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USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Juni 17, 2008, 14:15:55
Wenn ich mir den unten verlinkten Artikel durchlese, frage ich mich, für wie blöd die Amis den Rest der Welt halten? Ich denke hier nur an Geschäftsleute, die halt mit Notebooks um den Globus flitzen müssen.
Ich halte es generell für eine sehr gefährliche Entwicklung. Wo führt das Theater hin? Muss ich bald auch meinen iPod durchsuchen lassen? Vor zwei Jahren war das einreisen mit einem Notebook in die USA noch problemlos.

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Es ist leicht, das Leben schwer zu nehmen, und es ist schwer, das Leben leicht zu nehmen.
(Erich Kästner)
Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #1: Juni 17, 2008, 15:38:10
Habe mich neulich schon über einen ganz ähnlichen Artikel bei Maclife etwas genervt. Halt das für etwas unreflektierte Panikmache. Daran ist nämlich ganz und gar nichts neues.

Seit eh und je pflegen Länder an ihren Grenzen Waren darauf hin zu überprüfen, dass sie den Gesetzen und Vorschriften des Landes entsprechen. Und ja, die Privatsphäre wird bei einer solchen Überprüfung in gewissem Masse verletzt. Und ja, das kann mehr oder weniger unangenehm sein. Es mag dem Reisenden z.B. unangenhm sein, wenn der Zöllner bei der Kontrolle des Koffers auf die mitgeführten Handschellen stösst. Und es mag ihm unangenhem sein, wenn er bei der Kontrolle des Laptops auf die Pornobildchen stösst. Wo aber bitte liegt der Unterschied? Was macht den Laptop heiliger als den Koffer?
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #2: Juni 17, 2008, 16:24:31
Das man auf dem Rechner heutzutage quasi sein gesamtes Leben hat? Von sexuellen Vorlieben, medizinischen Problemen, Bankdaten bis Konsumverhalten?
Die Handschellen im Koffer halte ich ehrlich gesagt für an den Haaren herbeigezogen, um zwangsweise einen Vergleich herzustellen.
Du und ich würden vielleicht nicht mit einem so bestückten Rechner verreisen, viele Leute haben aber nur einen oder machen sich einfach keine Gedanken bis es dann soweit ist.

Bei den Geschäftsleuten frage ich mich aber auch, wo der große Unterschied ist. Früher wurden die Koffer doch auch geöffnet und fleißig kopiert. Das war nun wirklich kein Geheimnis. Und nicht nur in den USA. Blaupausen sowieso.
Ergo versuchte man, sich anders auszutauschen und das ist ja heutzutage wirklich einfacher als damals.

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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #3: Juni 17, 2008, 16:56:13
Von sexuellen Vorlieben, medizinischen Problemen, Bankdaten bis Konsumverhalten?
Das alles kriege ich als Zöllner auch bei "nicht-virtuellen" Kontrollen mit. Und zwar fast unvermeidlich in stärkerem Masse als bei einem Blick in einen Laptop.
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #4: Juni 17, 2008, 16:59:37
Ich halte das auch für unlogisch, daß ein Grenzbeamter ein Tagebuch durchblättern darf, und wahrscheinlich (ich kenne die Vorschriften an der deutschen, oder amerikanischen Grenze nicht) auch eine Photokopie (vom Anschlagplan :P) anfertigen. Warum soll es Black Boxes geben, wo der Staat das nicht darf?

Aber es gibt durchaus eine neue Qualität. Und die liegt

1. darin, daß man per Klapprechner typischer weise viel mehr Privates rumträgt, als ohne. Selber schuld könnte man sagen. Aber sollte sich ein bürgerfreundlicher Staat hier nicht dem Bürger (dem Souverän, also dem Chef ;)) anpassen und darauf Rücksicht nehmen?

2. in der Menge. Nicht mehr einzelne Seiten - bei Verdacht - werden kopiert, sondern es werden vorsorglich - ohne konkreten Verdacht - alle Dokumente in Kopie aufgehoben. Und das vermutlich bei einer stark gestiegenen Anzahl von Personen. Mit technischem Fortschritt und sinkenden Kosten droht ein weiterer drastischer Anstieg der vorsorglich, d. h. zu einem großen Teil überflüssig, erfassten Daten.

3. in der elektronischen Erfassung. Das macht Daten, die früher als zu viel, oder überflüssig gegolten hätten erst handhabbar. Das weckt Begehrlichkeiten, ob legal oder illegal. Ich weiß nicht, ob die NSA bereits jetzt ihre Suchmaschinen auf die Images von [beliebige Zahl] % der eingereisten LaptopPlatten loslassen kann, aber das wäre ein Beispiel für die Gefahr dabei und für das Neue.
« Letzte Änderung: Juni 17, 2008, 17:05:25 von radneuerfinder »
Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #5: Juni 17, 2008, 17:16:04
Aber sollte sich ein bürgerfreundlicher Staat hier nicht dem Bürger (dem Souverän, also dem Chef ;)) anpassen und darauf Rücksicht nehmen?
Natürlich hat man als Bediensteter des Staates mit den Bürgern rücksichtsvoll umzugehen. Auch einen Blick in einen Laptop kann man rücksichtsvoll vornehmen.  ;)

2. in der Menge. Nicht mehr einzelne Seiten - bei Verdacht - werden kopiert, sondern es werden vorsorglich - ohne konkreten Verdacht - alle Dokumente in Kopie aufgehoben. Und das vermutlich bei einer stark gestiegenen Anzahl von Personen. Mit technischem Fortschritt und sinkenden Kosten droht ein weiterer drastischer Anstieg der vorsorglich, d. h. zu einem großen Teil überflüssig, erfassten Daten.

3. in der elektronischen Erfassung. Das macht Daten, die früher als zu viel, oder überflüssig gegolten hätten erst handhabbar. Das weckt Begehrlichkeiten, ob legal oder illegal. Ich weiß nicht, ob die NSA bereits jetzt ihre Suchmaschinen auf die Images von [beliebige Zahl] % der eingereisten LaptopPlatten loslassen kann, aber das wäre ein Beispiel für die Gefahr dabei und für das Neue.

Und das mit dem Kopieren halte ich vorerst mal für journalistische Übertreibung.
« Letzte Änderung: Juni 17, 2008, 17:24:11 von warlord »
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Florian

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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #6: Juni 17, 2008, 19:04:14
Von sexuellen Vorlieben, medizinischen Problemen, Bankdaten bis Konsumverhalten?
Das alles kriege ich als Zöllner auch bei "nicht-virtuellen" Kontrollen mit. Und zwar fast unvermeidlich in stärkerem Masse als bei einem Blick in einen Laptop.

Das glaube ich nicht!
Klar, habe ich Medizin dabei oder stelle mich der Fluggesellschaft als Patient mit XY vor (weil für den Flugbetrieb relevant), weist Du darüber Bescheid. Nicht aber über meine Arztbesuche, meine Krankengeschichte und über die Dinge, die ich im Internet gesucht habe.
All das haben viele Leute auf ihren Rechnern und führen sie sonst wohl kaum je mit.

Sexuelle Vorlieben? Wie denn? Ein scannen einer Festplatte gibt auch dann Auskunft, wenn keine Utensilien mitgebracht werden - und das kommt sicher vor, aber bei wie vielen?

Bankdaten? Die Girokonto-Nummer, aber alle meine Konten mitsamt Transaktionen?

Der Gesamtumfang der Daten auf einem normal genützten Rechner ist doch viel größer als der eines typischen Koffers.

Dazu kommen die Punkte, welche radneuerfinder aufführte.
Rücksicht oder nicht, daß Durchsuchen eines Koffers erwartet man und es erscheint auch irgendwo logisch. Ein womöglich stundenlanges Scannen des Rechners mit Privatdaten dagegen nicht, wobei sich der Punkt Erwartung anpassen dürfte.
Es ist nämlich schwerlich nachvollziehbar, welche Gefahr von den Daten auf einer Festplatte ausgehen sollen, ganz im Gegensatz etwa zu versteckten Waffen oder Drogen in Koffern.
Nun brauchst Du mir keine Beispiele für gefährliche Daten aufzählen, mir geht es um die Rechtfertigung eines sehr konkreten Eingriffs, womöglich tief in die Privatsphäre ohne Kontrolle oder Klagemöglichkeit des Opfers, allein auf Entscheidung des jew. Beamten oder wem auch immer. Das alles ob sehr abstrakter Gefährdungsmodelle und Verbrechensbekämpfung.

Und natürlich wird kopiert, wenn einer der Geheimdienste Interesse bekundet. Das war so, ist so, wird so bleiben. Ob's dann wirklich ausgewertet wird, ist eine andere Frage.
Übrigens sprechen wir von einem Land, in dem Verdächtige nach Gutdünken weggesperrt werden können, auf Nimmerwiedersehen. Das hier kein Vertrauen mehr besteht, scheint mir angebracht.
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #7: Juni 17, 2008, 20:52:19
Das glaube ich nicht!
Klar, habe ich Medizin dabei oder stelle mich der Fluggesellschaft als Patient mit XY vor (weil für den Flugbetrieb relevant), weist Du darüber Bescheid. Nicht aber über meine Arztbesuche, meine Krankengeschichte und über die Dinge, die ich im Internet gesucht habe.
All das haben viele Leute auf ihren Rechnern und führen sie sonst wohl kaum je mit.

Sexuelle Vorlieben? Wie denn? Ein scannen einer Festplatte gibt auch dann Auskunft, wenn keine Utensilien mitgebracht werden - und das kommt sicher vor, aber bei wie vielen?

Bankdaten? Die Girokonto-Nummer, aber alle meine Konten mitsamt Transaktionen?

Der Gesamtumfang der Daten auf einem normal genützten Rechner ist doch viel größer als der eines typischen Koffers.
Aber Du erwähnst es schon selbst. Nach solchen Daten müsste spezifisch gesucht werden. Ich bleibe dabei, dass mir eine Routine-Kontrolle eines Koffers mehr über einen Reisenden verrät als ein Routine-Blick in einen Laptop.

Zitat
Ein womöglich stundenlanges Scannen des Rechners mit Privatdaten dagegen nicht, wobei sich der Punkt Erwartung anpassen dürfte.
Genau da verliert die Diskussion doch schon wieder an Differenziertheit. Aus einer Aufforderung des Zöllners an den Reisenden, ihm den Inhalt seines Laptops zu zeigen, wird in Nullkommanichts ein komplettes Kopieren der Festplatte und gar eine Auswertung durch die NSA.

Zitat
Es ist nämlich schwerlich nachvollziehbar, welche Gefahr von den Daten auf einer Festplatte ausgehen sollen, ganz im Gegensatz etwa zu versteckten Waffen oder Drogen in Koffern.
Nun ja, Drogen und Waffen sind nicht die einzigen Dinge, die einen Zöllner so interessieren können. (Gerade bei der Waffe ist es, zumindest am Flughafen, etwas spät, wenn sie erst der Zöllner entdeckt.  ;))

Zitat
Nun brauchst Du mir keine Beispiele für gefährliche Daten aufzählen, mir geht es um die Rechtfertigung eines sehr konkreten Eingriffs, womöglich tief in die Privatsphäre ohne Kontrolle oder Klagemöglichkeit des Opfers, allein auf Entscheidung des jew. Beamten oder wem auch immer.
Wie schon erwähnt, ja das ist so. Die Privatsphäre kann bei einem Grenzübertritt im Extremfall auf Null sinken. Und ja, kein Zweifel, das kann für die Beteiligten extrem unangenehm sein. Das ist aber gänzlich unabhängig von Laptop oder nicht Laptop. Und vor allem es ist alles andere als neu.

Zitat
Das alles ob sehr abstrakter Gefährdungsmodelle und Verbrechensbekämpfung.
Und natürlich wird kopiert, wenn einer der Geheimdienste Interesse bekundet. Das war so, ist so, wird so bleiben. Ob's dann wirklich ausgewertet wird, ist eine andere Frage.
Übrigens sprechen wir von einem Land, in dem Verdächtige nach Gutdünken weggesperrt werden können, auf Nimmerwiedersehen. Das hier kein Vertrauen mehr besteht, scheint mir angebracht.
Abstrakte Gefährdungsmodelle fallen eher in die Zuständigkeit anderer Behörden.  ;)  Zollverwaltungen müssen ihre beschränkten Ressourcen durchaus auf sehr konkrete Risiken ausrichten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch beim US Zoll so ist.
Sicher wird es Fälle von Zusammenarbeit mit Geheimdiensten geben. Welche Behörde und welche Firma kann das ausschliessen? An Systematik glaube ich aber nicht. Auf jeden Fall ist die hierzulande sofort konstruierte Eskalationskette lächerlich. Aufgrund eines banalen Umstandes, der hier in Europa genau so zutrifft wie in den USA, nämlich dass ein Zöllner über die Grenze verbrachte Gegenstände (darunter fallen auch Laptops) auch näher in Augenschein nehmen kann, wird den Amis sogleich eine systematische und masslos übertriebene Datensammlung unterstellt.

Über die Angemessenheit von einzelnen Kontrollen, die einzelne Reisende erlebt haben, wird man immer diskutieren können. Da wird es  auch immer genügend Beispiele geben, die unglücklich abgelaufen sind. In jedem Land. Unabhängig davon, ob da nun ein Laptop involviert war oder nicht.
Es ist und bleibt aber definitiv naiv, davon auszugehen, ein Laptop stelle eine Art Blackbox dar, deren Inhalt bei einem Grenzübertritt vor dem Zugriff der Zollbehörde grundsätzlich geschützt wäre. In jedem Land.
Das aus diesem Umstand gebastelte Konstrukt, dass man als Reisender mit Laptop sogleich in Handschellen gelegt wird und erst wieder frei kommt, wenn das letzte Bit der Festplatte kopiert und alle Passwörter verraten sind, ist aber ein an die Wand gemalter Teufel.
« Letzte Änderung: Juni 17, 2008, 20:56:30 von warlord »
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Florian

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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #8: Juni 19, 2008, 13:41:20
Aber Du erwähnst es schon selbst. Nach solchen Daten müsste spezifisch gesucht werden. Ich bleibe dabei, dass mir eine Routine-Kontrolle eines Koffers mehr über einen Reisenden verrät als ein Routine-Blick in einen Laptop.

Das kann ich nicht so recht beurteilen und ist wohl auch eine Frage der Definition. Ein Blick ins Mailprogramm, ist das noch Routine? Ist ein Enthüllen der Kommunikationspartner ein tieferer Eingriff als der Blick aufs Hautpflegemittel?
Mir geht es aber um das Grundsätzliche: Mit einem Einloggen öffnet man den Safe, wie tief dann gegraben wird, liegt nicht mehr in der Entscheidung des Besitzers.

Die Berichte mögen teilweise Panikmache sein, aber wenn sie den Leuten klarmacht, daß man sensible Daten wenn möglich nicht mitnimmt, wäre das meiner Meinung nach eine positive Sache. Nicht nur des Zolls wegen, natürlich, Diebstahl oder sonstiger Verlust ist natürlich das größere Problem.

Zitat
Genau da verliert die Diskussion doch schon wieder an Differenziertheit. Aus einer Aufforderung des Zöllners an den Reisenden, ihm den Inhalt seines Laptops zu zeigen, wird in Nullkommanichts ein komplettes Kopieren der Festplatte und gar eine Auswertung durch die NSA.

Der Artikel, den Chucky verlinkte, erzählt von verschiedensten Handlungsweise, mitunter eben auch stundenlanges Warten auf den Rechner.
Darauf habe ich mich bezogen und das ist genau das, was mir nicht passt: Diese totale Willkür und fehlende Transparenz. 

Zitat
Wie schon erwähnt, ja das ist so. Die Privatsphäre kann bei einem Grenzübertritt im Extremfall auf Null sinken. Und ja, kein Zweifel, das kann für die Beteiligten extrem unangenehm sein. Das ist aber gänzlich unabhängig von Laptop oder nicht Laptop. Und vor allem es ist alles andere als neu.

Das sehe ich anders. Wie gesagt tragen viele Leute heutzutage ein Archiv mit zahllosen mitunter intimen Details mit sich herum. Hier liegt doch ein veränderter Sachverhalt vor. „Selber schuld!“ - Ja. Trotzdem.

Zitat
Abstrakte Gefährdungsmodelle fallen eher in die Zuständigkeit anderer Behörden.  ;)  Zollverwaltungen müssen ihre beschränkten Ressourcen durchaus auf sehr konkrete Risiken ausrichten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch beim US Zoll so ist.

Das ist in etwa das gleiche Argument wie bei der Datenüberwachung: „Kann doch eh niemand auswerten, dieses Menge.“.

Zitat
Auf jeden Fall ist die hierzulande sofort konstruierte Eskalationskette lächerlich. Aufgrund eines banalen Umstandes, der hier in Europa genau so zutrifft wie in den USA, nämlich dass ein Zöllner über die Grenze verbrachte Gegenstände (darunter fallen auch Laptops) auch näher in Augenschein nehmen kann, wird den Amis sogleich eine systematische und masslos übertriebene Datensammlung unterstellt.

Nun stimme ich Dir zu, sicher wird auch übertrieben. Aber das man den US-Behörden alles zutraut, ist eben auch Erfahrungswerten geschuldet.
Und die maßlose und systematische Datenerfassung ist in anderem Zusammenhang schließlich Realität.

Zitat
Über die Angemessenheit von einzelnen Kontrollen, die einzelne Reisende erlebt haben, wird man immer diskutieren können. Da wird es  auch immer genügend Beispiele geben, die unglücklich abgelaufen sind. In jedem Land. Unabhängig davon, ob da nun ein Laptop involviert war oder nicht.

Und umso mehr Fälle dürften unglücklich ablaufen, je größer die Paranoia und je überforderter die Mitarbeiter.

Zitat
Es ist und bleibt aber definitiv naiv, davon auszugehen, ein Laptop stelle eine Art Blackbox dar, deren Inhalt bei einem Grenzübertritt vor dem Zugriff der Zollbehörde grundsätzlich geschützt wäre. In jedem Land.

Ein Laptop enthält Daten. Soviel ist auf jeden Fall mal klar, von Black Box keine Rede.
Das er nicht geschützt ist, ist logisch, aber auf die Begründung und Kontrolle kommt es an, und auf Transparenz. Je tiefer der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, desto mehr.

Zitat
Das aus diesem Umstand gebastelte Konstrukt, dass man als Reisender mit Laptop sogleich in Handschellen gelegt wird und erst wieder frei kommt, wenn das letzte Bit der Festplatte kopiert und alle Passwörter verraten sind, ist aber ein an die Wand gemalter Teufel.

Sicher sind das Extremfälle, daß ist ja klar. Man darf halt nicht verdächtig sein…
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #9: Juni 19, 2008, 15:05:55
Nur damit ich das richtig verstehe. Wenn der Benutzer seine komplette Platte z.B. mit TrueCrypt verschlüsselt hat, wird er gezwungen, dass Passwort herauszugeben bzw. es selber einzugeben?

BTW, TrueCrypt bietet auch die Möglichkeit an, verschlüsselte Partitionen zu verstecken, so dass man sie nicht sofort sieht und auch nicht sofort zur Herausgabe eines Passwortes aufgefordert werden kann.
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #10: Juni 19, 2008, 18:13:03
Ein Blick ins Mailprogramm, ist das noch Routine?
Nein.

Zitat
Mit einem Einloggen öffnet man den Safe, wie tief dann gegraben wird, liegt nicht mehr in der Entscheidung des Besitzers.
Richtig. Wie es auch nicht in der Entscheidung des Automobilisten liegt, ob der Polizist nach der Kontrolle des Führerausweises nun auch noch einen Alkoholtest durchführt oder nicht.

Zitat
Die Berichte mögen teilweise Panikmache sein, aber wenn sie den Leuten klarmacht, daß man sensible Daten wenn möglich nicht mitnimmt, wäre das meiner Meinung nach eine positive Sache. Nicht nur des Zolls wegen, natürlich, Diebstahl oder sonstiger Verlust ist natürlich das größere Problem.
Ja, das stimmt.

Zitat
Der Artikel, den Chucky verlinkte, erzählt von verschiedensten Handlungsweise, mitunter eben auch stundenlanges Warten auf den Rechner.
Ja, ist halt immer schwierig, Einzelfälle anhand von Presseberichten zu beurteilen oder einzuschätzen. Es gibt zweifellos Fälle von Kontrollen, die wegen dem Verhalten von Behörden verunglücken. Und es gibt Fälle, deren Verunglücken der Reisende selbst verschuldet. Wo die Objekte der Presseberichte einzureihen sind, finde ich praktisch unmöglich zu beurteilen.

Zitat
Darauf habe ich mich bezogen und das ist genau das, was mir nicht passt: Diese totale Willkür und fehlende Transparenz.
Sicher, die findet niemand angenehm. Das geht auch mir so, wenn ich eine Grenze überquere. Aber wie wirksam wären Zollkontrollen, wenn sie transparent wären?
Sie sind immerhin so transparent, dass jedermann weiss (oder wissen sollte), wo er eine solche Kontrolle gewärtigen muss. Sie ist weder örtlich noch zeitlich überraschend. Einzig der Umstand, ob ein Individuum nun tatsächlich einer Kontrolle unterzogen wird oder nicht, ist instransparent. 

Zitat
Zitat
Wie schon erwähnt, ja das ist so. Die Privatsphäre kann bei einem Grenzübertritt im Extremfall auf Null sinken. Und ja, kein Zweifel, das kann für die Beteiligten extrem unangenehm sein. Das ist aber gänzlich unabhängig von Laptop oder nicht Laptop. Und vor allem es ist alles andere als neu.

Das sehe ich anders. Wie gesagt tragen viele Leute heutzutage ein Archiv mit zahllosen mitunter intimen Details mit sich herum. Hier liegt doch ein veränderter Sachverhalt vor. „Selber schuld!“ - Ja. Trotzdem.
Der Umstand, dass jemand gedankenlos handelt, kann doch schwerlich als Begründung dafür dienen, Gesetze nicht mehr anzuwenden. Ja, selber schuld. Bin ich zu schnell gefahren, hilft es mir auch nichts, wenn ich das nur eben aus Gedankenlosigkeit getan habe und gar nicht wirklich rasen wollte. Das Argument, dass Leute doch öfter mal gedankenlos Auto fahren würden, zieht auch nicht wirklich gegen Radarkontrollen.
Es ist eigentlich ganz einfach: man muss sich bei einem Grenzübertritt bewusst sein, dass alles was man mit sich führt, vor den Augen eines Zöllners landen kann. Alles. Was man also auf gar keinen Fall im Blickwinkel eines Zöllners haben möchte, das darf man bei einem Grenzübertritt nicht auf sich haben. Das ist so und war schon immer so. Habe ich aus Gedankenlosigkeit trotzdem etwas dabei, das ich unter gar keinen Umständen hätte einem Zöllner zeigen wollen, dann ist das mein Fehler und nicht jener des Zöllners (auch nicht jener von Bush, den Republikanern, den Amis generell oder von wem auch immer).

Zitat
Das ist in etwa das gleiche Argument wie bei der Datenüberwachung: „Kann doch eh niemand auswerten, dieses Menge.“.
Das war eigentlich nicht als Argument für irgend etwas gemeint, sondern als Ablehnung Deiner Unterstellung, dass Zollkontrollen aufgrund abstrakter Gefährdungsmodelle erfolgen würden.

Edit: Typos.
« Letzte Änderung: Juni 19, 2008, 18:45:58 von warlord »
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #11: Juni 19, 2008, 18:26:38
Nur damit ich das richtig verstehe. Wenn der Benutzer seine komplette Platte z.B. mit TrueCrypt verschlüsselt hat, wird er gezwungen, dass Passwort herauszugeben bzw. es selber einzugeben?
Welche Möglichkeiten einem US Zöllner zur Verfügung stehen, weiss ich nicht. Ich kann mich da nur zur Situation hier äussern.

Es kommt etwas darauf an, was Du unter "zwingen" verstehst.  ;) Also Daumenschrauben haben wir keine.  ;) Nö, im Ernst: Sähen wir uns aus einem bestimmten Grund veranlasst, einen Laptop einzusehen (und vielleicht zur Beruhigung: sie sind bis dato für uns kaum von Interesse), dann sähe ich das wie bei einem Koffer mit Schloss. Der Besitzer wird gebeten, das Teil zu öffnen. Solange das nicht erfolgt und die angeordnete Zollkontrolle nicht erfolgen kann, ist die Zollabfertigung nicht abgeschlossen und der Gegenstand kann nicht eingeführt werden.
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Florian

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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #12: Juni 19, 2008, 19:25:21
Also, ich will das Rad nicht endlos weiterdrehen, aber ich bin hier treffen doch zwei Sichtweisen aufeinander, mit Deinen Herleitungen und Vergleichen muss ich mal wieder hadern. :)


Zitat
Zitat
Mit einem Einloggen öffnet man den Safe, wie tief dann gegraben wird, liegt nicht mehr in der Entscheidung des Besitzers.

Richtig. Wie es auch nicht in der Entscheidung des Automobilisten liegt, ob der Polizist nach der Kontrolle des Führerausweises nun auch noch einen Alkoholtest durchführt oder nicht.

Also, in Deutschland kann ich den Blastest verweigern, es steht dann freilich im Ermessen der Polizisten, ob sie mich zur Blutkontrolle mitnehmen oder nicht. So mein Kenntnisstand, der freilich womöglich veraltet ist.
Ob dies verdachtsunabhängig durchgeführt werden darf, weiß ich jetzt leider nicht.

Zitat
Ja, ist halt immer schwierig, Einzelfälle anhand von Presseberichten zu beurteilen oder einzuschätzen. Es gibt zweifellos Fälle von Kontrollen, die wegen dem Verhalten von Behörden verunglücken. Und es gibt Fälle, deren Verunglücken der Reisende selbst verschuldet. Wo die Objekte der Presseberichte einzureihen sind, finde ich praktisch unmöglich zu beurteilen.

Ja, klar. Aber es gibt schon eine massive Häufung von Berichten über unerfreuliche Begegnungen mit dem US-Zoll und, hier kann der Laie ja oft nur raten, wer wo dazu gehört, Flughafenpersonal und anderen „Offiziellen“.
Nun habe ich keine Statistik zur Hand, und so ist dieses Argument als persönlicher Eindruck zu werten. Der sich auf mich aber auswirkt, so ist meine Lust, in die USA zu reisen, eh schon immer gering, auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt, der Faktor „Willkür bei Ein- und Ausreise“ steht natürlich nicht ganz oben, auch klar.

Zitat
Sicher, die findet niemand angenehm. Das geht auch mir so, wenn ich eine Grenze überquere. Aber wie wirksam wären Zollkontrollen, wenn sie transparent wären?

Es könnte doch angeführt werden, was durchsucht wurde (oder eben nicht). Es sei denn, natürlich, man findet wirklich den Übeltäter unter 100 Millionen und will ihn erstmal im Ungefähren lassen. Zudem muss es eine Kontrollstelle geben, die möglichen Missbrauch möglichst verhindert. Hier habe ich, wie immer, meine Zweifel.

Zitat
Der Umstand, dass jemand gedankenlos handelt, kann doch schwerlich als Begründung dafür dienen, Gesetze nicht mehr anzuwenden. Ja, selber schuld. Bin ich zu schnell gefahren, hilft es mir auch nichts, wenn ich das nur eben aus Gedankenlosigkeit getan habe und gar nicht wirklich rasen wollte. Das Argument, dass Leute doch öfter mal gedankenlos Auto fahren würden, zieht auch nicht wirklich gegen Radarkontrollen.

Hier wird aber ein Rechtsverstoß begangen, eine legale Einreise stellt einen solchen nicht dar.
Ein passender Vergleich wäre schon eher „So was sagt man doch nicht am Telefon!".
Der unschuldige Bürger wird also gezwungen, sich über den Schutz seiner privaten, legalen Daten Gedanken zu machen.
Ja, daß begrüße ich, aber die Qualität ist eine andere und das ist auch nicht die Intention hinter diesen Durchsuchungen.


Zitat
Es ist eigentlich ganz einfach: man muss sich bei einem Grenzübertritt bewusst sein, dass alles was man mit sich führt, vor den Augen eines Zöllners landen kann. Alles. Was man also auf gar keinen Fall im Blickwinkel eines Zöllners haben möchte, das darf man bei einem Grenzübertritt nicht auf sich haben. Das ist so und war schon immer so. Habe ich aus Gedankenlosigkeit trotzdem etwas dabei, das ich unter gar keinen Umständen hätte einem Zöllner zeigen wollen, dann ist das mein Fehler und nicht jener des Zöllners (auch nicht jener von Bush, den Republikanern, den Amis generell oder von wem auch immer).

Ich sage ja auch nicht es ist der Fehler von irgendwem - schon gar nicht von den Zöllnern.
Es ist ja auch nicht so, daß ich die Durchsuchung von Klapprechnern als komplett abzulehnen ansehe. Ich widersprach nur Deiner Darstellung, da sei so gar nichts dran.

 
Zitat
Das war eigentlich nicht als Argument für irgend etwas gemeint, sondern als Ablehnung Deiner Unterstellung, dass Zollkontrollen aufgrund abstrakter Gefährdungsmodelle erfolgen würden.

Ob sie praktisch so erfolgen, kann ich nicht beurteilen. Man legt aber die Grundlage dafür. Nachdem der  Bürger mehr und mehr als potentieller Gefährder definiert wird, entzieht er eben auch das Vertrauen.
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #13: Juni 19, 2008, 19:32:31
Also, in Deutschland kann ich den Blastest verweigern, es steht dann freilich im Ermessen der Polizisten, ob sie mich zur Blutkontrolle mitnehmen oder nicht.
Ja genau. Und danach kannst Du dann bei der Presse weinen gehen, die Polizei hätte Dich stundenlang festgehalten. Was natürlich allein die Schuld des bösen Polizisten war. ;)


Es ist ja auch nicht so, daß ich die Durchsuchung von Klapprechnern als komplett abzulehnen ansehe. Ich widersprach nur Deiner Darstellung, da sei so gar nichts dran.
Ich sagte nicht, da sei gar nichts dran. Ich sagte, da ist nichts neues dran.
« Letzte Änderung: Juni 19, 2008, 19:38:32 von warlord »
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Re: USA Reisen: Durchsuchen von Laptops
Antwort #14: Juni 19, 2008, 22:48:04
Also  viel Worte um nichts. Na dann. :)

Ich werde mal recherchieren wie genau das bei der Alk-Kontrolle ist, interessiert mich jetzt regelrecht.
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