Forum

elafonisi

  • Verbergnix
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #15: Mai 22, 2007, 16:49:17
Die müsste ich kriegen, wenn ich mathias' These glauben würde. Wenn Ethik und Moral allein anerzogen wären, dann kann da von Generation zu Generation immer nur verloren gehen. Die Zügel würden zwangsläufig immer loser werden bis zur gänzlich amoralischen Gesellschaft.
Ich glaube aber eben durchaus an einen angeborenen Kern, an ein gewisses angeborenes Verlangen nach Moral, das bei vielen Kindern heute einfach etwas zuwenig befriedigt wird.

Ich kann mich noch sehr gut an die Zeiten der anti-autoritären Erziehung erinnern  :P
Ist euch schon mal aufgefallen, wie die damals anti-autotritär Erzogenen ihre eigenen Kinder erziehen? (so sie denn überhaupt welche haben) Da ist keine Rede mehr von anti-autoritär weil die gemerkt haben, dass das ganz sicher nicht das gelbe vom Ei war. Das betrifft alles, vom Sozialverhalten über die Umgangsformen bis hin zu Ethik und Moral. Durch diesen Umschwung, der aus den Herrschaften selbst heraus gekommen ist, kann ich der These das Teile der ethisch - moralischen Verhaltensweisen angeboren sind durchaus etwas abgewinnen.

Thyrfing out of order

Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #16: Mai 22, 2007, 20:30:48
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern die Meinung der Kinderlosen und den Statistikern in Erscheinung treten. ;)
Thyrfing
Statistik über Erfahrung. Da sehe ich eher die Welt in einen Abgrund driften. Sieh es mal so: Außerhalb von Zahlenkolonnen gibt es wenigstens Menschen, die tatsächlich Erfahrungen gemacht haben. Soll auch wichtig für das Leben sein, habe ich gehört... ;)

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #17: Mai 22, 2007, 20:48:27
Oje, der imemr wiederkehrende Streit. :)

Statistik ist nicht böse, sondern unser Freund. Erfahrung ebenso. Ersteres benötigt man (in deisem Zusammenhang) um gesellschaftliche Entwicklungen nachzuprüfen beziehungsweise zu beweisen.
Zweiteres um flexibel und schnell reagieren zu können ohne in Büchern nachzuschlagen. Gruß an alle Soziologen & Psychoanalytiker oder ähnlich Deformierte. ;)

_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare

mathias

  • Trompeten statt Raketen!
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #18: Mai 22, 2007, 21:18:37
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.
Dominierend und alles beweisend? Inwiefern denn? Außerdem: was ist denn eindrucksvoller für die Meinungsbildung, als die eigene Erfahrung/Beobachtung? Und wer kann die Entwicklung eines Kindes genauer beobachten: jemand, der Kinder nur auf dem Weg zur Uni in der Strassenbahn sieht, oder jemand, der 24/7 die selben Kinder um sich hat?

Religiöse Fundis und andere Extrem-Moralisten scheinen eher wieder Zulauf zu haben. Das spricht IMO nicht unbedingt dafür, dass da nichts Angeborenes vorhanden wäre.
Doch, tut es. Es beweist lediglich, daß der Mensch ein Verlangen nach diesen Dingen hat, nicht aber, daß bestimmte Werte und moralisches Denken schon vorhanden wäre. 

Moral und Ethik sind ja auch nicht lebenslang unveränderlich, sondern durchaus Wandlungen unterworfen, je nach den persönlichen Erfahrungen. Es kommt doch beinahe täglich vor, daß man seine eigenen Moralvorstellungen in Frage stellt, aufgrund von bestimmten Ereignisse usw. Als Erwachsener hat man u.U. eben gelernt, solche Dinge immer wieder kritisch zu betrachten. Als Kind nicht. Alles, was die Eltern sagen, wird von Kindern als bare Münze genommen (Bsp. Weihnachts-mann).
Ich glaube aber eben durchaus an einen angeborenen Kern, an ein gewisses angeborenes Verlangen nach Moral, das bei vielen Kindern heute einfach etwas zuwenig befriedigt wird.
Moral bzw. Werte und das Verlangen danach sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe, die nicht verwechselt werden dürfen. Dass das Verlangen nach Werten und Ethik ebenso wie das nach Nähe und Zuneigung angeboren ist, dem stimme ich zu. Moralische Werte selbst gibt es bei der Geburt dagegen keine, die werden durch das Umfeld definiert und weitergegeben.

OT:
Immerwieder faszinierend,  die tollen Erziehungsratschläge von alten und von kinderlosen Menschen...
_______
"Gestern ist mir die Milch runtergefallen. Die war nicht mehr haltbar!"
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #19: Mai 23, 2007, 00:27:23
Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern deren Kinder in Erscheinung treten.  ;)

Immer wieder faszinierend, wie dominierend und alles beweisend in Diskussionen mit jungen Eltern die Meinung der Kinderlosen und den Statistikern in Erscheinung treten. ;)

Das nehm ich Dir nicht so ganz ab. Zumindest ist die Kinderlosigkeit nie Thema oder gar Argument. Die Kinder hingegen ständig.  ;)
_______
Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #20: Mai 23, 2007, 00:36:54
Moralische Werte selbst gibt es bei der Geburt dagegen keine, die werden durch das Umfeld definiert und weitergegeben.

Dass ein Kind bereits mit fertig definierten und direkt anwendbaren moralischen Werten auf die Welt kommt, behauptet ja auch Hauser nicht. Das Neugeborene spricht ja auch noch keine Sprache.

Er sagt nur, das Grundgerüst für beides ist angeboren.

Wie erklärst Du Dir, dass die moralischen Werte eines in New York und eines im abgeschiedensten Regenwald Papua Neuguineas aufgewachsenen Kindes so fundamental anders nicht sind?
_______
Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #21: Mai 23, 2007, 01:07:16
Wenn ich mal einhaken darf: Weil eben soziales Zusammenleben überall einen gewissen Regelsatz erfordert und deshalb zumindest die grundlegenden Dinge von den Eltern und anderen Personen weitergegeben werden, teilweise bewust, teilweise unbewust.

Das ein Grundgerüst angeboren ist, lässt sich wohl kaum verneinen, schließlich haben wir im Vergleich zu allen anderen Tieren ein sehr großes Gehirn mit enormem Energiebedarf, das - so zeigen ja mittlerweile mögliche Messungen - bei sozialen Kontakten aller Art höchst angeregt wird. Es ist auch erwiesen, daß fehlende soziale Kontakte die Altersdemenz beziehungsweise Alzheimer (ich weiß nicht, ob und wie man heute noch unterscheidet) wahrscheinlicher machen und umgekehrt ein reges Sozialleben eher geistig fit hält.

Ob aber tatsächlich ohne Einflüsse von außen ein Mensch heranwüchse, der einem moralischen Minimalkonsens folgte, lässt sich nicht nachprüfen. Selbst wenn es ginge, wäre es nicht vertretbar. Und setzte man sich darüber hinweg - man müsste den bis dahin Isolierten ja irgendwie überprüfen und daher Kontakt aufnehmen. Da ist es dann nicht auszuschließen - ich meine sogar unvermeidbar - das, einem Schwamm gleich, alle Eindrücke augesogen werden und so doch sofort wieder ein Umfeld sehr stark wirksam wird.

Es wird also bei der theoretischen Debatte im Unbestimmten bleiben, was gewisse Wissenschaftler der verschiedenen Fachbereiche aber nicht hindern wird ihre Theorie als allein gültig hinzustellen. Je nach Mode sind am erfolgreichsten Soziologen oder - wie zur Zeit, scheint mit - Anthropologen oder Neurologen. :)

_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #22: Mai 23, 2007, 01:19:50
Ob aber tatsächlich ohne Einflüsse von außen ein Mensch heranwüchse, der einem moralischen Minimalkonsens folgte, lässt sich nicht nachprüfen.

Das ist richtig. Aber der Umstand, dass die moralischen Werte in New York und beim unberührten Naturvolk Papua Neuguineas in erstaunlichem Ausmass kongruent sind, ist in meinen Augen doch ein deutliches Indiz dafür, dass die moralischen Werte nicht 100% "menschengemacht" (im Sinne von vom Menschen erdacht) sind.
_______
Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #23: Mai 23, 2007, 01:26:39
Na, ich weiß nicht. Auch kleine Gruppen brauchen schließlich einige Regeln, um zu funktionieren. Und das sind nun mal überall ziemlich die gleichen.

Es kann aber zum Beispiel durchaus sein, daß so ein Regenwaldbewohner das Konzept Privatbesitz nicht kennt und daher Diebstahl auch nicht. Womit wir schon bei der Frage sind, wo Moral eigentlich anfängt.

_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #24: Mai 23, 2007, 10:15:46
Und das sind nun mal überall ziemlich die gleichen.

Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?
_______
Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

daveinitiv

Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #25: Mai 23, 2007, 12:54:05
Vielleicht sollte man die Begriffe Ethik und Moral ein bisschen abkoppeln. Dies sind ja Begriffe, die mit Inhalten gefüllt werden müssen, was ist ethisch/moralisch richtig, was nicht.
Also gehe ich noch mal eine Stufe runter: Hat jeder Mensch von Anfang an ein Gewissen? Fühlt ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?
Dem Kind muss also eine Begründung, ein Hinweis, ein nachvollziehbarer "Tatbestand" gegeben werden, damit es das "Abstrakte" ins Praktische übertragen kann und dadurch lernt diese "Stimme" bewusst wahr zu nehmen, also Handlungen und Entscheidung vor dem Hintergrund dieser "Stimme" zu fällen.
Ist also das Gefäß der Ethik und Moral schon mit einer ganz krassen Konzentration gefüllt, die so aber nicht "genießbar" ist und muss dann die richtige Komponente beigegeben werden, damit eine vernünftige Mischung entsteht? Und wenn man eine andere Komponente beigibt, "verwässert" diese Konzentration zu stark?

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #26: Mai 23, 2007, 13:22:43
Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?

Aus Notwendigkeit. Nun ist es natürlich interessant, ob das erlernt ist oder, weil diese Notwendigkeit seit den Urmenschen existiert, ins Genom eingeflossen ist... in bestimmter Weise wohl schon, siehe oben. Aber ob damit normgerechtes - vielleicht das passendere Wort - schon vorgegeben ist, halte ich für sehr fraglich. Die grundlegende Bereitschaft zur sozialen Interaktion aber sicherlich - soweit keine Krankheit vorliegt.

Was mich halt immer erzürnt ist wenn Wissenschaftler X irgendeine Hirnaktivität oder ein Gen gefunden hat, daß eine gewisse Rolle spielen mag und dann diesen Teilaspekt als alleinige Erklärung für alles hinstellt, mit einer griffig-provokanten Überschrift garniert und das alles nur aus Geltungssucht oder monetärem Interesse.

Das ist aber nicht auf diesen Hauser gemünzt, da ich seine Werke nicht kenne. Sondern eine allgemeine Beobachtung. Die kann man nicht nur bei diesem Thema machen, vielmehr erstreckt es sich auf alle Aspekte des menschlichen Handelns. Öffentlichkeitswirksam natürlich Liebe/Sex/Bindung.
Die Mainstream-Medien plappern dann die Stichworte nach und verkürzen die These noch weiter beziehungsweise spitzen sie zu und lassen viele Einschränkungen unter den Tisch fallen.

So ergeben sich dann schreckliche Gespräche mit Zeitgenossen über Dinge wie die Existenz des freien Willens, die einem die Zehennägel hochbiegen.

Ich finde, so sollte die Wissenschaftsvermittlung nicht ablaufen.
_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #27: Mai 23, 2007, 13:32:36
Sag ich (bzw. Hauser) ja. Aber wieso sind es überall die gleichen?

Aus Notwendigkeit. Nun ist es natürlich interessant, ob das erlernt ist oder, weil diese Notwendigkeit seit den Urmenschen existiert, ins Genom eingeflossen ist... in bestimmter Weise wohl schon, siehe oben.

Stimmt. Womit wir wieder am Anfang wären.  :D
_______
Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #28: Mai 23, 2007, 13:53:41
Ich probier's auch mal ganz einfach, noch eine Stufe tiefer.
Fühlt ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?

Blut hat eine rote Warnfarbe.


Dem Kind muss also eine Begründung, ein Hinweis, ein nachvollziehbarer "Tatbestand" gegeben werden, damit es das "Abstrakte" ins Praktische übertragen kann und dadurch lernt diese "Stimme" bewusst wahr zu nehmen, also Handlungen und Entscheidung vor dem Hintergrund dieser "Stimme" zu fällen.

Der angeborene Instinkt sollte dem Kind, auch ohne Begründung klar signalisieren, daß es nicht richtig war dem anderen Kind eine blutende Verletzung beizubringen.

Patrick

  • 4 - 8 - 15 - 16 - 23 - 42
Re: Ethik und Moral, "angeboren" oder "erlernt"?
Antwort #29: Mai 23, 2007, 14:17:44
Also gehe ich noch mal eine Stufe runter: Hat jeder Mensch von Anfang an ein Gewissen? Fühlt
Nein.
Zitat
ein Kind, dass ein bestimmtes Verhalten nicht richtig ist, kann nur nicht herleiten warum, und es nicht definieren?
Auch nein. Das Gewissen macht sich ja dann bemerkbar, wenn man etwas falsch macht. Ein Kind kennt diese Unterscheidung (richtig/falsch) nicht. Es weiß auch nicht, daß sein Handeln Konsequenzen hat. Wenn es einem anderen Kind eine Plastiktüte über den Kopf stülpt und dieses erstickt, sieht das Gezappel vielleicht noch ganz lustig aus und hinterher ist es langweilig, daß sich das andere Kind nicht mehr rührt, aber daraus abzuleiten, daß es etwas falsch gemacht hat, darauf kann ein Kind nicht kommen. Solange nicht der Input von außen kommt, daß da was katastrophal Schlimmes passiert ist, wird das Kind sich an dieser Tat nicht stören.

Was mich hier etwas irritiert ist, daß sehr abstrakt über noch abstraktere Begriffe wie Ethik und Moral diskutiert wird. Welches sind denn ethische und moralische Grundwerte? Sehr schnell werden wir darauf kommen, daß es vielleicht ein paar wenige gemeinsame Werte gibt, aber viele, die für den einen zu den Grundwerten zählen, für den anderen überhaupt nicht.

Welches sind denn diese Grundwerte?
_______
Dr. Jones: Well I can assure you, Detective Britten, that this is not a dream. What?
Michael: That's exactly what the other shrink said. (Awake 1x01)