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Re: Bankenkrise
Antwort #705: Februar 01, 2017, 20:06:14
Ich sehe in dem ganzen System eh so keinen Sinn mehr. Was bringt eine schwarze Null überhaupt irgendwas? Die Schulden werden doch eh nie wieder zurückgezahlt. Meiner Meinung nach müsste eh eine ganz andere Lösung her.

Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Bankenkrise
Antwort #706: Februar 02, 2017, 00:13:07
Deutschland zahlt doch ständig zurück. Anleihen haben eben verschiedene Laufzeiten. Es werden natürlich laufend neue Schulden aufgenommen, um diese Anleihen zu begleichen. Unterm Strich sinkt die Verschuldung derzeit aber sogar. Erstens gab es Sondertilgungen aus Überschüssen und zweitens ist natürlich der Zinssatz so niedrig, dass heute gerne die Altschulden durch Neue ersetzt.
Nach wie vor hält Deutschland die Maastricht-Kriterien aber nicht alle ein. Die Gesamtverschuldung liegt bei ~70% des BIP, 60% sind nur erlaubt. Bei den meisten anderen schaut es noch viel schlechter aus. Aber Deutschland kann das schaffen - falls nicht wieder ein Weltkrieg dazwischenkommt oder eine Pleite der Deutschen Bank…

Ich finde auch Haushaltsdisziplin an sich sinnvoll. Man sieht ja, wo zu viele Schulden hinführen. Schon lange vor dem Kollaps geht immer mehr für Zinsen drauf und man hat null Handlungsspielraum in der Politik. Die Situation hatten wir Ende der 90er auch in Ansätzen. Kohl hatte Schröder enorme Probleme vererbt. Die Konsolidierung kostete die SPD dann wohl auf Dauer jede Chance auf die Kanzlerschaft.
Ein wesentlicher Grund war natürlich die Weise, wie man die Wiedervereinigung durchführte.

Aber sich eine Schwarze Null in die Verfassung zu schreiben und sie dogmatisch durchzusetzen, obwohl man sich ja begrenzt Spielraum zugestanden hatte, ist für mich Blödsinn. Und das bei Minuszinsen und riesigem Investitionsstau!

Und bei einem Fonds, der nur die Zinsen investiert, stünden den Schulden ja dem Vermögen gegenüber.
Wir werden der Gelegenheit der Minuszinsen noch lange nachtrauern und uns wundern, wie wir uns diese Chance entgehen lassen konnten.

(Und ich weiß eine Billion ist schwierig mit Minuszinsen erfolgreich zu platzieren. Aber das war nur eine Denkgröße und nach und nach ginge schon sehr viel.)



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Re: Bankenkrise
Antwort #707: Februar 02, 2017, 13:42:03
Naja, wenn nix dazwischen kommt.
Wie lange müsste denn Deutschland die Schulden zurückzahlen bis wir auf 0 sind?
Und das BIP kannst doch auch vergessen, was da alles reingerechnet wird. Alles Augenwischerei. Geld wird gedruckt ohne Ende.

Irgendwann platzt die Blase und dann kam was dazwischen. Das war schon immer so. Da kann auch niemand was dafür. Es ist systembedingt.

Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Bankenkrise
Antwort #708: Februar 02, 2017, 14:03:02
Sage ich ja, solange nichts dazwischen kommt. Wie ein Weltkrieg. 1953 gab es ja auch für Deutschland Erleichterungen bei den Auslandsschulden (Londoner Schuldabkommen).

Wie lange Deutschland bräuchte, um die Zinsen zurückzuzahlen? Die Frage ist kompliziert, da ja abhängig von Wirtschaftsentwicklung und Leitzinsen. Es sind ja auch mehrere Ebenen: Kommunen, Länder, Bund. Auf jeden Fall sehr, sehr lange.
Aber eigentlich stellt sie sich auch gar nicht. Wichtig ist, dass man die Zinsen und Anleihen bei Fälligkeit zurückzahlen kann und das geschieht ja nicht auf einmal für alle Anleihen. Und bis auf Ausnahmen wie z.Z. - wo ein kleinerer Teil aus Überschüssen kommt - vollständig aus neuen Schulden. Es geht also darum, dass man neue Kreditgeber findet - und da hatte Deutschland eigentlich noch nie Probleme.

Da die EZB notfalls aushilft, ist ja der Markt ja sowieso ausser Kraft gesetzt. Ich denke mal, dass wird auf Jahrzehnte so bleiben, die alte Politik der Bundesbank wird nicht mehr kommen.
Womit ich aber nicht meine, dass die Zinsen ewig so niedrig bleiben. In der Tat scheint die Inflation die EZB gerade in eine Zwangslage zu versetzen. Stagflation wäre jetzt zwar übertrieben, aber die letzten Jahre wurden von den Regierungen nicht genutzt, um die Probleme anzugehen. 
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Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Bankenkrise
Antwort #710: Februar 12, 2017, 15:22:20
Das Problem ist halt, dass die EZB auch die derzeit schwächelnden Staaten im Auge haben muss. Aber es stimmt, selbst die Euro-Zone wächst wieder.
Es ist an der Zeit, die Zinsen langsam anzuheben und ich denke, dass weiß auch Draghi.

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Re: Bankenkrise
Antwort #711: März 26, 2017, 09:17:54
Deutschland hat ja sogenannte Weise, die der Regierung, auf dem wichtigen Gebiet der Wirtschaft, sagen wo es lang gehen soll. Nur, ist dieser Rat wirklich weise? Der Handelsblatt Autor Norbert Häring hat Zweifel:
http://norberthaering.de/de/27-german/news/800-wirtschaftsweise-merkantilismus

Frank Niessens (Volkswirt) Vorschläge für ein besseres Wirtschaften finde ich mehr als unausgegoren, seine Analyse, dass und warum Ökonomen oft daneben liegen, halte ich hingegen für lesenswert (168 Seiten, 17,95 €):
http://www.tectum-verlag.de/entmachtet-die-okonomen.html   (Leseprobe)

« Letzte Änderung: März 26, 2017, 09:34:59 von radneuerfinder »

Florian

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Re: Bankenkrise
Antwort #712: März 26, 2017, 22:40:08
Die „Weisen“ sind i.d.R. ziemlich wirtschaftsnah. Die Wirtschaft hat nur sehr bedingt Interesse an höheren Löhnen oder mehr Sozialausgaben.
Das braucht man eigentlich nicht immer wieder heraus kombinieren, soweit ich mich erinnere war das schon immer so.

Es stimmt aber schon auch, dass die Steuerungen bzw. Steuermöglichkeiten des Staates hinsichtlich der Leistungsbilanz begrenzt sind. Und wenn angeführt wird, dass dies doch funktioniert habe bis zum jetzigen Stand, sollte man nicht vergessen, dass neben der Politik auch die deutschen Unternehmen und die Gewerkschaften daran ihren Anteil haben. Nicht nur durch niedrigere Löhne, sondern auch durch Innovation und gutes Management.

Und zuallererst: Die schlechten politischen Leistungen von Politik und Wirtschaft in vielen anderen Ländern.

In vielen europäischen Ländern halten die Oberen eine Jugendarbeitslosigkeit von 20% scheinbar als unabänderlich und irgendwie akzeptabel. Da braucht man sich nicht wundern, wenn dann eine Migration in Länder einsetzt, wo es Jobs gibt. Auch ein großer Faktor.

Ich bin schon dafür, dass Deutschland endlich die gröbsten Lohndumpereien beseitigt und die öffentliche Hand mehr Geld ausgibt. Die schwarze Null habe ich ja hier ja schon mehrmals gegeißelt.





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Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Bankenkrise
Antwort #716: Juni 16, 2017, 19:26:48
Mag ja alles sein, aber jetzt mal ehrlich: Wenn Schäuble plötzlich 20 Mrd. in die Infrastruktur steckt, würde das was am Handelsüberschuss ändern?
Ich weiß es nicht, aber:
a) Wäre das doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein
b) Wo sind die Handwerker und Bauarbeiter dafür? Bekannte von mir jedenfalls können heuer nicht anbauen, weil sie keine bekommen. Und das war schon im Januar klar.
c) Wird das dann mit Zuzug aus dem Ausland gelöst, hat das positive oder negative Auswirkungen auf die Leistungsbilanz? Die konsumieren ja auch hier, aber schicken auch Geld in die Heimat.
d) Wer sagt denn, dass dadurch nennenswert Güter importiert würden?

An den Zinsen kann Deutschland nichts machen, Lohnpolitik geht vielleicht im öffentlichen Dienst, aber sonst nicht.

Bleibt eine massive Steuersenkung, doch würden die Deutschen das Geld dann ausgeben oder bunkern? Und wenn die nächste Krise eh kommt, sind solche Schritte am Ende nicht gefährlich?

Ich wäre schon dafür, es zu probieren:
- Mehr Investitionen, v.a. in Forschung und Bildung, aber auch - soweit eben möglich - in die Infrastruktur
- Maßvolle Steuersenkung oder besser niedrigere Sozialabgaben. Mein Favorit wäre aber die Mehrwertsteuer.
- Anreize an die Wirtschaft zum Investieren.

Zum dritten Punkt: Trotz boomender Gewinne investiert die deutsche Wirtschaft kaum.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konjunktur-deutschland-spart-sich-sein-wachstum-kaputt-1.3541455

So, und hier wird gewarnt, die deutsche Wirtschaft drohe heißzulaufen:
http://www.sueddeutsche.de/news/wirtschaft/konjunktur-kieler-wirtschaftsinstitut-warnt-vor-konjunktur-ueberhitzung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-170615-99-859574
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Re: Bankenkrise
Antwort #717: Juni 17, 2017, 00:12:13
Nur eine schnelle Anmerkung zu später Stunde.

Lohnpolitik geht vielleicht im öffentlichen Dienst, aber sonst nicht.

Für die Regierung, für den Staat fallen mir auf die Schnelle folgende politische Einwirkungsmöglichkeiten auf das Lohnniveau ein:

- Auf die beteiligten Akteure einwirken. Beispiel: Bündnis für Arbeit
- an den Lohnnebenkosten schrauben
- durch Gesetze einen Niedriglohnsektor ermöglichen
- einen gesetzlichen Mindestlohn einführen
- Die Lohnverhandungspositionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (gesetzlich) neu gewichten

Florian

  • Verderbliche Ware!
Re: Bankenkrise
Antwort #718: Juni 17, 2017, 12:57:16
So gesehen schon, aber das meinte ich anders. Jetzt dem Gros der Leute den Lohn erhöhen, so das es messbare Effekte auf den Konsum und die Leistungsbilanz hätte, scheint mir unmöglich und selbst wenn es möglich wäre, was würde das bedeuten? Endlich ordentlich Inflation, aber keine Möglichkeit, die Zinsen zu erhöhen?

Es ist eben alles nicht so einfach.
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Re: Bankenkrise
Antwort #719: Juni 17, 2017, 18:05:04
Ja es ist sauschwer. Das menschliche Hirn ist für nichtlineare Zusammenhänge einfach nicht gemacht, wie ich unlängst schon beklagt habe. Ich fürchte aber, derartige Wirtschaftskreisläufe mit menschengemachten dynamischen Wechselwirkungen sind für uns sehr lebensbestimmend aber nicht unbedingt selbstregulierend:
Bankenkrise->Wirtschaftskrise->Eurokrise

Hier wurde (2011) versucht zu ergründen, was höhere Löhne bewirken könnten:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=11454:


(Und hier gäbe es eine unterhaltsame Analyse, was zu niedrige Löhne bewirken:
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-16-mai-2017-100.html)
« Letzte Änderung: Juni 17, 2017, 18:34:24 von radneuerfinder »