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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #30: November 13, 2012, 15:28:48
Zu den Fehlerquoten hier aus einem älteren Artikel:
Schwierige Gegenwehr

Interessant daraus:
Das LG Köln hat mal die Akteneinsicht verweigert, weil die Zuverlässigkeit der ermittelten IPs drastisch schlecht war. Die Quote der definitiv nicht zuzuordnenden IP-Adressen (d.h. zu dem fraglichen Zeitpunkt waren die IP-Adressen nicht vergeben) lag bei einigen Verfahren deutlich über 50 Prozent, in einem Extremfall sogar sogar über 90 Prozent.

Da hat die Staatsanwaltschaft das ganze ausgebremst. Heute können die Abfragen direkt gemacht werden und über die Fehlerquoten ist nichts mehr bekannt.

In dem Artikel sind auch noch einige weitere interessante Links.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #31: November 13, 2012, 15:47:23
Macflieger: Wir sind uns doch einig.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass manipuliert wird, denn so oder so ist das Ergebnis davon höchstwahrscheinlich unabhängig. Also hat das vor Gericht logischerweise auch kaum Raum. Wieso sollte Jemand manipulieren, wenn er nichts davon hat?
Und eher sind diese abgemahnten Omas doch gegenproduktiv.

Also kann sich das Gericht auf die technischen Aspekte konzentrieren. Dazu hat es aber weder Zeit noch den Sachverstand. Also orientiert man sich am allgemeinen Erfahrungsschatz und den anderen Prozessen und fertig.

Man braucht nicht glauben, kleine Gerichte wollen genau ermitteln oder gar eine eingespielte Ordnung  umwerfen. Oder das alles 100%-ig bewiesen werden müsste, wie gesagt.

Sind die Fehlerquoten natürlich wirklich so hoch, ist das gängige Prozedere so natürlich ein Skandal erster Güte und nicht nur extrem unangemessen, was es sicherlich schon heute ist. Nicht das Ihr mich falsch versteht. Ich wollte nur mal bisschen beleuchten, was man vor Gericht so erwarten kann.

Ich hoffe auch, dass dies jetzt über weitere Prozesse endlich geklärt wird.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #32: November 14, 2012, 10:28:48
Wieso sollte Jemand manipulieren, wenn er nichts davon hat?
Und eher sind diese abgemahnten Omas doch gegenproduktiv.

Wenn man geschickt manipuliert, trifft man keine Omas ohne Computer und trifft auch keine nicht vergebenen IPs. So ganz als unmöglich abtun, würde ich das nicht.

Zitat
Also kann sich das Gericht auf die technischen Aspekte konzentrieren. Dazu hat es aber weder Zeit noch den Sachverstand. Also orientiert man sich am allgemeinen Erfahrungsschatz und den anderen Prozessen und fertig.

In den Fällen müsste man Sachverstand einholen. Die Programme werden aber nicht geprüft.
Nimm mal den Vergleich zur Verkehrsüberwachung:
Wenn auf einem Film aus einer Kamera nur eine Messung unsinnige Werte hatte, wird alles verworfen. Außerdem werden die mobilen Geräte regelmäßig getestet auf Funktionsfähigkeit und Fehlerrate. Und die Ergebnisse gehen dann in die Wertung mit ein.
Was glaubst Du, was mit einem Messgerät geschieht, was bei Messungen bei über 50% der Fälle direkt offensichtlich falsche Werte anzeigt (z.B. negative Geschwindigkeiten analog zu den IPs, die nicht vergeben sind). Meinst Du, das die anderen Fälle, in denen ein mögliches Ergebnis raus kommt, noch irgendwer berücksichtigen würde und das Gerät nicht ausgemustert würde?
Die Situation ist in anderen Fällen eben doch völlig anders.

Zitat
Sind die Fehlerquoten natürlich wirklich so hoch, ist das gängige Prozedere so natürlich ein Skandal erster Güte und nicht nur extrem unangemessen, was es sicherlich schon heute ist.

Die Beispiele des LG Köln kann man wohl als sicher voraussetzen. Heutzutage bekommst Du derartige Zahlen nicht mehr, weil sie nicht mehr zur IP-Ermittlung übers Gericht gehen müssen.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #33: November 14, 2012, 14:26:02
Wenn man geschickt manipuliert, trifft man keine Omas ohne Computer und trifft auch keine nicht vergebenen IPs. So ganz als unmöglich abtun, würde ich das nicht.

Nein, nicht unmöglich, aber hinreichend unwahrscheinlich.
Das will ich ja verdeutlichen: 100% sind eben nicht möglich und auch nicht gefordert.

Zitat
In den Fällen müsste man Sachverstand einholen. Die Programme werden aber nicht geprüft.

Ja, schlecht.
Es ist halt nur eben so, dass nicht ein Gericht sich gegen den Trend stellen wird bzw. das sehr selten der Fall ist. Ich will das ja nicht verteidigen, nur realistisch darlegen, wie der Hase läuft.

Zitat
Nimm mal den Vergleich zur Verkehrsüberwachung:
Wenn auf einem Film aus einer Kamera nur eine Messung unsinnige Werte hatte, wird alles verworfen. Außerdem werden die mobilen Geräte regelmäßig getestet auf Funktionsfähigkeit und Fehlerrate. Und die Ergebnisse gehen dann in die Wertung mit ein.

Naja, theoretisch ist das vielleicht so vorgeschrieben. Was dann praktisch passiert, ist wieder eine andere Sache.


Zitat
Was glaubst Du, was mit einem Messgerät geschieht, was bei Messungen bei über 50% der Fälle direkt offensichtlich falsche Werte anzeigt (z.B. negative Geschwindigkeiten analog zu den IPs, die nicht vergeben sind). Meinst Du, das die anderen Fälle, in denen ein mögliches Ergebnis raus kommt, noch irgendwer berücksichtigen würde und das Gerät nicht ausgemustert würde?
Die Situation ist in anderen Fällen eben doch völlig anders.


Was wäre, wenn es keinen Ersatz für diese defekten Geräte gäbe? Würde man dann gar keine Messungen mehr vornehmen, oder sich doch mit dem mangelhaften Status Quo abfinden? Ich denke mal, hier liegt der große Unterschied.

Zitat
Die Beispiele des LG Köln kann man wohl als sicher voraussetzen. Heutzutage bekommst Du derartige Zahlen nicht mehr, weil sie nicht mehr zur IP-Ermittlung übers Gericht gehen müssen.

Es stellt sich halt die Frage, ob die Berichterstattung korrekt ist, und v.a. ob man diese Fehlerquote dann verallgemeinern kann.
Zitat
Bei einigen Verfahren habe „die Quote der definitiv nicht zuzuordnenden IP-Adressen deutlich über 50 Prozent aller angezeigten Fälle gelegen, bei einem besonders eklatanten Anzeigenbeispiel habe die Fehlerquote sogar über 90 Prozent betragen.“ Das Gericht erklärt sich diese Fehlerquote mit „Zuordnungsproblemen durch Schwierigkeiten bei der Zeitnahme.“

Das ist von 2008. Es ist die Rede von „einigen Verfahren“. Das kann man wohl kaum hochrechnen. 
Wie hoch die Fehlerquote nun wirklich ist, würde uns alle brennend interessieren und natürlich hoffe ich auf belastbare Zahlen, irgendwie.

Natürlich passt mir das alles auch gar nicht, muss ich doch wie jeder Internet-Nutzer damit rechnen, irgendwann zu Unrecht beklagt zu werden.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #34: November 14, 2012, 14:44:16
Natürlich passt mir das alles auch gar nicht, muss ich doch wie jeder Internet-Nutzer damit rechnen, irgendwann zu Unrecht beklagt zu werden.

Das ist ja aber nichts Aussergewöhnliches; nichts was jetzt speziell auf diese Thematik oder ganz generell auf das Internet beschränkt wäre. Es kann Dir doch grundsätzlich immer und überall passieren, dass Du zu Unrecht für irgendwas beschuldigt oder beklagt wirst.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #35: November 14, 2012, 14:46:22
Sicher, aber die Wahrscheinlichkeit ist bei unserem Thema hier schon vergleichsweise hoch.

Edit: 2011 waren es wohl noch über 200 000 Abmahnungen. Die sind natürlich noch kein Prozess, aber ärgerlich genug.
« Letzte Änderung: November 14, 2012, 14:51:06 von Florian »
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #36: November 15, 2012, 08:23:14
Wenn man geschickt manipuliert, trifft man keine Omas ohne Computer und trifft auch keine nicht vergebenen IPs. So ganz als unmöglich abtun, würde ich das nicht.

Nein, nicht unmöglich, aber hinreichend unwahrscheinlich.
Das will ich ja verdeutlichen: 100% sind eben nicht möglich und auch nicht gefordert.

Ich glaube, hier haben wir aneinander vorbei geschrieben. Ansonsten verstehe ich Deine Antwort nicht.
Ich meinte:
Wenn man gut manipuliert (und das ist simpel und einfach), hat man keine so hohen Fehlerquoten, sondern praktisch null. Man würde auch keine Omas oder Urlauber treffen. Es ist absolut simpel, eine eigene Liste von IPs zu erhalten, die keine so haarsträubenden Fehler enthält, sondern zu dem Zeitpunkt nur tatsächlich vergebene und genutzte IPs enthält. Die hohe Fehlerquote in Köln zeigt eher, dass sie zu der Zeit noch keine absichtliche Manipulation drin hatten.
Mit "unmöglich abtun" meinte ich, dass man die kriminelle Energie der Kläger nicht schon von vorneherein als nahezu 0 ansehen sollte. Es ist einfach, sehr erfolgversprechend, kaum bis gar nicht nachweisbar und finanziell vorteilhaft.
 
Zitat
Was wäre, wenn es keinen Ersatz für diese defekten Geräte gäbe? Würde man dann gar keine Messungen mehr vornehmen, oder sich doch mit dem mangelhaften Status Quo abfinden?

Glaubst Du das wirklich? Das kann ich mir nämlich nicht vorstellen. Bei einem Messgerät, welches mit einer hohen Quote z.B. negative Geschwindigkeiten ausgibt, würde kein beklagter Autofahrer akzeptieren, dass ausgerechnet seine Messung nun fehlerlos wäre. Und damit würden die zu Recht nicht durchkommen.

Zitat
Es stellt sich halt die Frage, ob die Berichterstattung korrekt ist, und v.a. ob man diese Fehlerquote dann verallgemeinern kann.

Du zweifelst nun die Aussagen des LG Köln an oder was meinst Du?
Ja, Fehlerquoten kann man nicht verallgemeinern. Ist aber doch ein Indiz, dass man derartige Messverfahren auf Fehlerquoten testen muss. Was glaubst Du was passiert, wenn ich mit einem selbstgeschriebenen Programm Daten zu irgendwelchen Verstößen sammele (meinetwegen Kennzeichen von zu schnellen Autos, Namen und Gesichtern von Leuten, die mein Grundstück betreten, IP-Adressen von Leuten, die angeblich einen kostenpflichtigen Dienst von mir genutzt haben=siehe Abofalle)? Glaubst Du ernsthaft, ein Gericht würde diese gesammelten Daten als so beweiskräftig sehen, dass die Beweislast umgekehrt wird und der andere belegen muss, dass er es nicht war?

Zitat
Das ist von 2008. Es ist die Rede von „einigen Verfahren“. Das kann man wohl kaum hochrechnen.

Genau, kann man nicht. Und von 2008, weil dann irgendwann auch die Praxis geändert wurde und es nicht mehr übers Gericht läuft. Und es sind die einzigen Zahlen, die öffentlich bekannt sind. Schon komisch...
 
Zitat
Wie hoch die Fehlerquote nun wirklich ist, würde uns alle brennend interessieren und natürlich hoffe ich auf belastbare Zahlen, irgendwie.

Wirst Du nicht bekommen. Das wollen die Kläger nicht, denn dann könntest Du Dich besser wehren.

Das ist ja aber nichts Aussergewöhnliches; nichts was jetzt speziell auf diese Thematik oder ganz generell auf das Internet beschränkt wäre. Es kann Dir doch grundsätzlich immer und überall passieren, dass Du zu Unrecht für irgendwas beschuldigt oder beklagt wirst.

Der Unterschied ist eben der, dass ich in anderen Fällen deutlich entspannter wäre, da dabei der andere mir ein Verschulden nachweisen müsste.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #37: November 15, 2012, 09:28:58
Ich glaube aber nicht, dass sich vor Gericht die Situation bezüglich Radargerät und IP-Aufzeichnungen wesentlich anders präsentiert. Auch wenn das Radargerät selbst zertifiziert ist (sein muss). Was letztlich dem Gericht vorliegt sind Akten. Und sind die, wenn man kriminielle Energie unterstellen will, nicht in jedem Fall manipulierbar? Zertifizierte Geräte oder Messmethoden ändern daran doch relativ wenig? Der Richter hat ja auch nicht selbst am zertifizierten Gerät abgelesen.

Und die Aufzeichnung von IP-Adressen ist ja nun nicht eine sooo komplexe Anglegenheit, dass es da am Messprinzip selbst oder an der Genauigkeit des Messwertes grosse Zweifel geben müsste und es da gross etwas zu zertifizieren gäbe. Und selbst wenn, wer könnte denn garantieren, dass die Software nach der Zertifizierung nicht veändert worden wäre?

Eine Garantie, dass alles absolut integer abgelaufen ist, gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Es gibt immer nur Indizien, die es abzuwägen gilt. Und sollte da wirklich jemand mit krimineller Energie betrügerisch völlig Unschuldige beklagen, dann wird auch das irgend einmal auffliegen müssen. Aber ja, dass dies geschieht, bevor man selbst Opfer geworden ist, kann natürlich niemand garantieren.

Der Unterschied ist eben der, dass ich in anderen Fällen deutlich entspannter wäre, da dabei der andere mir ein Verschulden nachweisen müsste.

Sorry, aber ich sehe da keinen Unterschied zu anderen Situationen. Die Beweislastumkehr, von der Du immer schreibst, sehe ich nicht. Natürlich muss auch hier der Kläger, wie in jedem anderen Fall auch, Stützen für seine Behauptungen vorbringen. Und das tut er ja auch mit seinen Aufzeichnungen und der Auskunft des Providers. Und Du musst für Deinen Standpunkt Stützen vorbringen. Und wer am Ende glaubwürdiger war, der gewinnt vor Gericht. (Ja, das ist nicht immer der Richtige. Aber so ist das doch immer vor Gericht.)
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #38: November 15, 2012, 09:57:44
Diese blinde Glauben an Beweise, sind bei uns eigentlich nur bei Verkehrsdelikten üblich.
Einer Radarmessung wird immer geglaubt.
Der eine Stadtangestellte oder Polizist richtet die Messanlage falsch ein und der andere tritt als Zeuge auf und bestätigt die Richtigkeit der Messung.

Bei Delikten in anderen Bereichen ist es doch immer ein Aufmarsch von Gutachtern, Gegengutachtern und Gegengegengutachtern, da werden Zweifel an den Beweisen immer großzügig zugelassen. Da reicht es nicht aus, dass ein Gutachter qualifiziert ist ein Gutachten zu erstellen. Bei den Geschwindigkeitsmessungen reicht es aus, dass ein Polizist des Landkreises an einer Schulung teilgenommen hat, die Messanlage ein TÜV-Siegel trägt und fortan sind sämtliche Messungen in Ordnung.

Und nun scheint die Nummer mit den IDs sich in Richtung des Verkehrsrechts zu entwickeln.
Das ist schon etwas eigenartig.

Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #39: November 15, 2012, 10:09:03
Ich glaube aber nicht, dass sich vor Gericht die Situation bezüglich Radargerät und IP-Aufzeichnungen wesentlich anders präsentiert. Auch wenn das Radargerät selbst zertifiziert ist (sein muss).

Ich sehe da schon einen großen Unterschied. Bezgl. der von Dir genannten Probleme, dass auch ein zertifiziertes Gerät fehlerhaft sein kann oder manipulierbar ist, sehe ich es genauso wie Du. Das kann passieren, wobei der finanzielle Anreiz, eine Manipulation zu begehen, deutlich geringer ist.

Die Möglichkeit einer Manipulation war aber nur ein kleiner Teilaspekt. Bei den bekannten Fällen mit Fehlerquote kann man davon ausgehen, dass da keine Manipulation da war, denn so schlecht würde man das nicht machen.

Ein zertifiziertes Messgerät hat aber in der Zertifizierung gezeigt, dass es prinzipiell funktioniert und dabei werden auch Fehlerquoten ermittelt und die gehen mit in die Bewertung der Ergebnisse ein.
Bei der IP-Erfassung wurde nie geprüft, ob sie korrekt funktioniert und bei den wenigen öffentlich bekannten Fällen, die nachvollzogen werden können, sind haarsträubende Fehler.

Zitat
Und die Aufzeichnung von IP-Adressen ist ja nun nicht eine sooo komplexe Anglegenheit, dass es da am Messprinzip selbst oder an der Genauigkeit des Messwertes grosse Zweifel geben müsste und es da gross etwas zu zertifizieren gäbe.

Wie kommt es dann zu den großen Fehlerquoten bei den einzigen öffentlich bekannten Fällen?

Zitat
Eine Garantie, dass alles absolut integer abgelaufen ist, gibt es nicht und kann es auch nicht geben.

Das stimmt und verlangt auch keiner. Aber es muss doch zumindestens abgewogen werden, wie gut eine Methode auch völlig abseits einer Manipulation funktioniert. Und das fehlt.

BTW wie geschrieben, wenn die manipulieren würden, hätte man kaum eine hohe Fehlerquote.

Zitat
Natürlich muss auch hier der Kläger, wie in jedem anderen Fall auch, Stützen für seine Behauptungen vorbringen. Und das tut er ja auch mit seinen Aufzeichnungen und der Auskunft des Providers. Und Du musst für Deinen Standpunkt Stützen vorbringen. Und wer am Ende glaubwürdiger war, der gewinnt vor Gericht. (Ja, das ist nicht immer der Richtige. Aber so ist das doch immer vor Gericht.)

Das stimmt. Nur reicht es in den Fällen normalerweise nicht aus, einfach nur eine Adresse benennen zu können. Die einzige Stütze, die sie haben, ist ein Eintrag in ihrem privaten System mit einer Uhrzeit und einer IP. Wenn ein Händler mir unerwünscht etwas liefert oder eine Dienstleistung erbringt, kann er dann das auch einklagen, weil er in seinem privaten System einen Eintrag mit einer Zeit und einem Telefonnummer/Adresse drin hat? Ich habe schon einmal von debitel eine SIM-Karte bekommen, obwohl ich da definitiv nichts bestellt oder Website aufgerufen habe. Keine Ahnung, wie die an meine Daten gekommen sind. Sie haben sich auch geweigert, das darzulegen. Hätten die jetzt auf Erfüllung des Vertrages klagen können, weil in ihrem privaten System drin steht, MacFlieger hat zu Zeitpunkt X telefonisch/IP/persönliche Nachfrage einen Vertrag abgeschlossen?
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #40: November 15, 2012, 13:07:06
Zitat
Und die Aufzeichnung von IP-Adressen ist ja nun nicht eine sooo komplexe Anglegenheit, dass es da am Messprinzip selbst oder an der Genauigkeit des Messwertes grosse Zweifel geben müsste und es da gross etwas zu zertifizieren gäbe.

Wie kommt es dann zu den großen Fehlerquoten bei den einzigen öffentlich bekannten Fällen?

Wie die einzelnen Fehler zustande kamen weiss ich natürlich nicht bzw. kann es höchsten vermuten. Aber es ist doch so, dass das Aufzeichnen der IP jener Gegenstelle, mit der man in Kontakt ist, an sich kein komplexer physikalischer Vorgang ist, wie dies z.B. eine Geschwindigkeitsmessung ist. Einfach zum Aufzeichnen vorhandener Daten bedarf es doch keiner Zertifizierung. (Zugegeben, Sinn würde sie allenfalls für Mechanismen machen, welche die Nichtmanipulation nach dem Aufzeichnen sicherstellen.)

Natürlich muss man sich bewusst sein, dass die aufgezeichnete IP nicht die des tatsächlichen Gegenübers sein muss, weil sich das tatsächliche Gegenüber eben den im Thread schon erwähnten Verschleierungstechniken wie Proxies und ähnlichem bedienen kann. Aber dem ist doch auch mit irgend einer Zertifizierung der Protokollierungssoftware nicht beizukommen, weil hier die Manipulation eben nicht im Bereich des Klägers stattfindet.

Klar ist, dass die IP-Protokolle nie und nimmer wasserdichte Beweise sein können. Also wäre doch auch eine Zertifizierung, die irgend so etwas suggerieren wollte, völlig sinnlos. IP-Protokolle können gar nichts anderes sein, als Indizien. Die Gerichte können nicht mehr erwarten und erwarten nicht mehr. Und ich gehe davon aus, die meisten Gerichte dürften sich dieser Situation auch einigermassen bewusst sein. Das ganz eingangs erwähnte Urteil deutet doch eigentlich darauf hin.   


Zitat
Das stimmt. Nur reicht es in den Fällen normalerweise nicht aus, einfach nur eine Adresse benennen zu können. Die einzige Stütze, die sie haben, ist ein Eintrag in ihrem privaten System mit einer Uhrzeit und einer IP. Wenn ein Händler mir unerwünscht etwas liefert oder eine Dienstleistung erbringt, kann er dann das auch einklagen, weil er in seinem privaten System einen Eintrag mit einer Zeit und einem Telefonnummer/Adresse drin hat? Ich habe schon einmal von debitel eine SIM-Karte bekommen, obwohl ich da definitiv nichts bestellt oder Website aufgerufen habe. Keine Ahnung, wie die an meine Daten gekommen sind. Sie haben sich auch geweigert, das darzulegen. Hätten die jetzt auf Erfüllung des Vertrages klagen können, weil in ihrem privaten System drin steht, MacFlieger hat zu Zeitpunkt X telefonisch/IP/persönliche Nachfrage einen Vertrag abgeschlossen?

Denke nicht, dass das heftig anders ist, als wenn Du direkt-mündlich oder telefonisch einen Vertrag abschliesst. Oder eben auch nicht. Wasserdichte Beweise gibt es auch da nicht und ein Gericht wird sich im Streitfall auf die glaubwürdigeren Indizien stützen müssen. Und auch da riskierst Du letztlich, für etwas zahlen zu müssen, was Du nicht bestellt hast, wenn der Kläger glaubwürdiger aufgetreten ist.
« Letzte Änderung: November 15, 2012, 13:13:53 von warlord »
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #41: November 15, 2012, 22:37:56
Wenn man gut manipuliert (und das ist simpel und einfach), hat man keine so hohen Fehlerquoten, sondern praktisch null. Man würde auch keine Omas oder Urlauber treffen. Es ist absolut simpel, eine eigene Liste von IPs zu erhalten, die keine so haarsträubenden Fehler enthält, sondern zu dem Zeitpunkt nur tatsächlich vergebene und genutzte IPs enthält. Die hohe Fehlerquote in Köln zeigt eher, dass sie zu der Zeit noch keine absichtliche Manipulation drin hatten.

Interessant, wie denn?
Ohne Mithilfe des Providers scheint mir das unmöglich.

Müssten sich also schon Abmahnwalt bzw. sein Auftraggeber und der Provider verschwören. Oder sehe ich da was falsch?


Zitat
Mit "unmöglich abtun" meinte ich, dass man die kriminelle Energie der Kläger nicht schon von vorneherein als nahezu 0 ansehen sollte. Es ist einfach, sehr erfolgversprechend, kaum bis gar nicht nachweisbar und finanziell vorteilhaft.

Es besteht nur leider nicht mal ein Anfangsverdacht, nur weil es sich an sich lohnen würde. Deswegen wird auch nie ein Gericht dies prüfen, wenn nicht auf anderem Wege solche Manipulationen durchsickern oder enthüllt werden.
Das ist es, was ich meinte. Ein Gericht kann und will nicht alle Eventualitäten abklären.
 Was glaubst Du wie viele Prozesse dort aus Laiensicht nie und nimmer zu einer Verurteilung führen dürften… hat schon seinen Grund, warum Schöffen von den meisten Richtern extrem kurz gehalten werden.


Zitat
Zitat
Was wäre, wenn es keinen Ersatz für diese defekten Geräte gäbe? Würde man dann gar keine Messungen mehr vornehmen, oder sich doch mit dem mangelhaften Status Quo abfinden?

Glaubst Du das wirklich? Das kann ich mir nämlich nicht vorstellen. Bei einem Messgerät, welches mit einer hohen Quote z.B. negative Geschwindigkeiten ausgibt, würde kein beklagter Autofahrer akzeptieren, dass ausgerechnet seine Messung nun fehlerlos wäre. Und damit würden die zu Recht nicht durchkommen.

Und diese Werte bzw. die Listen könnte man nicht manipulieren? Oder der Steuerprüfer nicht mal schnell die Bücher frisieren könnte zum Nachteil des Geprüften? Oder sind Gutachter immer über alle Zweifel erhaben?
Da kann man sich auch allerhand finanzielle Vorteile oder anderen Interessen vorstellen.

Klar, bei 50% falschen Messwerten, wäre da natürlich der ADAC usw. Aber erstmal müsste es ja rauskommen. Und bei 5%?

Zitat
Es stellt sich halt die Frage, ob die Berichterstattung korrekt ist, und v.a. ob man diese Fehlerquote dann verallgemeinern kann.

Du zweifelst nun die Aussagen des LG Köln an oder was meinst Du?[/quote][/quote]

Weiß halt nicht, wie die zu den Zahlen kamen und ob Heise das 100%-ig richtig dargestellt hat.


Zitat
Was glaubst Du was passiert, wenn ich mit einem selbstgeschriebenen Programm Daten zu irgendwelchen Verstößen sammele (meinetwegen Kennzeichen von zu schnellen Autos, Namen und Gesichtern von Leuten, die mein Grundstück betreten, IP-Adressen von Leuten, die angeblich einen kostenpflichtigen Dienst von mir genutzt haben=siehe Abofalle)? Glaubst Du ernsthaft, ein Gericht würde diese gesammelten Daten als so beweiskräftig sehen, dass die Beweislast umgekehrt wird und der andere belegen muss, dass er es nicht war?

Natürlich nicht.
Aber Provider sind keine Privatleute, sondern mehr oder weniger angesehene Firmen mit Eigeninteresse, und sie haben eben den Auftrag, die Daten rauszurücken. Auch wenn sie dafür etwas Geld bekommen, wohl eher eine lästige Übung. Und ihre Kunden verärgern sie damit.

Zitat
Wirst Du nicht bekommen. Das wollen die Kläger nicht, denn dann könntest Du Dich besser wehren.

Könnte man doch recht einfach in technischen Versuchen außerhalb der Justiz messen und so nach und nach die Legitimation solcher Abmahnungen und Klagen unterminieren. Müsste sich halt mal eine schlagkräftige Lobby organisieren.

Wo wir jetzt alle so diskutieren, frage ich mich, wie viele kleine Leute denn eigentlich tatsächlich zu Schadensersatz verurteilt worden?



Übrigens:
Heute urteilte der BGH, dass Eltern nicht automatisch für ihre Kinder haften, sofern sie diese aufgeklärt haben über das Urheberrecht:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/BGH-Urteil-zum-Filesharing-Eltern-haften-bei-Belehrung-nicht-1750863.html
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #42: November 16, 2012, 13:54:14
Heute urteilte der BGH, dass Eltern nicht automatisch für ihre Kinder haften, sofern sie diese aufgeklärt haben über das Urheberrecht:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/BGH-Urteil-zum-Filesharing-Eltern-haften-bei-Belehrung-nicht-1750863.html

Dazu äußerste sich der Rechtsvertreter der Musikindustrie folgendermaßen:
Zitat
Während früher „auch mal eine Ohrfeige nicht geschadet“ habe, würden Kinder heute an freier Leine laufen gelassen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/musiktausch-im-internet-eltern-haften-nicht-fuer-raubkopien-ihrer-kinder-11961702.html

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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #43: November 16, 2012, 15:41:28
Womit er nicht Unrecht hat. Die Ohrfeige muss es ja nicht gerade sein. Aber dass eine kosequenzenlose Erziehung nicht gut kommt, zeigt sich doch heute an allen Ecken und Enden. Nicht nur beim Pfeifen auf geistiges Eigentum.
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Re: Beweiskraft von Filesharing-Anklagen
Antwort #44: November 16, 2012, 18:08:20
Er kritisiert damit aber das Urteil des BGH und zielt dabei auf die Eltern. Falscher Adressat.
Zum anderen kann man sich ungeschickter gar nicht äußern, ist ja klar, dass jetzt der natürlich etwas verwegene Umkehrschluss konstruiert wird: Er fordere körperliche Züchtigung.

Und das mit den vielen Zahlen ist ja scheinbar wirklich nicht so einfach. ;)
http://www.heise.de/newsticker/meldung/US-Marktforscher-verrechnen-sich-bei-Filesharing-Effekten-1751902.html
« Letzte Änderung: November 16, 2012, 18:49:22 von Florian »
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