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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #45: November 07, 2006, 08:16:16
Man kann aber den ehemaligen Staatsmonopolist auch verpflichten, das Netz zu öffnen und nur faire Durchleitungsgebühren zu erheben. Gerade das führt ja immer wieder zum Streit, was ja wohl aber normal ist, wenn's um's Geld geht. Wichtig ist eine unabhängige Instanz. Diese ist im Telefonmarkt oft nicht resolut genug (meine Meinung) und im Strommarkt nicht vorhanden. Offen einzig der juristische Weg, der auch genutzt wird/wurde, aber den Kleinen naturgemäß eher schwieriger fällt als den Großen und daher keine gute Lösung darstellt.

Genaus deshalb finde ich die Schenkung des Netzes an ein Unternehmen für den größten Fehler. An diesem Symptom wird mit der Regulationsbehörde herumgedoktert, die auf faire Durchleitungsentgelte achten soll. Aber das ist immer nur ein Flicken an den Symptomen. Die T-Com hat mehrfach von den anderen Firmen höhere Preise als von Endkunden genommen. Erst auf Protest wurde das dann jeweils geändert, nachträglich mit einer zeitlichen Verzögerung, die die T-Com dann nutzte. Bei DSL war es das gleiche.
Nene, warum ist die T-Com das einzige Unternehmen, das keine Durchleitungsentgelte zahlen muß? So muß es zu Problemen kommen.
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Florian

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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #46: November 07, 2006, 12:55:35
Wenn man da genügend streng vorgehen würde, wäre da schon mehr drinnen. Problem ist doch, daß noch viele T-Com-Anteile beim Staat liegen und an totaler Konkurrenz das Interesse recht gering ist. Würfe mich auch schon auf die Empörung bei den Massenentlassungen vorbereiten,  die dann von der T-Com auf Verweis auf die "wettbewerbsverzerrend niedrigen" Entgelte erfolgen würden.
Ich sage aber nicht, daß es einen Königsweg gibt, uns schon gar nicht das es dieser ist. Sauber gemacht ist es aber eine Möglichkeit, die immerhin einige Interessen befriedigt. Das darf man nicht unterschätzen im politischen Prozess. Schlecht gemacht ist es wettbewerbs- und innovationsfeindlich und durch die hohen Endpreise auch volkswirtschaftlich schädlich.

Sympathisieren natürlich auch eher mit klaren Schnitte, in diesem Fall mit einer Abtrennung des Netzes vom ehe. Staatsmonopolisten. Nur die muss man halt auch durchsetzen können.
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mathias

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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #47: November 08, 2006, 07:58:44
Die Aussage, daß 10 kleine Unternehmen in der Summe teurer produzieren als ein vergleichbares großes Unternehmen, läßt sich - glaube ich -  nicht pauschalisieren. Große Unternehmen (Telekom, Post) besitzen z.B. riesige Verwaltungsabteilungen, zuviele Hirarchien, einfach zuviel Personal. Und das ist es ja, woran nicht ohne Grund immer als erstes gespart wird und was kleineren Unternehmen eigentlich die Möglichkeit bietet, den großen Konkurrenz zu machen: Flexibilität, "schnell auf den Markt reagieren", Innovation, Nähe zum Kunden - das sind so die Bullshitbingo-Schlagworte, die mir dazu einfallen. Ein schönes Beispiel hierfür ist mal wieder die Telekom, die mit ihren DSL-Tarifen immer 3-6 Monate der Konkurrenz hinterher hinkt. Ich bin kein Betriebswirtschaftler, dennoch glaube ich, daß durch Privatisierung technologischer Fortschritt schneller wird, als es bei staatlichen Betrieben der Fall wäre (Kontraproduktiv sind hier allerdings auch private Monopolisten). Privatwirtschaftliche Unternehmen müssen gegenüber der Konkurrenz immer einen Schritt weiter sein (->Forschung, Entwicklung). Staatliche Unternehmen eben nicht. "Das haben wir immer schon so gemacht..." Die orientieren sich eher am inneren als am äußeren.
Energiekonzerne sind wie oben erwähnt eine Ausnahme. Es gibt nähmlich für den Verbraucher keine oder nur wenige Alternativen. Der Strom ist ja beim Kunden erstmal einfach da, Gas auch. Gibt es Störungen und der Kunde ist nicht zufrieden mit dem angebotenen Produkt - na und? Wen stört 's? Soll er eben seinen Stromanschluß kündigen, wenn ihm was nicht paßt - und wenn er ohne Strom auskommt.
Als wäre Privatwirtschaft nicht so schon kompiziert genug, kommen jetzt auch noch die Aktiengesellschafter und Politik mit ins Spiel. Bücher über dieses Thema füllen ja schon ganze Bibliotheken...

Mathias.
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #48: November 08, 2006, 08:51:28
Große Unternehmen (Telekom, Post) besitzen z.B. riesige Verwaltungsabteilungen, zuviele Hirarchien, einfach zuviel Personal.
Das liegt IMO aber nicht per se an der Grösse. Es gibt durchaus auch grosse Unternehmen mit schlanken Strukturen. Das liegt an der monopolistischen bzw. oligopolistischen Marktsituation, in welcher die Unternehmen stehen.

Zitat
kleineren Unternehmen eigentlich die Möglichkeit bietet, den großen Konkurrenz zu machen: Flexibilität, "schnell auf den Markt reagieren", Innovation, Nähe zum Kunden -
Das ist zwar durchaus korrekt. Aber bei den hier diskutierten Aufgaben spielt doch eben der Umstand hinein, dass die dafür einzusetzenden Betriebsmittel einerseits teuer und vor allem aber nicht skalierbar sind. Ein kleiner Transportunternehmer braucht einen kleineren Fuhrpark als der grosse Transportunternehmer. Ein (tatsächlich eigene Leistung erbringendes) Telekommunikationsunternehmen braucht ein flächendeckendes Netz. Egal wie gross das Unternehmen ist. Ein kleines Unternehmen kann die Betriebsmittel für eine tatsächliche eigene Produktion in solchen Fällen gar nicht aufbringen. Dadurch können viele kleine Firmen einfach nicht funktionieren. Es kann keinen wirklich funktionierenden Markt geben. Es kann in solchen Fällen immer nur irgend welche pseudo-marktwirtschaftlichen Krückenkonstrukte geben.

Und wo ein Markt nicht funktionieren kann, und nur dort, ist die Erfüllung der Aufgabe durch den Staat, in meinen Augen eben nicht die schlechteste Lösung.
« Letzte Änderung: November 08, 2006, 08:57:11 von warlord »
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #49: November 08, 2006, 10:14:03
Und wo ein Markt nicht funktionieren kann, und nur dort, ist die Erfüllung der Aufgabe durch den Staat, in meinen Augen eben nicht die schlechteste Lösung.

Sehe ich genauso. Noch besser finde ich es aber, wenn man es schafft für solche Bereiche doch Wettbewerb einzuführen. Das ist natürlich oft physikalisch, organisatorisch, oder sonstwie schwierig. Da ist Phantasie gefragt. Genau solche phantasievollen Beispiele würden mich interssieren. Negative wie positve.

Zitat
Ein (tatsächlich eigene Leistung erbringendes) Telekommunikationsunternehmen braucht ein flächendeckendes Netz. Egal wie gross das Unternehmen ist. Ein kleines Unternehmen kann die Betriebsmittel für eine tatsächliche eigene Produktion in solchen Fällen gar nicht aufbringen. Dadurch können viele kleine Firmen einfach nicht funktionieren.

In Deutschland gibt es durchaus kleine, regionale Telefonanbieter, die Leitungen zum Endverbraucher legen und sich die deutschlandweiten Verbindungen bei, z.B. Telefonica, mieten. Die tatsächliche Leistung wird also, abseits der Telekom, von einem kleinem und einem großen Unternehmen erbracht. Eine passabel phantasievolle Lösung, die bereits Wettbewerb gebracht hat.
Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #50: November 12, 2006, 09:07:39
Genaus deshalb finde ich die Schenkung des Netzes an ein Unternehmen für den größten Fehler. An diesem Symptom wird mit der Regulationsbehörde herumgedoktert, die auf faire Durchleitungsentgelte achten soll. Aber das ist immer nur ein Flicken an den Symptomen.

Die Problematik sieht man jetzt auch ganz gut bei VDSL.
Es ist völlig verständlich, wenn die T-Com sagt, daß sie in die neue Infrastruktur investieren und daher auch bevorzugt dort Geld kassieren wollen. Das kann ich völlig nachvollziehen.
Problematisch ist nur, daß die anderen Unternehmen derartige Investitionen gar nicht betreiben könnten, weil gerade die lezte Meile in Händen der T-Com ist. Eine Folge der Schenkung des bestehenden Netzes an nur ein Unternehmen.
Sinniger wäre es gewesen, wenn ein Unternehmen das Netz bekommen hätte und damit die Möglichkeit dort zu investieren. Jedoch dürfte dieses Unternehmen keine Endkunden-Leistungen erbringen und müßte allen anderen Unternehmen die gleichen(!) Bedingungen bieten, nicht wie bei den damals getrennten Telekom und T-Online, die sich untereinander quer finanzierten/subventionierten.
Also eine Trennung der Post in zwei völlig getrennte Unternehmen, eines für das bestehende Netz, Wartung und Ausbau und eines, das mit den anderen Unternehmen um die Endkunden konkurriert.
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #51: November 12, 2006, 11:19:57
Hier wird in der Sonntagspresse gerade gebeichtet, dass es im letzten Dezember in der Schweiz beinahe zu einem Blackout gekommen wäre. Weil es nicht dazu kam, hatte man das bisher verschwiegen.
Die Ursache der Probleme sei allerdings auch schon damals in Deutschland gelegen: In Norddeutschland hätten ideale Wetterverhältnisse zur Windstromproduktion geherrscht. Um diesen Strom aus dem Norden übernehmen zu können, wurden in Mitteldeutschland in grossem Umfang konventionelle Kraftwerke abgeschaltet. Die resultierende Asymmetrie von Verbrauchs- und Produktionsstandort hätte zu einem dramatischen Spannungsabfall geführt. Es sei damals eine ziemliche Zitterpartie gewesen.

Das zeigt in meinen Augen halt schon, dass ein Netz, in dem viele Köche ihre Süppchen kochen (und sie möglichst kostengünstig kochen möchten), halt einfach schon mehr Schwierigkeiten hat, das Gesamtkonstrukt stabil zu halten.
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Florian

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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #52: November 12, 2006, 16:18:39
Das zeigt in meinen Augen halt schon, dass ein Netz, in dem viele Köche ihre Süppchen kochen (und sie möglichst kostengünstig kochen möchten), halt einfach schon mehr Schwierigkeiten hat, das Gesamtkonstrukt stabil zu halten.

Naja, aber in so einem internationalen Energieverbund kochen doch immer mehrere Köche mit und übrigens gab es in Deutschland auch vor den Privatisierungen keinen Alleinanbeter, sonder mehrere regionale.
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #53: November 12, 2006, 16:46:42
Nachdem was ich gelesen habe ist der Unterschied zu früher:

- Die Windkraftanlagen erzeugen zeitweise eine relevante Menge an Strom
- Das StromNetz ist ursprünglich für nur wenige Großkraftwerke gebaut worden und nicht für viele Einspeisepunkte. Deswegen wird die Stromqualität (Frequenz, etc.) zu grobmaschig überprüft.
- vor 20 Jahren Betrug die maximale Auslastung des Stromverteilung nur 70 %, heutzutage ist der Prozentsatz näher an 100 %. Das heißt der Spielraum für Fehler, Ausfälle, starke Nachfrage, etc. ist bedeutend kleiner.
Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #55: November 14, 2006, 13:36:49
by the way:
Großalarm in Schweden Atomreaktor abgeschaltet http://www.n-tv.de/732594.html

jetzt machen auch noch die europäischen atomkraftwerke ständig stress. wie ist es da wohl um die sicherheit der osteuropäischen kraftwerke bestellt? da dürften die stromkonzerne auch mal wieder in die sicherheit investieren!
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #57: November 15, 2006, 17:04:42

Florian

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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #58: November 15, 2006, 18:04:18
Sagt der Multi.
Davon abgesehen ist doch alles "menschliches Versagen". Wüsste nicht, daß z.B. Stahl oder ein Chip von sich aus Fehler machen kann. Für mich bedeutet dieser Begriff "Obacht, der Sündenbock wird nach unten durchgereicht."
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Re: Jetzt schimpfen Sie wieder auf die bösen Stromkonzere...
Antwort #59: November 16, 2006, 00:19:13
"Obacht, der Sündenbock wird nach unten durchgereicht."

sehr gut, flo - der spruch gefällt mir.
es wird, wie in den meisten fällen üblich, so "abgearbeitet", bis sich niemand mehr darüber aufregt.
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