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Florian

  • Verderbliche Ware!
TTIP
Mai 02, 2016, 01:02:18
Nächstes Leak betrifft die ultrageheimen TTIP-Verhandlungen. Endlich darf man lesen, was man schon immer wusste. :) Es gibt eben nichts geschenkt, schon gar nicht von den USA. Die Schiedsgerichte sind keineswegs vom Tisch (und die nachträglichen Anhangsänderungen ohne jede demokratische Kontrolle offenbar auch nicht). Greenpeace will heute (Montag) die durchgesickerten Dokumente online stellen.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ttip-211.html
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Beitrag frei Haus geliefert. Frisch von der Apfelinsel.
Re: TTIP
Antwort #1: Mai 02, 2016, 06:51:51
Kann mir eigentlich mal jemand erklären, warum TTIP eigentlich geheim ist? Sogar so geheim, dass selbst Abgeordnete das nur unter gewissen Bedingungen lesen dürfen? Das verstehe ich überhaupt nicht. Wenn das dann als Grundlage für zukünftige Vorgänge in der Wirtschaft zwischen USA und EU sein sollen, dann müssen die betroffenen Unternehmen oder Kunden doch das ganze kennen. Oder sollten die das erst nach Abschluss von TTIP erzählt bekommen?  ??? ???
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Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen." -- Schiller
Re: TTIP
Antwort #2: Mai 02, 2016, 07:20:25
Die betroffenen Unternehmen werden wohl wissen, was verhandelt wird.
Vermutlich lassen sie sogar Gabriel & Co. in ihren Interessen verhandeln.

Dem Wahlvolk muss sicherlich nicht zu allen Themen eine demokratische Einflussnahme eingeräumt werden, aber die Dreistigkeit, mit der hier Tatsachen geschaffen werden sollen, ist wirklich bemerkenswert.
Und bei allem was durchsickert, verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass unsere Verhandlungesführer der Sache in keinster Weise gewachsen sind.
Re: TTIP
Antwort #3: Mai 02, 2016, 07:32:37
Die betroffenen Unternehmen werden wohl wissen, was verhandelt wird.

Das bezweifle ich stark. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist im Prinzip jedes Unternehmen betroffen. Und es scheint mir nicht logisch, dass alle Unternehmen, die es interessiert, sich über den Inhalt informieren können, Abgeordnete aber zunächst gar nicht und später dann nur unter extremen Sicherheitsvorkehrungen. Das passt nicht zusammen.
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Re: TTIP
Antwort #4: Mai 02, 2016, 08:11:56
Und es scheint mir nicht logisch, dass alle Unternehmen, die es interessiert, sich über den Inhalt informieren können, Abgeordnete aber zunächst gar nicht und später dann nur unter extremen Sicherheitsvorkehrungen. Das passt nicht zusammen.

Für mich passt es schon deswegen zusammen, weil ich davon ausgehe, dass die Unternehmen von der Politik (von beiden Seiten des Atlantiks) auf dem laufenden gehalten werden.

Ich kann nicht glauben, dass unser Wirtschaftsminister sich in der Öffentlichkeit zum Narren macht, ohne präzise Ansagen aus der Wirtschaft zu bekommen.
Und ich bin mir sicher, die Wirtschaft würde dieses Abkommen nicht wollen, wüssten sie nicht genau, was Ziel ver Verhandlungen ist.

Mit „der Wirtschaft“ und „den Unternehmen“ meine ich Konzerne, keine Handwerker oder Mittelsständler.
Re: TTIP
Antwort #5: Mai 02, 2016, 08:42:05
Mit „der Wirtschaft“ und „den Unternehmen“ meine ich Konzerne, keine Handwerker oder Mittelsständler.

Ja, ok. Aber TTIP betrifft am Ende doch alle, oder?
D.h. spätestens nach Unterschrift muss das doch veröffentlicht werden, denn wie sonst könnten sich die bisher uninformierten Unternehmen dran halten? Also so wie ich es momentan verstehe (was völlig falsch sein kann, deshalb frage ich):
- Bei der Verhandlung zu TTIP sind die Inhalte so geheim, dass selbst Abgeordnete dies nur unter strengsten Vorkehrungen einsehen dürfen.
- Nach Verabschiedung von TTIP wird der Inhalt komplett öffentlich, da sich alle daran halten müssen. Denn wenn es weiterhin geheim wäre, könnte sich daran keiner halten.
Soweit richtig?

Nur wenn ja:
Womit begründen die Verhandlungsführer, dass es so schlimm wäre bzw. welche Nachteile würden entstehen, wenn die Inhalte jetzt schon öffentlich wären? Die müssen doch einen vernünftigen Grund nennen können. Und die werden wohl kaum argumentieren (auch wenn es evtl. richtig und der wahre Grund ist), dass die Bevölkerung oder Unternehmen etwas dagegen haben könnten. Also was ist deren offizielle Begründung für die Geheimhaltung?
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Re: TTIP
Antwort #6: Mai 02, 2016, 09:37:06
- Bei der Verhandlung zu TTIP sind die Inhalte so geheim, dass selbst Abgeordnete dies nur unter strengsten Vorkehrungen einsehen dürfen.
Du stellst die Abgeordenten über die Wirtschaft.
Ja, die Abgeordneten dürfen nur unter strengsten Vorkehrungen Inhalte einsehen, aber wohl nur deswegen, damit sie nicht ausplaudern, was die Wirtschaft schon längst weiß und durchsetzen will.

- Nach Verabschiedung von TTIP wird der Inhalt komplett öffentlich, da sich alle daran halten müssen. Denn wenn es weiterhin geheim wäre, könnte sich daran keiner halten.
Dann werden die Inhalte veröffentlicht und dann können alle Verantwortlichen sagen: „Sorry, das haben wir so nicht gewollt, jetzt ist es aber zu spät.“


Womit begründen die Verhandlungsführer, dass es so schlimm wäre bzw. welche Nachteile würden entstehen, wenn die Inhalte jetzt schon öffentlich wären? Die müssen doch einen vernünftigen Grund nennen können. Und die werden wohl kaum argumentieren (auch wenn es evtl. richtig und der wahre Grund ist), dass die Bevölkerung oder Unternehmen etwas dagegen haben könnten. Also was ist deren offizielle Begründung für die Geheimhaltung?
Für mich kann es nur einen Grund für die Geheimhaltung geben:
Die große Mehrheit der Bevölkerung würde dem, was in dem Abkommen vereinbart wird, nicht zustimmen. Es wäre offen politisch nicht durchsetzbar.
Ob die Mehrheit der Bevölkerung es zurecht ablehnen würde und überhaupt versteht, was dort vereinbart wurde, steht auf einem anderen Blatt.
Da die Wirtschaft (hier vertreten durch die Politik) aber wohl befürchtet, dass ihr Plan in einem demokratischen Verfahren nicht umsetzbar ist, hat man beschlossen es im stillen Kämmerlein zu machen.
Unsere Bundesregierung, in Person des Wirtschaftministers Gabriel, macht sich also seit Monaten lächerlich und wir fragen uns, was er persönlich davon hat? Wiederwahl? Eher nicht. Einen Posten bei einem Profiteur des Abkommens? Vielleicht.
Edit:
Oder die Politik ist überzeugt von der Richtigkeit des Abkommens und der Dämlichkeit der Wähler.
« Letzte Änderung: Mai 02, 2016, 09:43:07 von fränk »
Re: TTIP
Antwort #7: Mai 02, 2016, 12:39:22
Du missverstehst mich.
Das sind vermutlich die Gründe, die wirklich dahinter stecken.

Mir geht es aber darum, was die offizielle Begründung für die Geheimhaltung ist? Die werden ja nicht mit diesen Argumenten das geheim halten. Irgendwie muss das doch auch offiziell begründet werden.
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Bonobo

  • Rätselkönig
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Re: TTIP
Antwort #8: Mai 02, 2016, 14:41:36
Je nun, Teile der Antwort würden Michaela Mustermann und Otto Normalverbraucher sicher verunsichern ;)
Re: TTIP
Antwort #9: Mai 02, 2016, 18:48:00
Je nun, Teile der Antwort würden Michaela Mustermann und Otto Normalverbraucher sicher verunsichern ;)

a) Es mag durchaus "sinnvolle" Dinge geben. Also alle Rücklichter von Autos GELB.
b) Gewisse Vorgaben und Vorschriften haben sich ja auch historisch unterschiedlich in verschiedenen Ländern entwickelt. Da könnte ich aus meiner beruflichen Praxis was zu sagen, sprengt hier aber gewiss den thread.
c) Wichtig wäre zu wissen was die Knackpunkte sind, die es zu "bedenken" gibt.

Jochen
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Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.
Re: TTIP
Antwort #10: Mai 02, 2016, 18:59:49
Nur wenn ja:
Womit begründen die Verhandlungsführer, dass es so schlimm wäre bzw. welche Nachteile würden entstehen, wenn die Inhalte jetzt schon öffentlich wären? Die müssen doch einen vernünftigen Grund nennen können. Und die werden wohl kaum argumentieren (auch wenn es evtl. richtig und der wahre Grund ist), dass die Bevölkerung oder Unternehmen etwas dagegen haben könnten. Also was ist deren offizielle Begründung für die Geheimhaltung?

Mir scheint das jetzt nichts wirklich aussergewöhnliches. Vertragsverhandlungen finden eigentlich immer vertraulich statt, oder? Und ich denke, es gibt sehr viele gute Gründe dafür. Auch bei Staatsverträgen.

Es liegt ja in der Natur von Vertragsverhandlungen, dass sich zwei (oder mehr) Parteien mit unterschiedlichen Interessen irgendwo finden müssen/wollen. Logischerweise sind beide Seiten bestrebt, möglichst viele ihrer eigenen Interessen durchsetzen zu können und gleichzeitig möglichst wenig Konzessionen an die Interessen der Gegenseite machen zu müssen. Die Verhandlungsdelegationen erhalten von ihren Auftraggebern ein Mandat, worüber sie verhandeln dürfen und worüber nicht. Eine Definition, wo allenfalls welche Konzessionen möglich wären. Und ich denke es versteht sich von selbst, dass man in dem Feilschen seine eigene Position nicht gerade stärkt, wenn man dem Verhandlungspartner seinen eigenen Spielraum offenbart. Dann wird er sich nämlich nicht mit weniger als den maximal möglichen Konzessionen zufrieden geben.

Bei Staatsverträgen kommt meiner Meinung nach noch eine weitere Dimension hinzu. Man stelle sich vor, jede Konzession und jeder Buchstabe, jede vielleicht auch nur vorläufige Konzession, würde nicht nur innerhalb der Verhandlungsdelegation diskutiert, sondern durch die Presse und so durch ganze Länder. Als ob Vertragsverhandlungen nicht so schon schwierig genug wären. Braucht man da noch wenig sachverständige Journalistenmeuten und ganze Länder, die einem in den Rücken fallen?

Daher finden Verhandlungen von Staatsverträgen doch eigentlich immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das ist auch in der direktdemokratischen Schweiz übrigens nicht anders. Wenn dann eine Vertragsversion vorliegt, welche beide Delegationen für akzeptierbar halten, dann, und erst dann, kommt der Schritt, in dem der Vertrag dem Auftraggeber vorgelegt wird und dieser letztlich entscheiden muss: ja, machen wir, oder nein, machen wir nicht.
Die interessante Frage bzw. die Frage die eigentlich zu stellen wäre, stellt sich in meinen Augen erst zu diesem Zeitpunkt: wie demokratisch ist der Auftraggeber der nun über ja oder nein zu entscheiden hat?

Schlägt man mit der ganzen TTIP-Kritik (vor allem in Deutschland) nicht einfach nur den Sack und meint den Esel? Demokratische Vertragsverhandlungen sind unmöglich. Demokratische Entscheide über die Annahme von Verträgen wären es nicht.
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

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Re: TTIP
Antwort #11: Mai 02, 2016, 23:57:46
warlord hat das besser formuliert als ich könnte, so ganz sinnlos ist die Geheimhaltung nicht.

Die offizielle Verlautbarung: Nur so  könne man die Torpedierung durch Partikularinteressen entgegen dem Allgemeinwohl verhindern.

Schön und gut, nur warum teilt man das Ganze dann nicht in Kapitel und verabschiedet diese nach ordentlicher öffentlicher Debatte einzeln? Am ganz großen Wurf ist auch die letzte Welthandelsrunde schon gescheitert. Aber für die hat sich hierzulande kaum jemand interessiert, genauso wenig wie für die vielen recht skandalösen Handelsverträge von Deutschland oder der EU mit Entwicklungsländern. Das macht die Empörung auch immer etwas schal in meinen Augen.

Und warum verhandeln hier ausschließlich Beamte und Anwälte anstatt Politiker und die Zivilgesellschaften?

Das Leak beweist nun: Es geht nicht darum, dass Beste von Beiden zu vereinen, sondern um dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Und, vor allem: Man ist meilenweit von einer Einigung entfernt. Das große Ziel, noch zu Obamas Amtszeit fertig zu werden, dürfte also passé sein. Und die wahrscheinlichen Nachfolgekandidaten musste schon der sehr kritischen Stimmung Rechnung tragen und haben sich kritisch oder total ablehnend zu TTIP geäußert.
Könnte also gut sein, dass das Abkommen an den USA scheitert.
« Letzte Änderung: Mai 03, 2016, 00:19:46 von Florian »
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Re: TTIP
Antwort #12: Mai 03, 2016, 06:57:06
@warlord:
OK, soweit nachvollziehbar.
Ernsthafte Fragen: Ist das bei anderen Verhandlungen auch so? Und wie ist es bei TTIP geplant: Zunächst geheime Verhandlungen, dann Veröffentlichung und parlamentarische Diskussion und dann Abstimmung? So würde ich es erwarten. Ist das so geplant?
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Re: TTIP
Antwort #13: Mai 03, 2016, 07:08:13
Übrigens, die EU hat ihre Verhandlungspositionen 2014 öffentlich gemacht:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ttip-und-freihandel/kaum-jemand-liest-die-ttip-dokumente-13542243.html
Re: TTIP
Antwort #14: Mai 03, 2016, 07:20:40
Der Unterschied zu vielen anderen Vereinbarung, sind bei TTIP wohl die Schlagworte.
Es geht, wenn wir nach den Aufregern gehen, um das was auf den Teller eines jeden kommt, um „genverseuchte Lebensmittel“, und um „Hormon-Fleisch“.

Ich finde es wird selten so deutlich, welche Probleme die Politik mit ihren Wählern hat. Hier müsste Demokratie erklärt werden, aber dazu sind die handelnden Politiker nicht in der Lage und sie ducken sich ab. Dieses Abducken erinnert aber eher an ein Kind, das sich beim Verstecken spielen nur die Augen zu hält und stehen bleibt.

Viele von denen, die sich jetzt aufregen, kaufen am Ende doch das billigste Fleisch und bekommen vielleicht sogar einen Billig-Job um für die USA produzieren zu dürfen.