bundeswehr leisten soll und was sie kosten darf.
Auch die Verteidigungspolitiker verkünden zwar luftige Ziele, bleiben aber konkrete Zahlen schuldig.

Ziel: Möglichkeit von drei Stabilisierungs-Einsätzen auf drei Kontinenten mit je 10 000 Mann?
Oder doch eher zwei mal 3000 und eine große Heimatarmee, wie jetzt? Oder was dazwischen? Was sollen die Wehrpflichtigen noch leisten? Inwiefern sieht man seine Zukunft in europäischen Wehrstrukturen?
Zu all diesen Fragen (und allen anderen) bleibt man uns die Antwort schuldig. 
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Florian

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Re: USA fordern Kampfeinsatz der Bundeswehr
Antwort #4: Februar 03, 2008, 13:37:56
Glaube ich der Printausgabe der SZ, könnte die BW die vielgeforderten Hubschrauber gar nicht stellen, selbst wenn man wollte.

So habe man nur 20 geeignete Hubschrauber, sechs davon seien im Norden, die anderen in den anderen Einsatzgebieten und zu Hause als Ausbildungsgerät und Ersatz für diejenigen, die zur Wartung müssen.

Mehr Helikopter wüstentauglich zu machen, ginge leider gerade nicht, da der einzige Hersteller lange Lieferzeiten habe.

Einsätze in Wüsten und Halbwüsten waren ja wirklich nicht vorherzusehen...

4.2.08:
Um nicht drei Beiträge hintereinander zu schreiben, per „Bearbeiten“:
Unser Außenminister a.D. weiß es natürlich besser, wie stets.
« Letzte Änderung: Februar 04, 2008, 23:25:28 von Florian »
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