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Der nahe Osten ...
Februar 01, 2011, 20:07:46
Da ja auch hier …

Was meint Ihr wie sich die politische Lage in den arabischen Staaten verändern wird ?
Mehr in Richtung Islam
Mehr in Richtung nicht Islam.

Falls Mubarak aufgibt, wird dies gewiss ein Signal für die in anderen Staaten protestierenden Menschen sein.

Gaddafi wird wohl auch bangen ;-)

Ob allerdings das Fehlen eines Gegenparts gut ist ?  Wer weiss ? Der Niedergang des Kommunismus hat nicht nur Vorteile.

Jedenfalls ist es spannend Geschichte zu erleben.

Jochen
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Florian

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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #1: Februar 01, 2011, 23:42:35
Man kann natürlich nicht wissen, was passiert. Ich versuche mal einen Überblick.

Mubarak ist Geschichte, soweit würde ich aber schon vorhersagen wollen. Er will ja noch die Amtszeit absitzen - das wird nichts. Ich frage mich ja immer, was das soll. 30 Jahre via Ausnahmezustand regiert, im Mai wird er 83, die Milliarden dürften doch schon lange gut angelegt sein ausser Landes. Das sein Sohn ihn nicht mehr beerben wird wie geplant ist auch klar. Warum packt er nicht seine Koffer?



Auf jeden Fall ist wichtig: Die Länder unterscheiden sich extrem. Die Medien wollen jetzt schon einen Bogen spannen von Tunis bis Sanaa.

Gerade der Jemen bereitet allerorts große Kopfschmerzen. Das Land ist schon lange sehr unruhig, die Bevölkerung extrem jung (stark wachsend) und die Armut riesengroß. Der „perfekte“ Cocktail für schlimme Entwicklungen, wie uns Geschichte und Gegenwart lehren. Zudem sind die Animositäten innerhalb des Landes schon in den letzten Jahren stetig gewachsen. Ein „failed state“ Jemen gegenüber Somalias könnte ein Hotspot der Weltpolitik werden.

Für Tunesien bin ich recht optimistisch. Ich denke auch ein Erfolg der Demokratie hätte starke Auswirkungen auf die anderen Maghreb-Staaten. Libyen klammere ich einmal aus. Ein demokratischeres, dynamischeres, reicheres Nord(west)afrika wäre für Europa natürlich eine Art Lottogewinn. Hier muss wirklich alles unternommen werden, was uns möglich ist. Aber ich fürchte man starrt wieder mal orientierungslos auf die Szenerie. EU-Außenpolitik ist ja oft nur eine Lachnummer. 

In Ägypten halte ich eine Liberalisierung für wahrscheinlich, wie weit sie gehen wird - die große Frage. Einen Fall in die Militärdiktatur oder eine Theokratie muss man m.E. nicht erwarten. Die viel gefürchteten Muslimbrüder stehen erstmal selber vor Richtungsentscheidungen, welche die Bewegung zerreißen könnten.

Assad/Syrien erscheint mir sattelfester. Hier fürchte ich sehr die Eröffnung einer Auslandsfront, um Dampf abzulassen. Im Libanon ist ja schon angerichtet.

 
Was meint Ihr wie sich die politische Lage in den arabischen Staaten verändern wird ?
Mehr in Richtung Islam
Mehr in Richtung nicht Islam.

Das ist teilweise zu beantworten: Insofern es zu einem Mehr an Demokratie geben sollte, wird es auch mehr politischen Islam geben. Den meinst Du ja wohl.
Das muss uns aber nicht gleich immer Angst einflößen.


Und hier muss man einfach mal auf die Türkei kommen. Dort regieren schließlich auch „Religiöse“. Sicher ist dort nicht alles gut, aber doch sehr viel besser als in den arabischen Staaten. Es gibt eine legale Opposition, die ihre Bedeutung eher selbst minimiert hat als das es durch irgendwelche autokratische Methoden des Regimes geschehen wäre. Die Presse ist ziemlich frei.
Weder die Nato-Mitgliedschaft wurde in Frage gestellt noch wird das Land massiv islamisiert - auch wenn man gewisse Tendenzen sicher unterstellen kann. In Frage Menschenrechte wurden große Fortschritte gemacht, mehr als die vormaligen Regierungen in Jahrzehnten zustande gebracht hatten.

Und die Wirtschaft boomt! Das wurde auch im arabischen Raum bemerkt. Irgendwie scheint es also doch auch besser zu gehen, ohne die Traditionen aufzugeben. Das man den Anschluss ans 21. Jahrhundert verloren hat, wissen die Leute. Ganz ähnlich wie vor 20 Jahren, und doch ganz anders.

Jedenfalls ist es spannend Geschichte zu erleben.

Definitiv. Aber wie heißt dieser chinesische Wohlspruch? „Mögest Du in langweiligen Zeiten leben“.


Ich gebe zu bedenken:
Iran 2009 („grüne Revolution“), Libanon 2005 („Zedernrevolution“) - da schrieben unsere Medien sich auch die Finger wund, da würde sich was ändern… Ukraine („orangene Revolution“) und so weiter, und so fort, viel zu oft wird zu früh gefeiert.
Und: Auch 1989/90 brachte neben vielen wunderbaren Entwicklungen leider auch demokratische Misserfolge und sogar Krieg und Völkermord.

Aber natürlich geht mir regelrecht das Herz auf, wie hier die Menschen auf die Strasse gehen, für Freiheit und auch Wohlstand. Trotz Risiken für Leib und Leben.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #2: Februar 01, 2011, 23:52:44
Handy-Nachrichten via Googledienst in Twitter. So können die Menschen aus Ägypten Botschaften absetzen. Endlich mal eine klare Ansage der oft gescholtenen Fimen. Gute Sache finde und wollte dies nur kurz mit einfügen.

http://www.nordbayern.de/nuernberger-zeitung/google-unterstutzt-opposition-in-agypten-1.473729
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #3: Februar 03, 2011, 17:08:40
Ich denke mal.

Taktik Mubarak.

Lass sie ruhig gegen mich demonstrieren, solange die das friedlich machen passiert eh nix.

Irgendwann geht denen der Atem aus.

Deswegen wird von offizieller Seite die Gewalt der Pro Mubarak Demonstranten verurteilt.

Jochen
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #4: Februar 09, 2011, 17:29:10
Der Westen fällt Ägyptens Oppositionellen in den Rücken


Sehr guter Artikel der Tagesschau.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #5: Februar 09, 2011, 18:18:35
Finde ich weniger.

Was soll den der Westen eigentlich genau machen?
Sanktionen treffen v.a. die Menschen - völkerrechtliche Grundlage gibt es dafür wohl auch nicht. Einstellung der Hilfszahlungen? Also einen treuen Verbündeten im Regen stehen lassen? Könnte man machen - stellt sich die Frage, was andere Verbündete so davon halten.

Soll ein Politiker anreisen und vor den Massen sprechen, wie der Schreiber meint… geht es noch unrealistischer? Eine solche Einmischung wäre wirklich beispiellos. Und soll die Demokratiebewegung mit dem Stigma der Ferngesteuerten beglückt werden?

Edit: Und wenn westliche Politiker ihre Interessen deutlich formulieren - ist das nicht ein Fortschritt? Besser jedenfalls als so zu tun, als würde man Demokratie über alles stellen. Es ist nun mal ein Balanceakt. Fällt Mubarak bzw. Kamarilla doch nicht, was dann?

Klar würde ich mir selbst mehr Unterstützung für die Demokratie in aller Welt wünschen, „Realpolitik“ ist oft zynisch und unappetitlich. Aber so einfach wie der Autor sollte man es sich nicht machen.
« Letzte Änderung: Februar 09, 2011, 18:23:22 von Florian »
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #6: Februar 09, 2011, 21:43:46
Finde ich weniger.

Was soll den der Westen eigentlich genau machen?
 

Die Sache der Demonstranten gut heißen! Und Mubarak nicht unterstützen. Die beiden Dinge würden schon viel helfen. Da passiert in einem solchen Land endlich das, was oft gewünscht wird - ist es dann soweit, wird gehadert und taktiert. Allen voran die USA können ohne ihren eigenrn Einfluss aber schon gar nichts akzeptieren.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #7: Februar 10, 2011, 01:11:38
Die Sache der Demonstranten gut heißen!

Also z.B. sagen, ihre Demonstrationen seien verständlich, dürften nicht gewaltsam beseitigt werden und Ägypten müsse in Eigenverantwortung den Weg zur Demokratisierung einschlagen?
All das ist schon geschehen.

Aber vor allem: Was ist denn „die Sache“ der Demonstranten? Das ist nun mal nicht so einfach zu beantworten - ausser, dass Mubarak weg soll. Aber ist das sinnvoll? Da gibt es eben verschiedene Ansichten. Fände es generell merkwürdig, wenn Staatsoberhäupter anfingen, den Rücktritt anderer Staatsoberhäupter zu fordern.
Und bei aller Sympathie: Wer sagt denn, dass die Demonstranten auch die Mehrheit hinter sich haben?

Ein geordneter, gebremster Prozess erscheint da doch irgendwie angebracht. Aber natürlich ist wieder so, dass dieser dem Regime wahrscheinlich in die Karten spielt.




Zitat
Und Mubarak nicht unterstützen. Die beiden Dinge würden schon viel helfen. Da passiert in einem solchen Land endlich das, was oft gewünscht wird - ist es dann soweit, wird gehadert und taktiert.

Ich meine auch, man könnte mehr wagen. Aber das Ganze ist doch wirklich eine äußerst diffizile Angelegenheit. Neulich flog noch der französische Premier im Urlaub quer durch Ägypten auf Rechnung der ägyptischen Regierung. Nur mal ein Beispiel, wie eng man war. Eine 180°-Wende wäre zu all dem Risiko doch auch ziemlich unglaubwürdig und was bringt's wem? Der ägy. Opposition den Hauch der Fremdbestimmung, „dem Westen“ womöglich nur Scherereien.

Zitat
Allen voran die USA können ohne ihren eigenrn Einfluss aber schon gar nichts akzeptieren.

Der Autor fordert u.a., sie sollen endlich mehr Einfluss nehmen. :)

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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #8: Februar 11, 2011, 18:41:52
Mubarak ist zurückgetreten!

Die Macht übernimmt das Militär. Hoffentlich nur vorläufig.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #9: Februar 11, 2011, 19:04:28
Ich glaube da machen sich viele Ägypter falsche Hoffungen.

Das Militär hat die Macht übernommen und das Volk freut sich. ???

Florian

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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #10: Februar 11, 2011, 19:11:44
Die Armee hat in Ägypten ein gutes Image, nicht so verstrickt zu sein ins Regime… oje, dass kennen wir doch auch irgendwie. :)

Es ist natürlich fragwürdig, ob sie wirklich die Demokratisierung einleiten. Andererseits scheint es ja sehr so, als wäre der Streit innerhalb der Führung jetzt entschieden. Das Militär kann ohne Soldaten auch nichts machen, und das sich auch anderswo nicht genug Schläger auftreiben lassen, haben wir ja auch gesehen.

Ob die neuen Bewegungen aber auch die Fähigkeit haben, in einem langwierigen, intransparenten Prozess ihre Interessen durchzubringen, müssen wir erst sehen. Bisher wurden sie ja trotz aller warmen Worte völlig ignoriert, verhandelt wurde nur mit der Altopposition, die sicher leichter zu befriedigen sein dürfte. Schließlich sind da viele alte Kämpen müde und haben Lust auf einen Platz an der Geldpipeline. Oder ist in Ägypten alles anders? Wir werden es bald schon wissen.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #11: Februar 22, 2011, 15:38:59
Nun also (doch) Libyen. Leider kann man kaum Genaues sagen, da eine unabhängige Berichterstattung unmöglich ist. Aber eins scheint sicher: Viele Tote und Verletzte.
Jetzt ist auch noch der Flughafen von Bengasi lahmgelegt, die Stadt befindet sich angeblich in den Händen der Aufständigen. Mehrere Clans haben der Zentralregierung die Gefolgschaft aufgekündigt und drohen mit einem  Lahmlegen der Ölförderung. 

Man könnte also meinen Gaddafi ist am Ende. Aber er hat das gesamte Militär mit seinen Verwandten und engen Vertrauten durchsetzt und ist offensichtlich fest entschlossen, den Aufstand gewaltsam zu beenden.
Geld und Waffen hat er auch genügend, vom Ausland lässt er sich sowieso nicht reinreden, auch Erfahrung als Geächteter hat er genügend und gefiel sich lange in der Rolle.

Man muss leider einen langen Bürgerkrieg fürchten, in dem sich die verschiedenen Clans und Ethnien die Köpfe einhauen.
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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #12: Februar 22, 2011, 16:32:14
Wie sich die Abläufe ähneln

Leaks reported by al-Arabiya TV suggest Col Gaddafi will announced major political reform in his televised speech, which is expected shortly.

Quelle: http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12307698

Jochen

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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #13: Februar 22, 2011, 18:16:19
Interessanterweise gibt es hier zu aktuell erlebter Geschichte wenig feedback. Woran das wohl liegt ?

Überfordert  ;D

Jochen
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Florian

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Re:Der nahe Osten ...
Antwort #14: Februar 23, 2011, 15:46:54
Vielleicht sind unsere Beiträge nicht interessant genug? ;D

Vielleicht haben aber viele Leute nur keine Lust, sich auch noch in einem (überwiegend) Mac-Forum über das Weltgeschehen zu unterhalten? Könnte ich verstehen. Zumal man hier ja keine Insideransichten findet sondern (bisher) nur das, was man überall liest.
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