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Frage zu Briefkastenfirma
April 05, 2016, 10:16:12
Ist folgendes Szenario richtig? mal unabhängig ob strafbar.

Firma A ist in Deutschland.
Inhaber der Firma A hat Briefkastenfirma B in Steueroase.
Firma A hätte Gewinn von 1.000.000 Euro.
Briefkastenfirma B stellt Firma A eine Rechnung über 750.000 Euro.
Firma A überweist 750.000 Euro an Briefkastenfirma B.
Firma A muss nur noch Steuern in Deutschland für 250.000 Euro zahlen.

Jochen
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Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #1: April 05, 2016, 10:33:15
Ich glaube: Ja, wenn die Firma B einen realen Grund für die Rechnung (Dienstleistung, Warenlieferung etc.) liefert.
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Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen." -- Schiller
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #2: April 05, 2016, 12:40:47
...wenn die Firma B einen realen Grund für die Rechnung (Dienstleistung, Warenlieferung etc.) liefert.

Und genau an diesem Punkt kommen die Finanzämter nicht weiter.
Die Firmen und Behörden in den Steueroasen geben keine Informationen heraus und damit war's das mit der Ermittlungstätigkeit des Steuerprüfers.

Ein kuriose Nummer. Jeder weiß, warum das Geld in Steueroasen „geparkt“ wird, aber niemand kann dagegen vorgehen.
Und wenn's die ersten Industriebetriebe oder Mittelständler betrifft, dann höre ich jetzt schon schon Argument „Arbeitsplätze“...
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #3: April 05, 2016, 12:51:12
...wenn die Firma B einen realen Grund für die Rechnung (Dienstleistung, Warenlieferung etc.) liefert.

Und genau an diesem Punkt kommen die Finanzämter nicht weiter.
Die Firmen und Behörden in den Steueroasen geben keine Informationen heraus und damit war's das mit der Ermittlungstätigkeit des Steuerprüfers.

Zu meinem Beispiel.

Wenn Briefkastenfirma B an eine Firma A eine Rechnung über "750.000 Euro" wegen Dienstleistung ausstellt, kann man das doch prüfen / lassen.
Wenn Briefkastenfirma B an eine Firma A eine Rechnung über "750.000 Euro" wegen Hardware ausstellt kann man das doch prüfen / lassen.

Wenn ich hier in Deutschland eine Handwerkerrechnung bei der Steuererklärung angebe um die Steuerlast etwas zu reduzieren, kann das Finanzamt doch auch prüfen ob die Heizung eingebaut wurde.

Oder?

Jochen
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Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #4: April 05, 2016, 13:22:06
Genau darum wird auch selten richtige Hardware - im allgemeinen Sinne - gehandelt, sondern Dienstleistungen, Lizenzgebühren usw.

Was ist das Recht, die Marke hier in Deutschland zu führen, für die hiesigen Filialen wert? Da wird es schwierig.
Oder man kauft die konzerneigenen Flugzeugflotte eben nicht direkt, sondern durch einen Briefkastenfirma und lässt sich dann teuere Charterrechnungen ausstellen.
Usw.


Briefkastenfirmen haben aber noch viele andere Funktionen. Das zeigen ja jetzt exemplarisch die Panama Papers.

So lässt sich z.B. ein Rennfahrer nicht direkt bezahlen, sondern über Panama, warum auch immer.
Der andere, ein Manager, verschleiert den Besitz einer Villa, warum auch immer. Zahlt aber trotzdem alle Steuern.
Der Diktator schafft einfach ganz traditionell seine Altersvorsorge außer Landes, ohne das es gleich auffällt.
Und der andere umgeht damit UN-Sanktionen.
Andere verschleiern über komplizierte und weitgehend anonyme Konstrukte die Herkunft des Geldes aus Verbrechen.
Und ich wette, die Geheimdienste und Konsorten wickeln viele Geschäfte auch so ab.

In Panama und co. wiederum fungieren schlecht bezahlte Menschen als Direktoren oft tausender Firmen.

Ich meine, auch vor diesem Datenleck war das Prinzip sattsam bekannt, nur jetzt hat man halt mal viele Namen. Heißt aber nicht, dass sie alle Steuern umgehen wollten oder sonstige Vergehen begingen.
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Beitrag frei Haus geliefert. Frisch von der Apfelinsel.
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #5: April 05, 2016, 13:36:14
Und genau an diesem Punkt kommen die Finanzämter nicht weiter.
Die Firmen und Behörden in den Steueroasen geben keine Informationen heraus und damit war's das mit der Ermittlungstätigkeit des Steuerprüfers.

Hmm, ganz so einfach ist es meiner Meinung nach nicht. Die Firma A macht ja die Zahlung an B als Ausgabe in ihren Büchern geltend und muss die entsprechenden Belege auch aufheben und vorweisen. Und in diesen Beleg steht auch drin, wofür angeblich das Geld geflossen ist. An dieser Stelle muss dann, wie Florian auch Beispiel brachte, kreativ etwas mehr oder weniger glaubwürdiges stehen. Glaubt das Finanzamt das, dann muss man nur auf den niedrigeren Betrag Steuern zahlen, glaubt das Finanzamt das nicht, gibt es richtig Ärger, weil das Betrug wäre.
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Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #6: April 05, 2016, 13:54:42
Hmm, ganz so einfach ist es meiner Meinung nach nicht. Die Firma A macht ja die Zahlung an B als Ausgabe in ihren Büchern geltend und muss die entsprechenden Belege auch aufheben und vorweisen. Und in diesen Beleg steht auch drin, wofür angeblich das Geld geflossen ist. An dieser Stelle muss dann, wie Florian auch Beispiel brachte, kreativ etwas mehr oder weniger glaubwürdiges stehen. Glaubt das Finanzamt das, dann muss man nur auf den niedrigeren Betrag Steuern zahlen, glaubt das Finanzamt das nicht, gibt es richtig Ärger, weil das Betrug wäre.

Da fallen mir Kosten für Unternehmensberatungen ein oder, wie Flo schrieb, kosten für Charter oder Mieten.
Hinzu kommt, dass die Finazämter nicht so heftig prüfen, wie wir uns das denken.
Wenn wir das Finazamt bescheißen, dann mache wir das heimlich und hoffen nicht erwischt zu werden. Die Superreichen und Konzerne machen gar kein Geheimnis aus ihrem Vorhaben, weil sie wissen, dass sie das bessere Personal haben.

mbs

Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #7: April 06, 2016, 08:42:46
Die Superreichen und Konzerne machen gar kein Geheimnis aus ihrem Vorhaben, weil sie wissen, dass sie das bessere Personal haben.

Genau das ist der Punkt: Sie brauchen auch gar kein Geheimnis daraus zu machen, weil das Ganze legal ist. Es ist nur "ethisch zweifelhaft", so dass es aus reinen Marketing-Gründen etwas geheimnistuerisch behandelt wird.

Zu Jochens Beispiel: Je nach Zusammenhang kann dieses Konstrukt auch verwendet werden, um für Firma B Steuern zu sparen. Angenommen Firma B erbringt wirklich eine teure Dienstleistung. Wäre sie in Deutschland, müsste sie dafür 19% Umsatzsteuer (hier: 142.500 Euro) zahlen. Erbringt Firma B diese Leistung jedoch von einem außereuropäischen Standardort aus, ist diese Leistung "nicht steuerbar" und dieser Betrag fällt weg. In der Praxis hängt es von der Art der Leistung ab, ob und in welchem der beiden Länder Umsatzsteuer gezahlt werden muss.
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #8: April 06, 2016, 09:01:02
Genau das ist der Punkt: Sie brauchen auch gar kein Geheimnis daraus zu machen, weil das Ganze legal ist. Es ist nur "ethisch zweifelhaft", so dass es aus reinen Marketing-Gründen etwas geheimnistuerisch behandelt wird.

Bei Firmen wie Daimler sieht es schon aus, wie früher in sozialistischen Betrieben der Täterä, da hängen Plakate mit Schlagworten wie „Fairness“ und was die Compliance sonst noch so alles hergibt.
So gesehen, ist es vielleicht doch etwas mehr, als nur ein ethisches Problem. Auf jeden Fall tun diese Konzerne so, als wäre ihnen die Ethik sehr wichtig.
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #9: April 06, 2016, 09:15:17
Es gibt ja mehrere Konstrukte:

a) Briefkastenfirmen als Alibi, das sind aber alles Luftnummern.
b) Verlagerung in Auslandfirma. Dort werden von realen Menschen reale Dienstleistungen erbracht und seriöse Rechnungen erstellt.
c) Verlagerung in Auslandfirma. Dort werden von realen Menschen reale Dienstleistungen erbracht und unseriöse Rechnungen erstellt.
Dazu ein etwas reißerisches Video.

http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/PanamaPapers-Im-Schattenreich-der-Offs/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=34494244

Jochen
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Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #10: April 06, 2016, 11:34:23
Es gibt ja mehrere Konstrukte:

a) Briefkastenfirmen als Alibi, das sind aber alles Luftnummern.
Das halte ich für ausgeschlossen.
Wenn jemand keine Steuern hinterziehen will und auch legal nichts verschleiern will, gründet er keine Briefkastenfirma.
Irgend was ist also immer mindestens moralisch nicht in Ordnung (jedenfalls denkt das der Gründer der Briefkastenfirma).

Es gibt ja mehrere Konstrukte:
b) Verlagerung in Auslandfirma. Dort werden von realen Menschen reale Dienstleistungen erbracht und seriöse Rechnungen erstellt.
Das wäre dann aber keine Briefkastenfirma, wie wir sie gerade diskutieren.

c) Verlagerung in Auslandfirma. Dort werden von realen Menschen reale Dienstleistungen erbracht und unseriöse Rechnungen erstellt.
Das schon eher.


BTW: „Reale Menschen“ stecken auch hinter einer Briefkastenfirma. Nur bekommen die Geschäftsführer dieser Firmen keine entsprechendes Gehalt. Sie sind nur ein billiges Teil des Konstrukts.

Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #11: April 06, 2016, 19:11:43
Eine Briefkastenfirma zeichnet sich ja sprichwörtlich dadurch aus, dass kein Mensch wirklich arbeitet. Sonst wäre es ja nicht nur ein Briefkasten. :)

Konstrukte gibt es viele, und aus Jux und Dollerei macht das keiner. Neben legaler (und natürlich auch illegaler) Steuervermeidung gibt es aber sicher noch ein paar andere legale Gründe. Vielleicht ist es praktischer, wenn man diverse Geschäfte über eine Briefkastenfirma abwickelt anstatt sie über Firmenkonten laufen zu lassen. Auch der Wunsch nach Anonymität ist nicht strafbar und den könnte ich sogar nachvollziehen.
Meistens aber will man sicher bei der Steuer oder bei der Scheidung Geld sparen. :)
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Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #12: April 12, 2016, 17:43:13
Selbstzitat:

Und ich wette, die Geheimdienste und Konsorten wickeln viele Geschäfte auch so ab.

Jawohl:
http://www.sueddeutsche.de/politik/panama-papers-agenten-nutzten-panama-firmen-fuer-cia-1.2945241
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Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Frage zu Briefkastenfirma
Antwort #13: April 03, 2019, 23:55:36
Über eine Milliarde konnten die Finanzämter bisher durch die Panama Papers eintreiben. In Deutschland sind’s ca. 150 Mio. und das meiste Strafzahlungen von Banken.
https://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/finanzen-nach-panama-papers-ueber-eine-milliarde-nachzahlungen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190403-99-660967
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