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"Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
April 21, 2009, 16:41:43
Dreimal beim Filesharing erwischt - Internetverbot! Was in Frankreich seit längerem diskutiert wird, könnte bald EU-Richtlinie werden. Merkwürdigerweise bekommt man davon bei uns fast nichts mit...

Nachdem nun der Internetzensur-Thread duchaus auf geteilte Meinung stößt, sollte diese Art der Zensur nicht weniger Beachtung zu Teil werden.

Mehr dazu in der TAZ
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«Das Internet? Gibt's diesen Blödsinn immer noch?»  (Homer Simpson)
Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #1: April 21, 2009, 19:51:13
Das fällt für meinen Geschmack in die gleiche Kategorie. Mit einem rechtswidrigen Umstand wird eine überzogene Maßnahme unter das Volk gebracht.
Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #2: April 21, 2009, 20:27:21
Die Meldung ist ja nun nicht so ganz aktuell. Und letztlich ist das französische Gesetz ja eben gescheitert. Frankreich führt die Massnahme also (zumindest vorläufig) nicht ein.

Ich persönlich konnte die Aufregung darum nicht so ganz verstehen und hätte die Stossrichtung durchaus begrüsst. Es ging hier ja nicht um irgendwelche präventiven Massnahmen gegenüber mehrheitlich Unschuldigen, sondern um Sanktionen für wiederholte Gesetzesverstösse. Dass eine nahe am Delikt stehende Strafe wirksamer ist zeigt sich ja z.B. bei notorischen Rasern. Die reagieren weit sensibler auf die Verschrottung ihrer hochgezüchteten Karossen, als auf Geldbussen. Was so schlimm daran wäre, sich diese Erkenntnis auch im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen (grösseren Ausmasses) zu Nutzen zu machen, erschliesst sich mir noch nicht so ganz.
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #3: April 21, 2009, 22:37:31
Die Frage ist halt nur, ob ein Internetzugang heutzutage nicht zur Informationsfreiheit zählen sollte. Mal davon abgesehen, dass viele Menschen ihn beruflich benötigen.
Auto verschrotten? Gibt es das in der Schweiz? Fände ich sehr merkwürdig, wird hier doch ein Sachwert von nicht gerade kleinem Ausmaß vernichtet. Um nicht zu sagen ein paar tausend Tagessätze…
In Deutschland kann man nur den Führerschein verlieren, zumeist nicht auf Dauer. Und satte Geldstrafen gibt es natürlich auch. Finde ich angemessener und ebenso zielführend. Auch wenn - siehe oben - das Auto beruflich benötigt werden sollte. Weil mit Raserei gefährdet man andere Verkehrsteilnehmer. Mit dem Saugen von Musik wohl weniger.

Wieso dreht man nicht endlich die Sache um und macht eine Pauschale für Breitbandanschlüsse? Damit würde man Millionen Menschen aus der Kriminalität holen und die Urheber bekämen trotzdem ihren Kuchen. Klar, dann müsste auch der zahlen, der nie was illegal lädt, aber das stört bei sonstigen Gema-Abgaben ja auch niemanden.
Oder man macht es volumenabhängig. Das wäre immerhin einen Tick treffender.
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Beitrag frei Haus geliefert. Frisch von der Apfelinsel.
Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #4: April 21, 2009, 23:10:06
Die Frage ist halt nur, ob ein Internetzugang heutzutage nicht zur Informationsfreiheit zählen sollte.
Selbst wenn er das tut, wo ist das Problem? Jede verhängte Strafe besteht nunmal aus dem vorübergehenden Einschränken einer Freiheit. Und das Einschränken einer Freiheit die "näher am begangenen Delikt liegt", dürfte wirksamer sein, als das einschränken von finanziellen Freiheiten. Letzteres erweist sich in vielen Fällen immer wieder als wenig wirksam (die einen juckts nicht, die anderen können es sowieso nicht zahlen oder es zahlt es via Fürsorge gleich die Allgemeinheit selbst).

Zitat
Mal davon abgesehen, dass viele Menschen ihn beruflich benötigen.
Yep, ist beim Führerscheinentzug das selbe, oder?

Zitat
Auto verschrotten? Gibt es das in der Schweiz?
Nein, in der Schweiz war es schätzungsweise erst Thema, ist aber meines Wissens noch nirgendwo Gesetz (ohne Garantie). Z.B. in Australien gibt es aber meines Wissens diese Möglichkeit für die unbelehrbaren krassen Fälle schon.

Zitat
Weil mit Raserei gefährdet man andere Verkehrsteilnehmer. Mit dem Saugen von Musik wohl weniger.
Da bietet sich ein kleiner Seitenhieb jetzt geradezu an ( ;)): Wir in der Schweiz sind uns in letzter Zeit eigentlich eher gewohnt, dass man in unserem Norden finanzielle Delikte als dramatischer einstuft, als körperliche.  ;)

Zitat
Wieso dreht man nicht endlich die Sache um und macht eine Pauschale für Breitbandanschlüsse?
Das liefe dann wieder auf die Giesskannenverteilung raus. Bin ich gar kein Fan davon. Und den Obulus müsste dann auch wieder jeder abdrücken, selbst dann, wenn sein kompletter Traffic aus nicht von Urheberrechten betroffenem Content besteht. Auch nicht wirklich fair.

Nachtrag:
In Deutschland kann man nur den Führerschein verlieren, zumeist nicht auf Dauer. Und satte Geldstrafen gibt es natürlich auch. Finde ich angemessener und ebenso zielführend.
Dazu habe ich eben noch ein interessantes Interview mit einem "Verkehrs-Rowdy Therapeuten" gefunden:
http://www.tcs.ch/main/de/home/der_tcs/zeitung/mobilitaet/gefaengnis_wuerde.html
(Auch wenn ich bezüglich Wirksamkeit von Therapien doch etwas skeptischer bin als er, finde ich einige Aussagen schon interessant.)
« Letzte Änderung: April 21, 2009, 23:27:00 von warlord »
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Florian

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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #5: April 21, 2009, 23:50:22
Selbst wenn er das tut, wo ist das Problem? Jede verhängte Strafe besteht nunmal aus dem vorübergehenden Einschränken einer Freiheit.

Ja. Aber wo ist die Verhältnismäßigkeit? Die scheint mir da etwas kurz zu kommen. Immerhin ist illegales Saugen von urheberrechtlich geschützten Werken in weiten Teilen der Gesellschaft - trotz aller  Bemühungen der Content-Industrie - als Bagatelldelikt angesehen. Sollte es nicht so sein, dass die Gesellschaft die Normen formt und nicht die Normen die Gesellschaft?
Nun habe ich da aber keine belastbaren Daten. :) Vielleicht ist die Gesellschaft auch mehrheitlich für eine solche Maßnahme.

Zitat
Und das Einschränken einer Freiheit die "näher am begangenen Delikt liegt", dürfte wirksamer sein, als das einschränken von finanziellen Freiheiten.

Mag sein, aber in diesem Falle? An Raubkopien kommt man doch auch mit einem zu Hause gesperrten Internetzugang noch recht bequem heran…
Onlinebanking oder die Suche nach Informationen über sehr private Sachen wird man dagegen eher weniger bei Freunden oder per fremden Hotspot regeln wollen. Die Einschränkung scheint mir also weniger treffend als man meinen könnte.

Zitat
Letzteres erweist sich in vielen Fällen immer wieder als wenig wirksam (die einen juckts nicht, die anderen können es sowieso nicht zahlen oder es zahlt es via Fürsorge gleich die Allgemeinheit selbst).

Könnte man doch über Tagessätze regeln und Alimentierte müssen halt soziale Arbeit leisten. Oder alle arbeiten sozial. Das träfe den rasenden Manager sicher schwerer als den Arbeitslosen.

Zitat
Da bietet sich ein kleiner Seitenhieb jetzt geradezu an ( ;)): Wir in der Schweiz sind uns in letzter Zeit eigentlich eher gewohnt, dass man in unserem Norden finanzielle Delikte als dramatischer einstuft, als körperliche.  ;)

Sehr gut. :D
Stimme Dir übrigens zu, es ist eine blödsinnige Propaganda-Aktion, die ablenken soll von den wahren Problemen. Außerdem bin ich strikt gegen diese Art von aufoktroyierten Gesetzesänderungen.
Komisch das gegen Völkermörder und andere Dreckschweine meistens nicht annähernd so engagiert gekämpft wird.

Zitat
Das liefe dann wieder auf die Giesskannenverteilung raus. Bin ich gar kein Fan davon. Und den Obulus müsste dann auch wieder jeder abdrücken, selbst dann, wenn sein kompletter Traffic aus nicht von Urheberrechten betroffenem Content besteht. Auch nicht wirklich fair.

Nicht wirklich fair, stimmt. Aber wenn ich Videokassette, CD/DVD-Rohling, Scanner, Drucker, Kopierer, iPod kaufe, interessiert diese Frage ja auch niemanden, ein Anteil des Preises geht an die Verwertungsgesellschaften.
Mittlerweile muss man in Deutschland sogar Fernsehgebühren zahlen, wenn man gar keinen Fernseher oder Radio mehr hat, sondern nur noch einen „internetfähigen PC“.
Wo bleibt da die Einzelfallgerechtigkeit?

Ich sehe schon den grundsätzlichen Einwand, aber es ist nicht so, als würde man hier Neues einführen. Vielmehr wäre es die logische Fortführung der üblichen Praxis - sicher mit Vor- und Nachteilen, aber wirklich schlechter als der Ist-Zustand?
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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #6: April 22, 2009, 00:35:49
Die Meldung ist ja nun nicht so ganz aktuell.

In den gängigen Medien ist davon aber bisher noch nichts aufgetaucht. Das finde ich durchaus bemerkenswert, da diese Idee als EU-Gesetzt diskutiert wurde.

Das die Franzosen diesmal wieder einen englischen Begriff wählen, macht mich schon stutzig. Die sind doch sonst so gegen Anglizismen.
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Florian

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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #7: April 22, 2009, 02:21:21
Also, ich hatte es auch schon irgendwo gelesen, aber große Wellen schlug es nicht.

Ist halt immer so eine Sache. Ich habe den Eindruck ARD/ZDF/die meisten Zeitungen bringen immer nur Meldungen über Deutschland oder wenn woanders etwas schon passiert ist. Tiefergehende Diskussionen finden eh kaum noch statt oder wenn dann über irgendeinen Firlefanz (Absichtserklärungen von Politikern etc.).
In anderen Worten: Sie werden ihrem Anspruch nur noch selten gerecht.

Oft wird ja die Politikverdrossenheit beklagt, von Journalisten, aber das sie selbst daran einen Anteil haben, sehen die wenigsten.
Nur ein Beispiel der Presseclub (ARD), früher einmal der Internationale Frühschoppen, eine wunderbare Sendung zwischen Stammtisch und internationaler Diskussionsrunde - nun nur noch die immer gleiche Runde, die über die immer gleichen innenpolitischen Themen labert.
Da ist man ja froh, wenn im Ersten Skifahren kommt, dann wird wenigstens der internationale Anspruch wieder halbwegs befriedigt - sofern man Phoenix empfängt.
Über Frankreich wird man noch ganz gut auf Arte informiert, logisch.

Ansonsten bleibt nur noch Zeit nehmen und eine Qualitätszeitung durchackern, wofür 90% der Bevölkerung nicht den Willen oder die Zeit haben. Und darum gibt es auch bald keine Qualitätszeitungen mehr, habe ich den Eindruck. Soll aber kein Vorwurf an Irgendjemanden sein, mir geht es zunehmend auch so.
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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #8: April 22, 2009, 07:44:05
Aber wenn ich Videokassette, CD/DVD-Rohling, Scanner, Drucker, Kopierer, iPod kaufe, interessiert diese Frage ja auch niemanden, ein Anteil des Preises geht an die Verwertungsgesellschaften.
Mich interessiert und ärgert das schon. Genau darum habe ich meinen neusten iPod auch in den USA beschafft, ohne einen solchen Giesskannenalimentationszuschlag.  :)

Das die Franzosen diesmal wieder einen englischen Begriff wählen, macht mich schon stutzig. Die sind doch sonst so gegen Anglizismen.
Haben sie nicht. Deutsche (und englischsprachige) Berichterstatter haben diesen Begriff gewählt. Den findest Du in Frankreich kaum je.  ;)

Edit: Typo
« Letzte Änderung: April 22, 2009, 07:52:04 von warlord »
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Re: "Three strikes" - Frankreich will Filesharing-Nutzer Zugang verbieten
Antwort #9: Mai 13, 2009, 08:51:14
Die Meldung ist ja nun nicht so ganz aktuell. Und letztlich ist das französische Gesetz ja eben gescheitert. Frankreich führt die Massnahme also (zumindest vorläufig) nicht ein.

Da muss ich mich offenbar korrigieren. Nein heisst anscheinend noch nicht nein.
http://www.nzz.ch/nachrichten/international/frankreich_will_hart_gegen_raubkopierer_vorgehen_1.2546032.html
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