Am 22. und 23. November fand an der Azhar-Universität zu Kairo eine Konferenz von hohen geistlichen Islam-Gelehrten, medizinischen Wissenschaftlern, darunter Gelehrte aus arabischen, europäischen, afrikanischen und asiatischen Ländern, statt. Schirmherrschaft hatte Großmufti Prof. Ali Goma’a, höchster Richter für Islamisches Recht, übernommen, geladen und organisiert wurde diese Konferenz von TARGET Human Rights, 2000 gegründet, in Personam
Rüdiger Nehbergs und Anette Webers.
Thematisch drehte es sich um die heikle Frage der Genitalverstümmelung bei Frauen und die islamische Position zu diesem »Brauch«.
Sensationelles Ergebnis dieser Konferenz: Die weibliche Genitalverstümmelung verstößt gegen die höchsten Werte des Islam und ist somit zu ächten und deshalb ein strafbares Verbrechen.
Der Großmufti Prof. Ali Goma’a hatte die Teilnehmer und das »Mekka der Gelehrten«, die älteste Universität der Welt, vorgeschlagen. Die Wahl hätte nicht besser ausfallen können, allein das Ergebnis zeigt schon den richtigen Bezug.
In den zwei Tagen der Konferenz ging es vornehmlich um die Klärung der Frage, ob es in den Heiligen Schriften, dem Koran, eine verbindliche Aufforderung existiert, die Mädchen zu verstümmeln. Die Äußerungen der Gelehrten gingen in die Richtungen, dass eine
Hadith (eine Überlieferung des Propheten, die nach seinem Tod aufgeschrieben wurde) gibt, von der die
Sunna (eine vorbildliche, sich am Propheten orientierende Handlungsweise) abgeleitet wurde, dass eine »leichte« Beschneidung erwünschenswert sei.
Da mit überraschender Offenheit diskutiert wurde, waren sich die Theologen einig, dass es sich bei dieser Hadith um eine schwache Schrift handelt – die Hadithe werden in starke (absolut glaubenswürdige), weniger starke und schwache (Überlieferung ist unsicher) unterteilt.
Im Folgenden wurde die medizinische Wertung vorgenommen. Da der Koran im Zweifelsfall, die Anrufung der Wissenschaftler verlangt (»befragt die Wissenschaftler«), hatte Prof. Ali Goma’a drauf bestanden, Experten zu diesem Sachgebiet zu laden. Fünf Experten der Medizin aus Ägypten, Äthiopien und Deutschland. Es wurde erörtert, ob diese »leichte« Beschneidung, die oft fälschlicherweise mit der Beschneidung des Mannes verglichen wird, eine wirkliche Körperschädigung darstellt.
Einhellig waren sich die Mediziner in ihrer Meinung und Beurteilung, dass die weibliche Beschneidung, eine unsägliche Belastung mit Schmerzen, Traumata und irreparablen Schäden für die Frau darstellt und in ihre körperliche Unversehrtheit eingreift.
Die theologische Diskussion hatte eine selten da gewesene Dimension. Dazu Imam Tarafa Baghajati aus Österreich: »Mehr noch als der Mann, denn sie hat die Folgen, nämlich die Schwangerschaft, zu tragen.«, der deutlich das Recht der muslimischen Frau auf eine uneingeschränkt erfüllte Sexualität darlegte.
Nach zwei Tagen der Diskussion zogen sich die Gelehrten zurück und fällten im Anschluss eine basisbrechende Entscheidung – die Verstümmelung der weiblichen Genitalien ist zu ächten.
Dieser Beschluss hat die Wirkung und den Wert eines verbindlichen Rechtsgutachten, einer
Fatwa und darf zweifelsfrei als theologische Sensation gewertet werden.
Auszug:»Die Genitalbeschneidung bei Frauen ist eine ererbte Unsitte […] ohne Grundlage im Koran respektive einer authentischen Überlieferung des Propheten […] Daher müssen die Praktiken unterbunden werden in Anlehnung an einen der höchsten Werte des Islam, nämlich den Menschen unbegründet keinen Schaden zufügen zu dürfen […] Vielmehr wird dies als strafbare Aggression gegenüber dem Menschengeschlecht erachtet. ..verheerende Konsequenzen für die Gesellschaft […] Die Legislativ-Organe sind aufgefordert, diese grausame Unsitte als Verbrechen zu deklarieren.«
Prof. Dr. Ali Goma’a, Grand Mufti Al-Azhar
Ich wundere mich, warum den hiesigen Onlinemedien dies keine Meldung wert war, hat doch diese Konferenz und ihr Ergebnis eine bahnbrechende Wirkung für die Frauen in der islamischen Welt und bedeutet wesentlich mehr als ein Achtungserfolg. Zeigt es doch ganz deutlich, dass der Islam genauso fähig ist Entwicklungen zu machen und die Schritte zur Gleichberechtigung und der Eigenverantwortung größer werden zu lassen.
Besonders für Rüdiger Nehberg und seiner TARGET Human Rights Organisation ist es mehr als ein Erfolg, es ist die Anerkennung seiner Arbeit und seines Einsatzes. Für Rüdiger Nehberg selbst, der ein Großteils seines Lebens für den Kampf der Menschenrechte eingesetzt hat, seit 1980 setzt er sich für das
Yanomami Indianervolk ein, ist dies eine Achtung und das Zollen von Respekt seines unermüdlichen Einsatzes gegenüber. Dieser Erfolg lässt diesen Menschen, wenn immer er zurückschauen wird, stolz sein und wissen, dass er auf dieser Welt etwas bewirkt hat, das eine absolut positive Auswirkung für ganz viele Menschen haben wird.