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mbs

Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #45: Januar 25, 2008, 14:51:23
Zitat
Bisher hat mir keiner eine echte Rückkopplung der Zahlen einer Firma zu ihrem Aktienwert gezeigt, die nicht rein psychologisch ist.

Das liegt in der Natur der Sache, denn wie gesagt ist die ursprüngliche Idee der Aktie, Geld für ein unvorhersagbares Geschäftsrisiko, das in der Zukunft liegt, einzuwerben. Da niemand die Zukunft vorhersagen kann, muss sich der Wert zwangsläufig über rein psychologische Faktoren ermitteln. Naturwissenschaftlicher: Das Ereignis, das hier bewertet wird, ist noch unkalkulierbarer als ein Zufallsexperiment, da sich die Rahmenbedingungen des Experiments ständig ändern. Man kann also keine Erwartungswerte oder ähnliches ausrechnen. Da bleibt wirklich nur raten und schätzen.

Der Wert berechnet sich daher nur nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage und zwar innerhalb der Gemeinschaft der Personen, die bereit sind, nach ihrer jeweiligen Einschätzung der Zukunft die positive oder negative Entwicklung einer Firma mitzutragen. Der reale Wert des "Firmenbesitzes" ist davon völlig unabhängig.

Zitat
Würden statt realer Geschäftszahlen nur Fantasiewerte publiziert, was würde sich ändern?

Ich weiß, was Du meinst. In dem Fall ist eben ein besonders krasses Missverhältnis zwischen Einschätzung der Zukunft und tatsächlichem Verlauf der Zukunft gegeben, wodurch die Bewertungsfunktion gestört wird. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, fällt dies aber früher oder später auf und wird sehr streng bestraft. Dieser Missbrauch des Bewertungsmechanismus ist aber nicht der Normalfall.
Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #46: Januar 25, 2008, 15:08:41
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Jedes Jahr derselbe Gewinn hieße auch eine realen Verlust, schließlich gibt es Inflation.

Ähm, eine Zunahme des Umsatzes/gewinns um einen Inflationswert ist doch kein echtes Wachstum. Das ist doch nur Stagnation. Ansonsten könnten wir einfach durch Entwertung unseres Geldes riesigen "Wachstum" generieren.

Da hast Du mich missverstanden.
Ich habe einen 1/1000 Anteil an der Firma X. Diese macht 1000 Euro Gewinn. Jedes Jahr.
Mein Euro wird natürlich immer weniger wert.

Wenn das Geld weniger wert wird (Inflation) und der Gewinn exakt gleich bleibt, dann ist das effektiv keine Stagnation, sondern ein Verlust, wie Du ja selber oben schreibst.
Deshalb ist für mich die Zunahme des Gewinnes um den Wert der Inflation praktisch Stagnation und noch kein Wachstum, denn im Endeffekt hat sich nichts geändert. Mit dem scheinbar höheren Gewinn kann ja nicht mehr gekauft werden.
Ansonsten erzeugen wir recht einfach mal ganz tolles Wachstum: Wir machen richtig starke Inflation (100%). Und schon sind alle Unternehmenszahlen um 100% höher. Wachstum, wie man sie sich nur träumen kann. :)
 
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Wo ist denn da noch der Zusammenhang mit der Firma? Warum hofft man, dass jemand anderes noch mehr hofft, Gewinn zu machen (höherer Gewinn für mich), wenn es dem Unternehmen gut geht?

Ist doch klar, meldet die Firma schlechte Zahlen, wird keiner mehr die Aktie wollen und umgekehrt! Da ist der Zusammenhang, bitte schön.

Eine rein psychologische Rückkopplung. Das aufgrund dieser irrtionalen Rückkopplung die Kurse beeinflusst werden, ist mir klar. Aber eigentlich ist das unnötig. Warum wird die Aktie keiner mehr wollen, das ist die Frage? Warum könnte nicht einfach im Aktiengeschäft weitergemacht werden, selbst wenn die Firma pleite ist? Wo fliesst wirklich etwas von der Firma zu den Aktien/Aktieninhabern nach(!) Kauf der Aktie? Seh' das mal stark abstrahiert. Bsp.:
Firma A gibt Aktien aus. Das Geld landet in der Firma. Im Anschluss macht die Firma mit dem Geld was, davon sehen die Aktionäre aber nichts (keine Dividende). Regelmäßig werden Geschäftszahlen publiziert.
Der nach der Ausgabe laufende Aktienhandel findet parallel statt. Leute kaufen und verkaufen ihre Aktien. Es ergeben sich daraus Aktienwerte, Gewinne, Verluste.
Jetzt kommt es: Die präsentierten Geschäftszahlen beeinflussen den Kurs indirekt, weil Menschen glauben(!) sie könnten die spätere Entwicklung des Aktienwertes darauf basierend einschätzen. Der Aktienwert (aktuell oder später) ergibt sich aber nicht(!) aus den Geschäftszahlen, sondern rein aus dem Glauben der Menschen eine noch spätere Entwicklung einschätzen zu können und somit ihrem Kauf-/Verkaufverhalten. Ob die Geschäftszahlen nun echt sind oder nicht spielt für den Aktienwert keine Rolle. Das ist doch der Punkt.
Eine rein simulierte Börse (also alle Zahlen kommen nicht von echten Firmen) würde auch funktionieren. Man könnte keinen Unterschied feststellen.

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Man spekuliert dabei aber hoffentlich nicht ins Blaue hinein. Bei Dir klingt das so, als wäre alles irgendwie so ein Spielchen.

Im Prinzip schon. Ganz ins Blaue hinein nicht, weil man weiss, dass sich die Anleger aus irrationellen Gründen an Geschäftszahlen orientieren. Aber im Prinzip würde auch eine simulierte Börse völlig gleich verhalten.


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Nimm doch einfach eine Firma, die ihre veröffentlichten Zahlen grundsätzlich weit nach oben fälscht und ständig gute Zahlen präsentiert. Solange das keiner weiß, läuft der Aktienwert gut. Die Rückkopplung Zahlen der Firma zu Aktienwert ist eine rein psychologische Sache und im Prinzip irrational.

Wieso irrational? Was Du beschreibst, ist klarer Betrug und wird hart bestraft.

Das ist mir klar. Aber warum? Nur deshalb weil Leute diese Geschäftszahlen mit Aktienkursen verknüpfen. Und diese Verknüpfung ist eigentlich irrational. Denn nur weil alle das machen, wirken sich Geschäftszahlen auf die Kurse aus. Wenn keiner sich die Zahlen durchliest, was ist dann? Kein Einfluss, eben.

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Was Dich stört ist doch wohl das, was fränk beschreibt, oder?
„Der Aktienwert einer Firma muss nichts mit einem "nutzbaren" Wert der Firma zu tun haben.
Nutzbar = Geld, Grundstücke, Wissen, Maschinen.....“

Äh, nein. Es stört mich ja auch nicht. :)
Ich sehe nur überhaupt keinen echten Zusammenhang zwischen der Firma und in der Vergangenheit ausgegebenen Aktien (keine Dividende vorausgesetzt). Nur eben dadurch dass Leute das künstlich machen.

Zitat
Er hat aber natürlich schon etwas damit zu tun. Ist die Gemeinschaft der Anleger überzeugt, die Maschinen und das Wissen und das Geld würden in Zukunft Gewinn erbringen, wird das auch dem Aktienwert zugute kommen.

Ja, aber warum kommt das dem Aktienwert zu gute? Warum schätzen Leute die Aktie besser ein, wenn die Zahlen gut sind und beeinflussen dadurch den Kurs zum besseren (selbsterfüllende Prophezeiung).
Was wäre denn, wenn alle Leute glauben würden, dass ein Gewinn schlecht für die Aktie wäre? Dann würde sich das ganze Verhalten der Aktienkurse genau negieren, aber sonst würde nichts passieren.

Zitat
Würden statt realer Geschäftszahlen nur Fantasiewerte publiziert, was würde sich ändern?

Ich weiß, was Du meinst. In dem Fall ist eben ein besonders krasses Missverhältnis zwischen Einschätzung der Zukunft und tatsächlichem Verlauf der Zukunft gegeben, wodurch die Bewertungsfunktion gestört wird. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, fällt dies aber früher oder später auf und wird sehr streng bestraft. Dieser Missbrauch des Bewertungsmechanismus ist aber nicht der Normalfall.

Nein, ich meinte jetzt nicht unbedingt einen Missbrauch. Wenn die Börse rein simulierte Firmen enthielte, verhält sich alles genauso.
_______
Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen." -- Schiller
Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #47: Januar 25, 2008, 15:36:16
Bisher hat mir keiner eine echte Rückkopplung der Zahlen einer Firma zu ihrem Aktienwert gezeigt, die nicht rein psychologisch ist. Würden statt realer Geschäftszahlen nur Fantasiewerte publiziert, was würde sich ändern? Nichts.

Das ist dann aber nicht unbedingt eine Eigenart des Aktienhandels, sondern generell bei allen knappen Gütern (auch bei künstlich verknappten Gütern) so. Zur Zeit steigt z. B. der Goldpreis. Gold hat als Rohstoff zu Weiterverarbeitung kaum Bedeutung, trotzdem liegt der Preis für ca. 30g bei 900,- $. Eigentlich auch bar jeder Rechtfertigung.

mbs

Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #48: Januar 25, 2008, 15:45:09
Das wird aber jetzt immer mehr eine philosophische Diskussion.  ;)

Zitat
Jetzt kommt es: Die präsentierten Geschäftszahlen beeinflussen den Kurs indirekt, weil Menschen glauben(!) sie könnten die spätere Entwicklung des Aktienwertes darauf basierend einschätzen. Der Aktienwert (aktuell oder später) ergibt sich aber nicht(!) aus den Geschäftszahlen, sondern rein aus dem Glauben der Menschen eine noch spätere Entwicklung einschätzen zu können und somit ihrem Kauf-/Verkaufverhalten.

Alles richtig.

Zitat
Ob die Geschäftszahlen nun echt sind oder nicht spielt für den Aktienwert keine Rolle. Das ist doch der Punkt.

Doch, alle Beteiligten wissen, dass die Zahlen echt sind, weil dies durch sehr strenge Mechanismen überwacht wird. Natürlich kann es temporär zu Missbrauch kommen, aber das ist die Ausnahme.

Wenn man es noch abstrakter sehen will: Der Wert, bzw. die Bewertung von fast allen Dingen ist eigentlich immer rein psychologisch. Ein 100-Euro-Schein ist eigentlich auch nur ein paar Cent wert. Erst das Wissen der Gemeinschaft, was dieser Schein für eine Bedeutung hat, macht ihn wertvoll.

Zitat
Eine rein simulierte Börse (also alle Zahlen kommen nicht von echten Firmen) würde auch funktionieren. Man könnte keinen Unterschied feststellen.

Ja, aber solange die Leute darin einen Wert sehen, ist das nichts Besonderes oder Ungewöhnliches. Eine rein simulierte Welt, die mit der realen äquivalent ist, funktioniert immer. Das Bruttosozialprodukt der virtuellen Personen in Second Life lag im letzten Jahr bei 10 Millionen (echten) US-Dollar pro Monat.

Florian

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Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #49: Januar 25, 2008, 16:10:00
dann ist das effektiv keine Stagnation, sondern ein Verlust, wie Du ja selber oben schreibst.
Deshalb ist für mich die Zunahme des Gewinnes um den Wert der Inflation praktisch Stagnation und noch kein Wachstum, denn im Endeffekt hat sich nichts geändert. Mit dem scheinbar höheren Gewinn kann ja nicht mehr gekauft werden.
Ansonsten erzeugen wir recht einfach mal ganz tolles Wachstum: Wir machen richtig starke Inflation (100%). Und schon sind alle Unternehmenszahlen um 100% höher. Wachstum, wie man sie sich nur träumen kann. :)

Genau das schreibe ich doch. Ergo ist ein gleichbleibender Gewinn de facto eine Gewinnschrumpfung und schon deshalb Wachstum nötig.

Zitat
Eine rein psychologische Rückkopplung. Das aufgrund dieser irrtionalen Rückkopplung die Kurse beeinflusst werden, ist mir klar.

Aha. Jetzt allmählich verstehe ich, was Du meinst.
Irrational heißt wörtlich übersetzt unvernünftig.

Da sehe ich nicht so. Natürlich kann man keine direkte  Verbindung zwischen vergangener und zukünftiger Wertentwicklung oder Gewinnen ziehen. Das wäre unlogisch. Sehr wohl aber kann man aus historischen Daten Wahrscheinlichkeiten ableiten, und so, je nach Investment, daß Risiko beschränken.
Natürlich spielt in die Risikobewertung auch die vermutete Marktpsychologie (aber hallo!) hinein.

Zitat
Aber eigentlich ist das unnötig. Warum wird die Aktie keiner mehr wollen, das ist die Frage?

Weil die Wahrscheinlichkeit nach aller Erfahrung groß ist, daß sie keine Gewinne mehr einbringt.

Zitat
Warum könnte nicht einfach im Aktiengeschäft weitergemacht werden, selbst wenn die Firma pleite ist?

Könnte man, aber wozu?

Zitat
Wo fliesst wirklich etwas von der Firma zu den Aktien/Aktieninhabern nach(!) Kauf der Aktie? Seh' das mal stark abstrahiert. Bsp.:

Direkt nirgend, da gebe ich Dir schon recht. Ich verstehe jetzt wie gesagt allmählich.
Warum aber diskutieren wir das überhaupt? Das geht ja gar nicht anders.
Dazu unten noch mehr.

Zitat
Äh, nein. Es stört mich ja auch nicht. :)
Ich sehe nur überhaupt keinen echten Zusammenhang zwischen der Firma und in der Vergangenheit ausgegebenen Aktien (keine Dividende vorausgesetzt). Nur eben dadurch dass Leute das künstlich machen.

Das mit der Dividende macht doch auch nciht den wirklichen Unterschied. Zahlt ein Unternehmen historisch gesehen reichlich Dividende, wird auch das den Kurs beeinflußen und umgekehrt. Obwohl es keinerlei Garantie gibt, daß sich das stetig wiederholt. In der Tat ist eine Dividende nicht etwa ein Anrecht, keine Gewinnbeteiligung. Sondern eine Gewinnausschüttung nach Gutdünken der Unternehmensführung.

Eine echte Gewinnbeteiligung kann man nur als Teilhaber einer Firma erwarten. Das ist natürlich noch riskanter und man muss schon sehr viel Vertrauen haben, in Deinen Worten irrational handeln, da man ja die Zukunft generell nicht voraussehen kann.

Überhaupt gibt es keine Wirtschaft ohne Psychologie.
Wenn ich hundert Euro für ein Radio ausgebe, erwarte ich, daß es die Summe wert ist und das der andere Kunde es nicht für 50 bekommt.
Wenn ich bei meinem Lieblingsbäcker ein Brot kaufe, nehme ich stark an, daß es auch diesmal gut schmecken wird und lege das Geld auf den Tresen.

Man denkt eben in Wahrscheinlichkeiten; viele denken generell zu wenig, oder zu viel. Dann sollten Aktien vielleicht besser nicht die wesentliche Anlageform sein. :)


Zitat
Was wäre denn, wenn alle Leute glauben würden, dass ein Gewinn schlecht für die Aktie wäre? Dann würde sich das ganze Verhalten der Aktienkurse genau negieren, aber sonst würde nichts passieren.

Genau, lebten wir in Bizzaroworld, wäre Milch schwarz und man würde von draussen ins Freie gehen.
_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Geschäftszahlen 1.Quartal: Natürlich neue Rekorde
Antwort #50: März 20, 2008, 23:48:49
Die Wissenschaft ist bei der Erklärung der Aktienkurse noch im Mittelalter, sagt Benoit Mandelbrot:
F.A.Z., 04.06.2005