Autor: radneuerfinder
April 10, 2014, 20:54:35
Am Dienstagabend haben Einsatzleiter der Stadt- und der Kantonspolizei Zürich von einem EM-Helikopter aus in Nassenwil ein Modellflugzeug geortet, das seit Samstag vermisst worden war. Laut Communiqué hatte der Pilot vom Boden aus sein Flugzeug mit einem anderen verwechselt und aus den Augen verloren. Während eines Fluges für die Verkehrsüberwachung sahen die Polizisten das Fluggerät, das eine Spannweite von 9 Metern ausweist, in einem Weizenfeld nordwestlich von Nassenwil. Der Fundort liegt rund 400 Meter von der Startbahn entfernt.
Das ist richtig, da gebe ich dir völlig Recht. Es gibt keine konkrete Definition, sie wird es wohl auch nie geben. Aber ich sehe da auch keine Notwendigkeit. Denn Gesetze sind immer auslegungsbedürftig.Dass Gesetze auslegungsbedürftig sind, ist unbestritten. In eben diese Richtung ging ja auch mein Votum. Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte ist, dass unter dem Begriff Menschenwürde anscheinend nicht überall das selbe verstanden wird. Und zwar in für mich erstaunlichem Ausmass. Ich versuche das mal konkret aufzuzeigen bei einem Vergleich Eures Grundgesetzes mit unserer Bundesverfassung:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.Die Autoren der schweizerischen Bundesverfassung verwendeten für das vermutlich gleiche unantastbare Etwas hingegen eine andere Terminologie, wenn sie, an notabene weniger prominenter Stelle, nämlich in Artikel 36 Absatz 4 schrieben:
Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.Allerdings taucht auch in der schweizerischen Bundesverfassung der Begriff Menschenwürde auf. Nämlich in Artikel 7, der lautet:
Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.Für mich ist somit ziemlich offensichtlich, dass die Macher des deutschen und des schweizerischen Grundrechts unter dem Begriff Menschenwürde nicht das selbe verstanden. Und zwar ziemlich massiv nicht das selbe verstanden. Zumindest in stärkerem Masse, als normalerweise zwei Gerichte die gleichen gesetzlichen Bestimmungen unterschiedlich auszulegen vermögen.
Aber auch finde ich es etwas kurz gedacht, wenn du meinst, dass aus der Angst der Geschichte etwas erwachsen ist, dass in seiner heutigen Form eigentlich keine Legitimation mehr hat. Und ich kann von mir sagen, dass ich die Augen nicht vor den Schatten verschließe. Gerade die neuere (politische) Entwicklung lässt mich sagen, dass ich den Aufbau und die Struktur, die so im GG enthalten ist (speziell Art. 1) für richtig finde und auch noch heute seine Daseinsberechtigung hat.Ich meinte auch in keinster Art und Weise, dass Art. 1 GG heute keine Legitimation mehr hätte. Und ich meinte auch nicht, dass die Geschichte vergessen werden sollte. Was heute keine Legitimation mehr hat ist das irgendwie nach wie vor vorhandene Schuldgefühl, das verhindert, dass über gewisse Dinge diskutiert werden kann oder diskutiert wird. Der Schatten der Geschichte hat Tabus errichtet. Und diese Tabus können gefährlich sein, weil sie als Waffe gegen andere Meinungen eingesetzt werden können und mitunter auch so eingesetzt werden. Und so eigentlich dem Gegenteil von dem dienen, wofür sie vordergründig bestehen. (Und da wären wir dann wieder fast an der gleichen Stelle, wie damals bei Apfeltalk.
Voici la tragédie nouvelle : nous avons tout prévu contre un futur Hitler, rien contre son absence, pourtant certaine. Et c'est la chance du Diable pour demain.Was von Josef Ziwutschka und Elena Kapralik wie folgt übersetzt worden ist:
Da haben wir die neue Tragödie: wir haben alles gegen einen einen zukünftigen Hitler vorgesehen, aber nichts gegen seine - doch gewisse - Abwesenheit. Und das ist die Chance des Teufels für morgen.
Ab Artikel 2 GG ist mir das auch alles klar. In etwa so sieht das Grundrecht wohl in allen Rechtsstaaten aus. Auch hier in der Schweiz. Einschränkungen der Grundrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
Worin Ihr aber meines Wissens ziemlich einmalig seid ist, dass Ihr mit der Menschenwürde ein ganzes Grundrecht für absolut unantastbar erklärt habt und nicht nur dessen Kerngehalt. Und daher habe ich den starken Verdacht, dass Ihr unter der Menschenwürde eben etwas leicht anderes versteht/verstehen müsst, als der Rest der Welt. Für den Rest der Welt tangiert eine Freiheitsstrafe durchaus die Menschenwürde, würd ich mal behaupten. Und mit dem Verständnis und eurem GG wären somit Freiheitsstrafen unmöglich.
Darum hätte mich eben interessiert, wie Ihr Menschenwürde genau definiert. Aber wo immer ich nach Euren Vorstellungen, die Ihr von der Menschenwürde habt, forsche, treffe ich immer nur auf Aussagen, wie sie erlangt wird und nirgendwo auf eine Definition was sie ist. […]
Dass das GG eine klare Vorstellung der Menschenwürde hat und diese definiert, kann doch nicht wirklich Dein Ernst sein, oder? Ich kann in Eurem GG keine Definition der Menschenwürde entdecken. Genau so wenig, wie es bei uns eine Definition des Kerngehalts der Grundrechte gibt. Dieser muss letztlich weitestgehend durch die Gerichtspraxis definiert werden.
In diesem Bewusstsein habe ich das Wörtchen "stur" verwendet, das letztlich jetzt diese Diskussion über die Menschenwürde ausgelöst hat. Für mich war das, was Euer Verfassungsgericht getan hat, eine Auslegung des GG. Und es hat IMO eben stur ausgelegt. Euch ist das Wort sauer aufgestossen und Ihr argumentiert, das Gericht könne nicht stur gewesen sein, weil es nicht ausgelegt, sondern festgestellt habe, es würde eine Verletzung der Menschenwürde vorliegen. Bei einer Feststellung kann man nicht stur sein. Entweder ist es so oder es ist nicht so. Richtig? Oder verstehe ich Euch da falsch?
Für eine Feststellung, ob etwas zutrifft oder nicht, müsste aber eine eindeutige Definition dessen vorliegen, was zutreffen soll oder eben nicht zutreffen soll. Daher auch mein Bohren nach dieser Definition.
Und ich hab sie nicht erhalten. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, ich kann sie nicht erhalten. Keiner von Euch ist in der Lage, diese eindeutige klare Definition zu geben. Auch Euer Verfassungsgericht nicht. Möglich sind immer nur Auslegungen.
Und das soll jetzt jetzt in keinerlei Weise als Vorwurf gemeint gewesen sein. Es ist eher so etwas wie Mitleid. (Meine Güte, das hört sich nun vermutlich furchtbar arrogant an. So sollte es eigentlich auch nicht gemeint sein.) Mir scheint, dass da die Geschichte Eure Nation nach wie vor in erschreckendem Masse im Griff hat und eine Denkblockade auf breiter Ebene induziert. Da gibts diesen Begriff der unantastbaren Menschenwürde, auslegungswürdig und nicht eindeutig, aber halt im dunklen Schatten der Geschichte stehend, so dass sich niemand getraut, dort hinzuleuchten und das Ding anzuschauen und genau zu fragen, was es ist. Lieber tun alle so, als wäre es eindeutig und allen ganz klar, was dort im Schatten steht.
Das ist meine Eindruck von Eurer Argumentation hier und von der ganzen Debatte bei Euch in Deutschland. Und es ist vielleicht in der Tat so arrogant, dass ich es besser nicht geschrieben hätte. Ich möchte daher meine Teilnahme an diesem Thread eigentlich mit diesem Beitrag beenden.
Bei der Gefängnisstrafe bist du aber nicht bei der Menschenwürde, besser deinem Recht zum Schutz deiner Menschenwürde, sondern hierbei handelt sich um einen Eingriff, der in Deutschland in das Recht aus Artikel 2 Absatz II GG (Die Freiheit der Person ist unverletzlich) einschneidet. Aber weiter in Satz 3 steht: In dieses Recht darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Weiteres regelt dann der Artikel 104 GG.Ab Artikel 2 GG ist mir das auch alles klar. In etwa so sieht das Grundrecht wohl in allen Rechtsstaaten aus. Auch hier in der Schweiz. Einschränkungen der Grundrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
Das GG und auch das BVerfG haben da ganz genaue Vorstellungen. Der Mensch hat seine Würde aufgrund seines eigenen selbstbestimmten Verhaltens. Es ist das unveräußerliche Recht, dass jedem Individuum mit dem Erreichen eines lebensqualifizierenden Stadiums mitgegeben wird. Und bei einem Urteil des BVerfG lässt sich die Menschenwürde auch nur an den Definitionen des GG messen.
[…] Angst kriege ich dort, wo die Demokratie aufgeweicht wird. Und das diskutierte Urteil des Verfassungsgericht ist IMO ein kleiner Schritt in diese Richtung. Bzw. es provoziert weitere Schritte in diese Richtung. Weicht die Demokratie den Lösungen von aktuellen Problemen (zugegeben, das vorliegende Problem ist alles andere als akut - ich meiner hier das Prinzip) aus und verrennt sich stattdessen in Wunschoptionen, die so gar nicht bestehen, werden Anreize geschaffen, die Probleme weniger demokratisch zu lösen.
Tja, die Menschenwürde. Ja, sie und der damit begründete Einwand ist in gewisser Hinsicht natürlich sehr grundlegend. Aber halt auch etwas schwammig und willkürlich. Was genau ist unter der Menschenwürde zu verstehen? Was genau ist mit diesem seltsamen etwas gemeint, das gemäss Eurem GG absolut unantastbar ist? Jede Nation und gar jedes Individuum wird den Begriff leicht anders definieren und auffassen.
Stur ist es für mich deshalb, weil es hier ja um Situationen geht, in der letztlich viele Menschen in ihren Grundrechten (Recht auf Leben) und in ihrer Menschenwürde verletzt werden. Entsprechende Verletzungen können IMO nicht nur durch staatliches Handeln, sondern auch durch staatliche Unterlassungen geschehen. (Handelt der Staat, sterben Menschen. Handelt der Staat nicht, sterben noch mehr Menschen und es werden mehr Menschen in ihrer Menschenwürde verletzt.) Sich bei der Begründung seines Tuns (das Handeln und Nicht-Handeln umfassend) nur auf einen Teilaspekt zu stützen und damit das Recht auf die Menschenwürde nur jenen zuzugestehen, welche zuerst vom eigenen Tun betroffen wären und die anderen und die Gesamtsicht auszublenden, ist in meinen Augen Vogel-Strauss-Politik (bzw. Legislation). Überspitzter Formalismus hiesse der Vorwurf, wenn es um weniger wichtige Dinge wie Menschenleben und -würde ginge.
Ich habe schon eine Vorstellung der Menschenwürde. Aber die kann so im GG nicht gemeint sein. Ich würde mich z.B. in meiner Menschenwürde verletzt fühlen, wenn ich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde. Oder ich habe mich in meiner Menschenwürde verletzt gefühlt, als man bei der Musterung nackt von einer Musterungskommission begutachtet wurde. Das kann aber alles nicht gemeint sein. Diese Menschenwürde kann nicht unantastbar sein. Was das GG unter der Menschenwürde genau versteht, die sie für absolut unantastbar erklärt, ist mir ehrlich nicht restlos klar. Das ist nicht rhetorisch, sondern ganz aufrichtig gemeint.
Stur gestellt? Man hat sich doch vor allem (so habe ich mittlerweile herausgefunden) auf Paragraph 1 des Grundgesetzes berufen, "die Menschenwürde ist unantastbar"[…]
ZitatUnd die geht so: Ein Zug rast auf eine Menschengruppe von fünf Personen zu und wird sie ganz sicher erfassen da diese unmöglich ausweichen können. Nun gibt es kurz vor der Gruppe noch eine Weiche aufs Nebengleis. Auf dem steht ein Mann, der wahrscheinlich auch nicht ausweichen kann. Darüber ist eine Brücke. Ein dicker Mann beugt sich hinüber. Ein Passant könnte den Zug stoppen, wenn er ihn hinabstieße.Es ist immerhin interessant, dass die Mehrheit eines der beiden Szenarios wählt, bei dem es am wenisten Opfer gibt und nicht jenes, bei dem überhaupt nicht eingegriffen wird.
Tja, welch ein Dilemma. Die meisten Menschen sind der Meinung, der Zugfahrer solle das Nebengleis nehmen. Den dicken Mann schupfen dagegen nur die Wenigsten.
Hm, ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, daß Du darüber keine Vorstellung hast.Ich habe schon eine Vorstellung der Menschenwürde. Aber die kann so im GG nicht gemeint sein. Ich würde mich z.B. in meiner Menschenwürde verletzt fühlen, wenn ich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde. Oder ich habe mich in meiner Menschenwürde verletzt gefühlt, als man bei der Musterung nackt von einer Musterungskommission begutachtet wurde. Das kann aber alles nicht gemeint sein. Diese Menschenwürde kann nicht unantastbar sein. Was das GG unter der Menschenwürde genau versteht, die sie für absolut unantastbar erklärt, ist mir ehrlich nicht restlos klar. Das ist nicht rhetorisch, sondern ganz aufrichtig gemeint.![]()
Nun, die Wikipedia geht ja auch mehr oder minder ausführlich auf die Ursprünge des Begriffes und die Entwicklung des heutigen Menschenverständnissen ein.Sie geht sehr wortreich und gleichzeitig sehr bedeutungsarm darauf ein oder eben nicht ein. Leider.
Und die geht so: Ein Zug rast auf eine Menschengruppe von fünf Personen zu und wird sie ganz sicher erfassen da diese unmöglich ausweichen können. Nun gibt es kurz vor der Gruppe noch eine Weiche aufs Nebengleis. Auf dem steht ein Mann, der wahrscheinlich auch nicht ausweichen kann. Darüber ist eine Brücke. Ein dicker Mann beugt sich hinüber. Ein Passant könnte den Zug stoppen, wenn er ihn hinabstieße.Es ist immerhin interessant, dass die Mehrheit eines der beiden Szenarios wählt, bei dem es am wenisten Opfer gibt und nicht jenes, bei dem überhaupt nicht eingegriffen wird. Und dass die Mehrheit das Eingreifen lieber auf einen anderen abschiebt und nicht selbst zum Mörder wird, ist nicht wirklich überraschend. Ich finde daher auch die Unterstellungen etwas frech, dass Schäuble und andere gerne so einen Abschussbefehl erteilen würden. Das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand wirklich darauf aus ist, einen solchen Befehl zu erteilen.
Tja, welch ein Dilemma. Die meisten Menschen sind der Meinung, der Zugfahrer solle das Nebengleis nehmen. Den dicken Mann schupfen dagegen nur die Wenigsten.
Bin mir auch nicht bewusst, ob Du (oder Herr Schäuble...) eigentlich ganz erfasst, daß man diese Argumentation endlos ausdehnen kann. Wie so oft beginnt es mit den Maßnahmen für den diskutierten Extremfall die dann nach und nach eine neue Denkschiene populär machen (sollen?). Eine ähnliche Diskussion gab es ja in Deutschland schon, als man einem Kinderentführer Folter androhte, damit er verrät, wo das Kind versteckt ist.Ja, das muss ich mal so stehen lassen. Im Folterfall war ich tatsächlich wohl der selben Meinung wie Du. Ich empfinde die beiden Fälle nicht gleich. Aber ich kann im Moment nicht definieren, weshalb und was genau ich anders empfinde.