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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #15: April 29, 2006, 22:42:59
Die Menschen sind plötzlich über, weil sie zu langsam sind, zu fehlerhaft. Und genau das macht mir an dieser Stelle, vom Missbrauch mal abgesehen, am meisten Bauchschmerzen.

Auch das trifft doch nur auf eine bestimmte Kategorie von Arbeit zu. Und wohl meist nicht sehr hoch qualifizierte und angenehme Arbeit. Eine Angst, dass uns Maschinen schon bald in allen Bereichen den Rang ablaufen könnten, halt ich doch noch für sehr verfrüht.
Das von Dir im Nebensatz angesprochene ist eigentlich das einzige, was mir bei RFID Bauchschmerzen bereitet: das Missbrauchspotential bezüglich Datenschutz.

Tja, genau das ist eine Meinung, die kann ich nicht verstehen. Was denkst du, wird der von dir als minder qualifizierte Mensch in Zukunft machen? Was ist das eigentlich für ein Arbeitsplatz, den du meinst?

Momentan bin ich maßgeblich an der Einführung eines Produktionssystems in einem Betrieb beteiligt, in dem noch Waren mit "Hand" gefertigt werden. Sie müssen maschinell bearbeitet und von Menschen montiert werden. Aber genau hier setzt das Produktionssystem an. Weniger "unsichere" Prozesse, weil weniger Menschen in der Kette, oder aber die Menschen, die vorher qualifiziert waren, werden durch weniger qualifizierte ersetzt, weil der Prozess auf eben diese abgestimmt wurde.

Was denkst du, machen die Menschen, Arbeiter/innen, in Zukunft? Denkst du, sie werden ihren Arbeitsplatz behalten, oder ohne Schwierigkeiten einen anderen finden?

Prozessoptimierung führt in vielen Fällen zur Rationalisierung von Ressourcen und meistens zieht der Mensch den Kürzeren, weil auch er im Sinne eines Unternehmens nur eine Ressource ist.

Überall dort, wo Techniken wie RFID und ähnliches zum Einsatz kommen, werden Menschen über bleiben. Das liegt einfach in der Natur der Sache, den oftmals ist ein Prozess nur gewinnbringend, wenn der größte Kosten- und Risikofaktor eliminiert wird.

Ich empfinde deine Meinung als recht oberflächlich. Natürlich werden die Maschinen uns noch nicht den Rang ablaufen, aber wie soll deiner Meinung nach ein soziales System funktionieren, wenn die Industrie (hier) in Zukunft auch ohne, oder mit entschieden weniger, Arbeiter auskommt und in anderen Ländern zu Dumpingpreisen produzieren lassen kann? Was bedeutet das für ein soziales System wie unseres? Ich glaube, ein erstes Ergebnis dessen können wir hier in Deutschland bereits erahnen.

Florian

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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #16: April 29, 2006, 22:45:49
Diese Diskussion eiert immer weiter davon. :)
Muss aber antworten. ;)

Aber Du hast insofern Recht, dass die natürlichen Personen höhere Steuereinnahmen generieren als die juristischen Personen.

Mir geht es um ganz etwas anderes. Nämlich das viele Konzerne Rekordeinnahmen erzielen und die Gewinne aufgrund von Tricks oder Ausnutzung von Gesetzesfehlern nicht versteuern - oder zumindest nicht hier und die Nationalstaaten gegeneinander ausspielen.

Zitat
Aber man muss sich auch bewusst sein, wer diese Steuereinnahmen generiert. Das sind nicht die unqualifizierten Arbeiter, die durch RFID Chips wegrationalisiert werden. Auch hier die Daten aus meinem Wohnkanton: die 0.25 % am besten verdienenden Einwohner bestreiten 21.1 % der Steuereinnahmen.  Diese 0.25 % sind wichtig für die Steuereinnahmen. Ein paar RFID-Wegrationalisierte mehr oder weniger haben auf die Steuereinnahmen Null Einfluss. Klingt hart, aber isso.

Das ist (mir) schon klar.
Nur musst Du anders rechnen:
Jeder Arbeitslose zahlt nicht nur keine Einkommenssteuern oder Sozialabgaben mehr, er generiert auch weniger Umsatzsteuer und bezieht andererseits Arbeitslosengeld/Sozialgeld, wie auch immer es heißt.
Zudem wirkt sich Armut leider häufig (und vererbt sich auch) in Form von Bildungsdefiziten, schlechterer Gesundheit und erhöhter Kriminalität aus, alles massive Mehrkosten für die nun weniger gewordenen Einzahlern.
Nun kann man die Stütze natürlich kürzen, aber dann werden diese Tendenzen immer stärker, bis sie das gesamte System an sich gefährden. Und dann brechen die Steuereinnahmen erst so richtig ein.



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Florian

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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #17: April 29, 2006, 23:04:03
Klar kann man nicht jeden zum Doktor oder IT-Spezialisten machen, aber auch ein Doktor oder Spezialist für was auch immer, benötigt Mitarbeiter

Aber auch hier wird enorm gespart und nehmen wir mal die Haushaltshilfen: Der Prozentsatz an Schwarzarbeit ist wohl kaum zu überschätzen.
Klar liegt das auch daran, daß offizielle Arbeit zu teuer ist, aber Viele könnten es sich leisten, wollen nur nicht mehr. Auch Doktoren setzen sehr auf Praktikantinnen (immer Frauen) um nur ja kein geordnetes Beschäftigungsverhältnis zu schaffen.
Etc. pp.
Leider funktioniert diese Theorie also in der Praxis nur noch sehr eingeschränkt.

Nun könnte man natürlich argumentieren, daß nur die Arbeitskosten sinken müssten - aber wie weit denn noch? Heute verdient ein gelernter Arbeiter oft faktisch weniger als ich vor 15 Jahren in meinem Ferienjob!
Und selbst wenn man noch Luft nach unten sehen will und an die Stopfung aller Ausnahmelöcher glaubt, bleiben nicht genügend Jobs übrig. Wie viele Ärzte oder IT-Experten oder andere Vermögende soll es denn geben? Mal davon abgesehen sind auch diese Gruppen von teilweise massiven Einnahmeverlusten betroffen.

Irgendeine wirtschaftlichen Stamm, der die wenig qualifizierten Massen beschäftigt wird es immer schwierig bleiben. In der Industrie ist diesbzgl. nichts mehr zu erwarten, bleiben die Dienstleistungen. Nur, wie gesagt, sind auch die von Effizienzsteigerungen erfasst.

Da stellt sich doch die Frage, ob es begrüßenswert ist, daß schon wieder alles ein Stück beschäftigungsloser werden soll.
Und damit zurück zu RFID.
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #18: April 29, 2006, 23:50:53
Tja, genau das ist eine Meinung, die kann ich nicht verstehen. Was denkst du, wird der von dir als minder qualifizierte Mensch in Zukunft machen? Was ist das eigentlich für ein Arbeitsplatz, den du meinst?

Das ist kein konkreter Arbeitsplatz, den ich meine. Möglicherweise ist "nicht qualifiziert" auch nicht der treffendste Ausdruck. Vielleicht müsste man es besser als Arbeit gänzlich ohne kreative Komponente bezeichnen. Das muss vielleicht in der Tat nicht notwendigerweise mit unqualifiziert gleichzusetzen sein. Ich konnte und kann mir beim besten Willen einfach keinen Job vorstellen, der von einer Maschine übernommen werden kann und der für einen Menschen wirklich interessant auszuführen wäre. Das heisst aber natürlich nicht, dass es so etwas nicht gibt.

Zitat
Ich empfinde deine Meinung als recht oberflächlich. Natürlich werden die Maschinen uns noch nicht den Rang ablaufen, aber wie soll deiner Meinung nach ein soziales System funktionieren, wenn die Industrie (hier) in Zukunft auch ohne, oder mit entschieden weniger, Arbeiter auskommt und in anderen Ländern zu Dumpingpreisen produzieren lassen kann? Was bedeutet das für ein soziales System wie unseres? Ich glaube, ein erstes Ergebnis dessen können wir hier in Deutschland bereits erahnen.
Sorry, aber da muss ich doch die Gegenfrage stellen, wie das funktionieren sollte, wenn die hiesige Wirtschaft eben die durch Maschinen gebotenen Rationalisierungsmöglichkeiten nicht nutzen würde? Gerade weil, wie Du richtig bemerkst, andernorts die Arbeit massiv billiger ist, kommt die hiesige Wirtschaft doch gar nicht darum herum, so wenig menschliche Arbeit wie nur möglich einzusetzen. Wie sollte sie sonst konkurrenzfähig sein?
Wie soll da unser soziales System funktionieren? Die Frage ist doch gerade falsch herum gestellt. Wieso ist unsere Arbeit so viel teurer und muss daher wo immer möglich vermieden werden? Doch gerade wegen dem sozialen System und weil es so gut funktioniert. Mit Verlaub, was Deutschland braucht ist nicht noch mehr "soziales System" und noch mehr Schutz vor Entlassung. Was Deutschland braucht (oder bräuchte) ist ein bisschen weniger soziales System, einen flexibleren Arbeitsmarkt und daraus resultierend (für den Arbeitgeber) billigere Arbeit (und daraus jetzt bitte nicht den Fehlschluss ableiten: billigere Arbeit = kleinere Löhne) und dadurch bessere Konkurrenzfähigkeit gegenüber inner- und aussereuropäischen Konkurrenten.
Was das mit Oberflächlichkeit zu tun haben soll, ist mir nicht klar. Das ist ganz einfach volkwirtschaftliche Realität.

Edit: das sinnentstellende Fehlen eines "nicht" korrigiert
« Letzte Änderung: April 30, 2006, 00:32:07 von warlord »
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #19: April 30, 2006, 00:13:02
Jeder Arbeitslose zahlt nicht nur keine Einkommenssteuern oder Sozialabgaben mehr, er generiert auch weniger Umsatzsteuer und bezieht andererseits Arbeitslosengeld/Sozialgeld, wie auch immer es heißt.
Schon klar, ich habe auch nichts anderes behauptet. Ich wollte einzig aufzeigen, dass Deine Behauptung, dass die Rationalisierungsmassnahmen zu Lasten des Sozialstaates gehen würden, eben nicht stimmen muss, weil die Rationalisierungsmassnahmen als Ausgleich zu den höheren Sozialausgaben eben auch höhere Steuereinnahmen generieren.

Zitat
Zudem wirkt sich Armut leider häufig (und vererbt sich auch) in Form von Bildungsdefiziten, schlechterer Gesundheit und erhöhter Kriminalität aus, alles massive Mehrkosten für die nun weniger gewordenen Einzahlern.
Wenn dies zutrifft, würde das ja meine provokative These stützen, dass wir durch unser Sozialsystem dem natürlichen System der Auslese zu stark ins Handwerk pfuschen. Es wird empörte Aufschreie geben, aber ich schreibs jetzt doch: Müssen wir denn wirklich Leuten, die längerfristig nicht in der Lage sind, selbst für ihr Auskommen zu sorgen, die Mittel und Möglichkeiten geben, sich auch noch fortzupflanzen?
Das mag jetzt wohl in der Tat für manchen sehr schockierend, arrogant, asozial und menschenfeindlich klingen. Aber der Mensch (zumindest der europäische) ist doch die einzige Spezies, die derzeit dazu tendiert, ein "survial of the weakest" zu praktizieren.
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #20: April 30, 2006, 00:24:20
Aber auch hier wird enorm gespart und nehmen wir mal die Haushaltshilfen: Der Prozentsatz an Schwarzarbeit ist wohl kaum zu überschätzen.
Klar liegt das auch daran, daß offizielle Arbeit zu teuer ist, aber Viele könnten es sich leisten, wollen nur nicht mehr. Auch Doktoren setzen sehr auf Praktikantinnen (immer Frauen) um nur ja kein geordnetes Beschäftigungsverhältnis zu schaffen.
Etc. pp.

Aber die Frage, weshalb das so ist, scheint bei Euch in Deutschland irgendwie tabu oder gar verboten zu sein. Wieso fragt sie bei Euch eigentlich niemand, weshalb ist unsere Arbeit so teuer, dass sie niemand (nicht einmal Ihr selbst) mehr bezahlen will?

Alle Welt in Deutschland scheint mir auf den Unternehmen herum zu hacken. Aber wer zum Teufel hat denn eigentlich dafür gesorgt, dass Eure Arbeit so teuer ist, dass deren Verwendnung wenn immer möglich vermieden werden muss? Das waren ja wohl kaum die Unternehmen.
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Florian

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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #21: April 30, 2006, 01:14:29
Schon klar, ich habe auch nichts anderes behauptet. Ich wollte einzig aufzeigen, dass Deine Behauptung, dass die Rationalisierungsmassnahmen zu Lasten des Sozialstaates gehen würden, eben nicht stimmen muss, weil die Rationalisierungsmassnahmen als Ausgleich zu den höheren Sozialausgaben eben auch höhere Steuereinnahmen generieren.

In der Praxis geht das nur nie auf. Die hohe Arbeitslosigkeit drückt auf die Löhne, wieder haben wir weniger Steuereinnahmen, etc.
Man müsste also schon die Investment-Renditen und die Top-Einkommen und -Vermögen höher besteuern, nur wie, wenn man nicht rankommt, weil diese Gelder sofort woanders landen?

Zitat
Wenn dies zutrifft, würde das ja meine provokative These stützen, dass wir durch unser Sozialsystem dem natürlichen System der Auslese zu stark ins Handwerk pfuschen. Es wird empörte Aufschreie geben, aber ich schreibs jetzt doch: Müssen wir denn wirklich Leuten, die längerfristig nicht in der Lage sind, selbst für ihr Auskommen zu sorgen, die Mittel und Möglichkeiten geben, sich auch noch fortzupflanzen?
Das mag jetzt wohl in der Tat für manchen sehr schockierend, arrogant, asozial und menschenfeindlich klingen. Aber der Mensch (zumindest der europäische) ist doch die einzige Spezies, die derzeit dazu tendiert, ein "survial of the weakest" zu praktizieren.

Erstens: Ja, daß ist menschenfeindlich.
Das soziale Gefüge hat den Menschen überhaupt erst zum Menschen gemacht. Eine sehr erfolgreiche Strategie im Wettlauf der Arten, übrigens. Eine solch banale Auslese des Stärkeren haben selbst die primitiveren Arten nicht.
Nun kann man natürlich den Sozialstaat in seiner Ausgestaltung oder auch in seiner Existenzberechtigung in Frage stellen, nun aber tatsächlich auf der Fortpflanzungsschiene zu kommen ist ehrlich gesagt echt voll daneben.
Zweitens: Mit "vererbt" meinte ich ja keine biologische Sache. Jeder Mensch hat ja wohl das Recht, sich seinen Veranlagungen entsprechend zu entwickeln. Den Kindern armer Leute wird das nur allzu oft verwehrt - ergo wirkt die jetzt geschaffene Armut lange fort und kostet auch in Zukunft. Mehr wollte ich nun wirklich nicht sagen!
Drittens: Da wirst Du aber staunen, Deine Ideen würden nämlich ganz und gar nicht funktionieren, bringen doch gerade die einkommensschwachen Familien deutlich mehr Kinder hervor als die Karrieremenschen. Die "Mittel und Wege sich fortzupflanzen" sind nämlich nach wie vor einkommensunabhängig, auch wenn das Dich zu stören scheint?

Aber die Frage, weshalb das so ist, scheint bei Euch in Deutschland irgendwie tabu oder gar verboten zu sein. Wieso fragt sie bei Euch eigentlich niemand, weshalb ist unsere Arbeit so teuer, dass sie niemand (nicht einmal Ihr selbst) mehr bezahlen will?

Ich habe ja schon geschrieben, daß der Sozialstaat leider einige Fehlentwicklungen aufweist. Die sollte man natürlich korrigieren.
Wir reden hier aber von einer Abwärtsspirale ohne Ende. Wer soll denn mit Chips konkurrieren, wenn er nicht mal mit dem polnischen Wanderarbeiter konkurrieren kann, weil er zu dessen Lohn seine Miete nicht mehr bezahlen kann? So, im perfekten Markt sänken nun die Mieten, die Grundstückspreise - nur wer baut noch bezahlbare Mietwohnungen, wenn er in anderen Objekten eine bessere Rendite erzielen kann?

Es wird immer vergessen, daß auch der reine Kapitalismus längst gescheitert ist, nicht nur der Sozialismus.

Zitat
Alle Welt in Deutschland scheint mir auf den Unternehmen herum zu hacken. Aber wer zum Teufel hat denn eigentlich dafür gesorgt, dass Eure Arbeit so teuer ist, dass deren Verwendnung wenn immer möglich vermieden werden muss? Das waren ja wohl kaum die Unternehmen.

Wer hakt denn hier auf Unternehmern herum? Jetzt kommt wieder die Leier von der Unternehmerfeindlichkeit. Es scheint wohl im Jahre 2006 obszön, wenn man verlangt, daß die Steuerdumpingwettbewerbe zwischen den Staaten aufhören müssen und die großen Konzerne und deren Aktionäre sich auch am Gemeinwohl beteiligen sollen?

Und bevor Du mich in die kommunistische Ecke stellst:
Die deutschen Steuern und Abgaben sind zu hoch und das Arbeitslosengeld im Vergleich zu den niedrigen Löhnen leider auch. Es gibt aber zum Glück noch ein paar Zwischenschritte bis man zu Deinen Vorstellungen kommt. 
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #22: April 30, 2006, 10:18:43
Man müsste also schon die Investment-Renditen und die Top-Einkommen und -Vermögen höher besteuern, nur wie, wenn man nicht rankommt, weil diese Gelder sofort woanders landen?
Mich erstaunt immer wieder, wie hartnäckig man an diesem "Rauf mit den Steuern für die Reichen!", dem Relikt aus Klassenkampfzeiten, festhalten kann, obwohl man, wie Du sogar im selben Satz, feststellt, dass das nicht funktioniert.
Eine Reihe von Schweizer Kantonen hat in letzter Zeit die Steuereinnahmen erhöht, indem sie genau das Gegenteil getan und die Steuerprogression entschärft und in Extremfällen gar umgekehrt haben. (Wobei ich letzteres auch nicht unterstütze.)

Zitat
Erstens: Ja, daß ist menschenfeindlich.
Nein, ist es eben nicht. Was ich versuche ist, den Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Mit seinen Stärken und mit seinen Schwächen. Das heutige Sozialsystem tut leider so, als hätten wir keine Schwächen und nimmt so IMO den Menschen nicht für voll. Das ist in meinen Augen menschenfeindlich. Aber ich weiss, diese Einstellung legt man mir meist als Zynismus aus und ich bin es gewohnt, dass man mich für diese Ansicht als Misanthrop verurteilt.

Zitat
Eine solch banale Auslese des Stärkeren haben selbst die primitiveren Arten nicht.
Eine solche? Dann muss ich hier wohl klarstellen, dass ich mit keinem Wort für eine unregulierte Selektion des Stärkeren plädiert habe. Ich habe einzig das gegenwärtig praktizierte Gegenteil angeprangert.
Ich sage nicht, dass wir kein soziales Netz benötigen. Aber wir bräuchten eines, das nicht Anreize gibt, möglichst lange darin zu verweilen und das nicht, wie jetzt zu häufig der Fall, Arbeit für das Individuum unrentabler macht als Nicht-Arbeit. Ich denke, da unterscheiden sich unsere Ansichten gar nicht allzu stark.

Zitat
Fortpflanzungsschiene zu kommen ist ehrlich gesagt echt voll daneben.
Ich weiss, dass die meisten Leute solche Gedankenspiele voll daneben finden. Irgendwie schade. Dieses Abblocken bei Fragen, in welche die Genealogie hinein spielt, haben wir wohl immer noch den Nazis zu verdanken. Es verhindert aber leider, dass man über gewisse Phänomene wirklich analytisch sprechen könnte.

Zitat
Da wirst Du aber staunen, Deine Ideen würden nämlich ganz und gar nicht funktionieren, bringen doch gerade die einkommensschwachen Familien deutlich mehr Kinder hervor als die Karrieremenschen.
Ich staune überhaupt nicht. Das ist ja genau das, was ich in Frage gestellt habe. Genau so ist es heute. Die unteren sozialen Schichten weisen eine stärkere Fortpflanzungsrate auf als höhere soziale Schichten. Könnte eine Diskussion darüber, ob das sinnvoll, wünschenswert und auf längere Sicht gut für die Menschheit ist, nicht sinnvoll sein?   
 
Zitat
Wer soll denn mit Chips konkurrieren, wenn er nicht mal mit dem polnischen Wanderarbeiter konkurrieren kann, weil er zu dessen Lohn seine Miete nicht mehr bezahlen kann?
Das ist ja was ich sagte. Niemand soll mit Chips konkurrieren. Wenn die "Arbeit" von Chips übernommen werden kann, dann kann sie natürlich von den Chips billiger übernommen werde. Der Mensch muss sich auf diese Arbeiten konzentrieren, die eben nicht von Maschinen übernommen werden können, weil sie ein Mindestmass an Kreativität und vernetztem Denken erfordern.

Zitat
Es wird immer vergessen, daß auch der reine Kapitalismus längst gescheitert ist, nicht nur der Sozialismus.
Mein Ziel war es nicht, für einen reinen Kapitalismus zu votieren. Aber die Länder, von denen sich Deutschland wirtschaftlich herausgefordert fühlt, haben alle mehr Kapitalismus und weniger Sozialismus als Deutschland. Die Richtung, die eingeschlagen werden müsste, wenn man den Wettstreit mit diesen Ländern verstärken möchte, wäre IMO offensichtlich. (Und ich dachte, gerade deswegen habt Ihr auch Schröder in die Wüste geschickt.)

Zitat
Es scheint wohl im Jahre 2006 obszön, wenn man verlangt, daß die Steuerdumpingwettbewerbe zwischen den Staaten aufhören müssen
Dass gewissen Auswüchsen Riegel geschoben würden, diese Forderung scheint mir nicht obszön. Aber ein gänzliches Ausschalten des Steuerwettbewerbs schiene mir alles andere als geschickt. gerade der Steuerwettbewerb sorgt dafür, dass die Staatsquote nicht unnötig anschwillt.

Zitat
Es gibt aber zum Glück noch ein paar Zwischenschritte bis man zu Deinen Vorstellungen kommt. 
Mir scheint doch, dass Du einiges in "meine Vorstellungen" hinein interpretiert hast.  ;) Ich plädiere nicht für unkontrollierten reinen Kapitalismus. Na ja, sorry wenn ich mich nicht klar genug ausdrücken konnte.

Und ich glaub ich lass die Diskussion jetzt auch lieber. Ist irgendwie arrogant, wenn ich mich als Schweizer darüber auslasse, was Deutschland in meinen Augen besser machen könnte...
« Letzte Änderung: April 30, 2006, 10:29:44 von warlord »
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #23: April 30, 2006, 10:29:37
@warlord:

Wer sollte denn, nach deinen Vorstellungen, über, hm, den Umgang mit den, hm, Minderbemittelten, diskutieren und entscheiden?
Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #24: April 30, 2006, 10:34:15
Wer sollte denn, nach deinen Vorstellungen, über, hm, den Umgang mit den, hm, Minderbemittelten, diskutieren und entscheiden?

Für mich als Direktdemokrat kann es auf solche Fragen nur eine Antwort geben: Ihr, die deutschen Bürger.
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #25: April 30, 2006, 10:52:36
Äh, ich empfand diese Diskussion nicht nur auf Deutschland bezogen, bei dir geht es doch um die Menschen im Allgemeinen, oder habe ich etwas übersehen? Denn, wenn das was du hier ausführst nur für den kleinen Staat DE gilt, ist es wahrhaftig arrogant. Und falsch zudem.

Alles in allem finde ich diese Diskussion vollkommen banal. Die Ansätze für eine "bessere" Welt finden sich nicht in der Verschärfung von, hm, Lebensumständen, sonder in ganz anderen Ansätzen, die hier in keiner euerer Meinungen bisher vorgebracht wurden.
Ihr plädiert für eine bessere Wirtschaft, ich würde lieber für eine erträglichere Welt für alle Menschen plädieren. Aber dafür ist es noch zu früh, wie mir dieser Thread veranschaulicht.
Und nein, mit besserer und konkurrenzfähigerer Wirtschaft wir die Welt für niemanden besser, weil die Wirtschaft weiter den Menschen beherrschen wird. Und weiter rennen wir an die Unis und studieren BWL und Politik und den ganzen Scheiß, von dem wir meinen, er bringe uns im Leben weiter.
All das gilt nur für einen geringen Teil der Menschheit, der größere Teil lebt in Armut. Und den können wir nicht per Volksentscheid (im übertragenden Sinne) weg-votieren.
Nach all den wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte ist jetzt eine Zeit angebrochen, in der sich die Menschheit mehr mit Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit beschäftigen wird. Wir werden es in den kommenden Jahren merken. Aber erst steht uns noch das Desaster bevor. Dann geht die Entwicklungskurve wieder nach oben. So war es immer schon und wird auch jetzt wieder so sein.
In der Hoffnung, wir lernen etwas dazu und klammern uns nicht an irgendwelche Marktgesetze, an Quoten und Kurse.
Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #26: April 30, 2006, 11:15:57
Äh, ich empfand diese Diskussion nicht nur auf Deutschland bezogen, bei dir geht es doch um die Menschen im Allgemeinen, oder habe ich etwas übersehen?
Jein, es haben sich zwei Diskussionsstränge vermischt. Aber ich hatte ein- oder zweimal speziell Deutschland (und die dort speziell teure Arbeit) angesprochen.

Zitat
Alles in allem finde ich diese Diskussion vollkommen banal. Die Ansätze für eine "bessere" Welt finden sich nicht in der Verschärfung von, hm, Lebensumständen, sonder in ganz anderen Ansätzen, die hier in keiner euerer Meinungen bisher vorgebracht wurden.
Als banal habe ich sie nicht empfunden. Aber natürlich haben wir in ihr nicht die Welt erklären und sämtliche auf sie einwirkenden Faktoren berücksichtigen können.  ;)
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #27: April 30, 2006, 11:22:52
Die Arbeit in Deutschland ist nicht teuerer als in anderen europäischen Ländern, du liest nur die falschen Studien.

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #28: April 30, 2006, 12:22:10
Also, ich hätte in die Regeln schauen sollen. Frage nach, ob der Andere es auch so meint...

Mich erstaunt immer wieder, wie hartnäckig man an diesem "Rauf mit den Steuern für die Reichen!", dem Relikt aus Klassenkampfzeiten, festhalten kann, obwohl man, wie Du sogar im selben Satz, feststellt, dass das nicht funktioniert.

Ich habe nicht gefordert, diese Steuern sollten rauf, sondern wollte nur veranschaulichen, daß man sie kaum abgreifen kann und deshalb Deine Rechnungen nicht aufgehen.
Zudem ist es keineswegs ein Relikt aus Klassenkampfzeiten wenn man sich mal anschaut, wie sehr sich Vermögen immer mehr bei immer Wenigeren ansammelt. Das nicht zu diskutieren, ist genauso falsch wie Fehlentwicklungen des Sozialstaats zu ignorieren.

Zitat
Eine Reihe von Schweizer Kantonen hat in letzter Zeit die Steuereinnahmen erhöht, indem sie genau das Gegenteil getan und die Steuerprogression entschärft und in Extremfällen gar umgekehrt haben. (Wobei ich letzteres auch nicht unterstütze.)

Also, ich z.B. hätte nichts gegen einen Einheitssteuersatz, wenn die Freibeträge hoch genug sind. Gerechter als das derzeitige deutsche Steuersystem wäre es wohl auf alle Fälle, gäbe es doch keine Löcher mehr, durch die der Kundige und Vermögende entschlüpfen kann.

Zitat
Zitat
Erstens: Ja, daß ist menschenfeindlich.
Nein, ist es eben nicht. Was ich versuche ist, den Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Mit seinen Stärken und mit seinen Schwächen. Das heutige Sozialsystem tut leider so, als hätten wir keine Schwächen und nimmt so IMO den Menschen nicht für voll. Das ist in meinen Augen menschenfeindlich. Aber ich weiss, diese Einstellung legt man mir meist als Zynismus aus und ich bin es gewohnt, dass man mich für diese Ansicht als Misanthrop verurteilt.

Das liest sich ja schon gemäßigter. Wer bei solchen Diskussionen mit Darwin kommt, braucht sich aber über das Echo nicht zu wundern. Hast ja selbst mehrmals betont, wie provokativ das alles sei.
Mein Menschenbild teilt jedenfalls die Menschen nicht in "brauchbar" oder "nicht brauchbar" ein. Die Gesellschaft hat die Pflicht und auch das Eigeninteresse, den Einzelnen zu fördern anstatt ihn auszusortieren.
Nun gebe ich Dir in einem Recht: Die Förderungen werden nicht individuell genug zugeschnitten und immer noch zu oft verhindern sie Arbeit anstatt sie zu fördern.

Zitat
Eine solche? Dann muss ich hier wohl klarstellen, dass ich mit keinem Wort für eine unregulierte Selektion des Stärkeren plädiert habe. Ich habe einzig das gegenwärtig praktizierte Gegenteil angeprangert.

Du meinst also, der sozial besser Gestellte ist per se derjenige, dessen Genverbreitung wünschenswerter sei?
Schon hier ist Deine ganze Theorie doch am Ende.
Das Wort Selektion ist natürlich schon ein hartes, nicht nur ob der Vorbelastung. Denn es heißt nichts weiteres, als das man einen Teil aussortiert. Wie würde das denn in der Praxis aussehen können?
Und jetzt komme nicht mit "vermehrten Anreizen, eine Arbeit anzunehmen" und so, Deine Theorie geht doch viel weiter. Oder alles ein großes Mißverständnis?

Zitat
Ich sage nicht, dass wir kein soziales Netz benötigen. Aber wir bräuchten eines, das nicht Anreize gibt, möglichst lange darin zu verweilen und das nicht, wie jetzt zu häufig der Fall, Arbeit für das Individuum unrentabler macht als Nicht-Arbeit. Ich denke, da unterscheiden sich unsere Ansichten gar nicht allzu stark.

In der Tat. Nur ist mir halt auch bewußt, wie schwierig es ist, daß umzusetzen.


Zitat
Ich weiss, dass die meisten Leute solche Gedankenspiele voll daneben finden. Irgendwie schade. Dieses Abblocken bei Fragen, in welche die Genealogie hinein spielt, haben wir wohl immer noch den Nazis zu verdanken. Es verhindert aber leider, dass man über gewisse Phänomene wirklich analytisch sprechen könnte.

Aber wir sprechen doch darüber. Wenn Du aber auf dieser Schiene diskutierst, Nazis oder nicht, ist man sehr schnell bei einer Betrachtung des Menschen als Verfügungsmasse für die Allgemeinheit.

Zitat
Ich staune überhaupt nicht. Das ist ja genau das, was ich in Frage gestellt habe. Genau so ist es heute. Die unteren sozialen Schichten weisen eine stärkere Fortpflanzungsrate auf als höhere soziale Schichten. Könnte eine Diskussion darüber, ob das sinnvoll, wünschenswert und auf längere Sicht gut für die Menschheit ist, nicht sinnvoll sein?   

Auf längere Sicht gt für die Menschheit wäre es, wenn es diese sozialen Schichten nicht mehr gäbe, weil jedes Kind so gefördert wird, daß es keine Rolle spielt, woher es herkommt. Darin liegt der Schlüssel zu Lösung!
Wie willst Du denn die oberen Schichten zur Zeugungsfreudigkeit überreden? Klar kann man die Kinderbetreuungsangebote verbessern, nur die könnten sie ja gerade die Gutverdienten sowieso leisten.
Und wie soll man die sozial schlechter Gestellten die Zeugungsfreudigkeit vermiesen? Es ist ein Irrglaube, daß man das mit Kürzung der Zuwendungen erreichen könnte! Im Gegenteil, man kann beobachten: Je ärmer, desto mehr Kinder.
Kürzt man also, hat man nur viele arme Kinder, v.a. arm an Zukunftschancen. Wohin das führt, hat man ja in ersten Ansätzen in Frankreich beobachten können. Das war keine ethnische Auseinandersetzung, sondern v.a. eine soziale.


 
Zitat
Das ist ja was ich sagte. Niemand soll mit Chips konkurrieren. Wenn die "Arbeit" von Chips übernommen werden kann, dann kann sie natürlich von den Chips billiger übernommen werde. Der Mensch muss sich auf diese Arbeiten konzentrieren, die eben nicht von Maschinen übernommen werden können, weil sie ein Mindestmass an Kreativität und vernetztem Denken erfordern.

Eine schöne Theorie. Doch man denke an Schuster oder Schreiner. Zweifellos Berufe, die auch Kreativität einschließen, nur können die meisten Kunden auf diesen Aspekt scheinbar verzichten. Nur mal als klassisches Beispiel.
Es ist auch ein Irrglaube, daß es genug Jobs in diesen Bereichen gäbe, daß habe ich ja weiter oben schon postuliert. man braucht irgendeine Basis, wo auch niedrig Qualifizierte eine Arbeit finden. Das kann ja wohl nur noch die personennahe Dienstleistung sein. Hoffen wir, daß das funktionieren wird.

Zitat
Mein Ziel war es nicht, für einen reinen Kapitalismus zu votieren.

Hat sich aber sehr wie Sozialdarwinismus gelesen.

Zitat
Aber die Länder, von denen sich Deutschland wirtschaftlich herausgefordert fühlt, haben alle mehr Kapitalismus und weniger Sozialismus als Deutschland. Die Richtung, die eingeschlagen werden müsste, wenn man den Wettstreit mit diesen Ländern verstärken möchte, wäre IMO offensichtlich.

Diese Länder missachten aber teilweise selbst die minimalsten Standards im Sozialen, beim Umweltschutz und den Menschenrechten. Von Patent- und Markenschutz ganz zu schweigen.
Nicht wirklich ein Wettbewerb der fairen Art, oder?

Zitat
(Und ich dachte, gerade deswegen habt Ihr auch Schröder in die Wüste geschickt.)

Das hast Du was missverstanden. Wenn die Deutschen wirklich Veränderung gewollt hätten, gäbe es die große Koalition nicht.

Zitat
Dass gewissen Auswüchsen Riegel geschoben würden, diese Forderung scheint mir nicht obszön. Aber ein gänzliches Ausschalten des Steuerwettbewerbs schiene mir alles andere als geschickt. gerade der Steuerwettbewerb sorgt dafür, dass die Staatsquote nicht unnötig anschwillt.

Da bin ich bei Dir.

Zitat
]
Mir scheint doch, dass Du einiges in "meine Vorstellungen" hinein interpretiert hast.  ;) Ich plädiere nicht für unkontrollierten reinen Kapitalismus. Na ja, sorry wenn ich mich nicht klar genug ausdrücken konnte.

Lass den Darwin am besten raus, kleiner Tip. ;)

Zitat
Und ich glaub ich lass die Diskussion jetzt auch lieber. Ist irgendwie arrogant, wenn ich mich als Schweizer darüber auslasse, was Deutschland in meinen Augen besser machen könnte...

Gut, aber war ja mehr allgemein.


Thyrfing:
Mit dem Desaster magst Du recht haben, aber Wirtschaft wird es immer geben. Ja, daß mag banal sein, aber unabänderlich. Also wird man ja wohl diskutieren müssen, wie sie aussehen soll.
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Re: RFID - Fluch oder Segen?
Antwort #29: April 30, 2006, 15:29:01
Mein Menschenbild teilt jedenfalls die Menschen nicht in "brauchbar" oder "nicht brauchbar" ein.
Meins auch nicht. Schwarz-Weiss-Malerei ist sowieso nicht mein Ding.

Zitat
Die Gesellschaft hat die Pflicht und auch das Eigeninteresse, den Einzelnen zu fördern anstatt ihn auszusortieren.
Aber bereits dieser Anspruch an die Gesellschaft stört mich wieder und widerstrebt mir. Nein, es nicht Aufgabe der Gesellschaft den einzelnen zu fördern. Es liegt primär in der Verantwortung jedes einzelnen, sich im Rahmen des ihm möglichen in die Gesellschaft einzubringen und damit auch für sein Auskommen zu sorgen. Und dieses Einbringen in die Gesellschaft soll er wenn immer möglich auf die Art und Weise tun können, wie er das möchte, solange er damit sein eigenes Auskommen bestreiten kann.

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Du meinst also, der sozial besser Gestellte ist per se derjenige, dessen Genverbreitung wünschenswerter sei?
Nein. Hinter dieser Aussage stehe ich nicht. Aber ich bestreite dass es wünschenswert ist, dass sich die Gene von Leuten weiter verbreiten, die sich dazu entschlossen haben, sich nicht mehr in irgend einer sinnvollen Weise in die Gesellschaft einzubringen, sonern nur noch von dieser zu profitieren. (Wobei es natürlich nicht wirklich die Gene sind. Die "Vererbung" dürfte hier ja eher kultureller als biologischer Natur sein.) Dass der soziale Status nicht allein der Barometer dafür sein kann, ob sich jemand "sinnvoll" in die Gesellschaft einbringt, ist mir schon auch klar.

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Denn es heißt nichts weiteres, als das man einen Teil aussortiert.
Nein, dass sich ein Teil aussortiert.

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Wie würde das denn in der Praxis aussehen können?
Und jetzt komme nicht mit "vermehrten Anreizen, eine Arbeit anzunehmen" und so, Deine Theorie geht doch viel weiter.
Nicht mit "vermehrtem" Irgendwas. Nicht mehr, sondern weniger. Indem man endlich aufhört, ein Auto, einen Fernseher und einmal jährlich Ferien im Ausland zum Existenzminimum zu zählen und das jedem Sozialbezüger zu bezahlen. (Ist zumindest in der Schweiz so.) Das kann sich auch mancher Arbeitende nicht alles leisten und muss sich ja betrogen vorkommen, wenn er arbeitet.
(Ich habe notabene auch kein Auto, keinen Fernseher und mache nicht jährlich Ferien im Ausland, obwohl ich mir all das leisten könnte. Ich lebe trotzdem. Zum Existenzminimum kann es also nicht gehören.)

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Betrachtung des Menschen als Verfügungsmasse für die Allgemeinheit.
Nichts läge mir ferner als das.

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Auf längere Sicht gt für die Menschheit wäre es, wenn es diese sozialen Schichten nicht mehr gäbe, weil jedes Kind so gefördert wird, daß es keine Rolle spielt, woher es herkommt. Darin liegt der Schlüssel zu Lösung!
Mit den sozialen Schichten darf das zwar IMO eben nicht zusammen hängen. Die wird es immer geben. Geht gar nicht anders. Aber ich gehe einig, dass es wünschenwert wäre, dass sie sich nicht auf die Chancen der Kinder auswirken würden und möglichst Chancengleichheit angestrebt wird.

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Wie willst Du denn die oberen Schichten zur Zeugungsfreudigkeit überreden?
Ich will angesichts unseres übervölkerten Planeten gar niemanden zur Zeugungsfreudigkeit anregen.  ;)  Ich würde einzig die Zeugungsfreudigkeit von denjenigen senken wollen, die sich keine Kinder leisten können. Ja, ja, ich weiss, das hätte auch wieder grauenhafte Nebenwirkungen, wie zusammenbrechende Altersvorsorge etc. Und ja, ich weiss, es ist wohl wirklich illusorisch, da der Mensch in der Tat das einzige Lebewesen zu sein scheint, dessen Zeugungsfreudigkeit sich konvers zur Wirtlichkeit der Umgebung verhält.

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Hat sich aber sehr wie Sozialdarwinismus gelesen.
Nun, der Begriff Sozialdarwinismus ist heute ja zu einem solchen Unwort verkommen, dass man bereits als Unmensch abstempelt ist, wenn man es nur in den Mund nimmt. Aber ja, ich plädiere in der Tat für mehr Eigenverantwortung. Es kann nicht sein, dass sich heute ein Individuum in der Gewissheit wiegen kann, dass es von der Gesellschaft aus jedem noch so tiefen Schlamassel wieder heraus geholt wird, in den es sich aus Dummheit, Fahrlässigkeit und Selbstüberschätzung selbst hinein reitet.
Manch einer mag das sozialdarwinistisch nennen. Von mir aus.

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Diese Länder missachten aber teilweise selbst die minimalsten Standards im Sozialen, beim Umweltschutz und den Menschenrechten. Von Patent- und Markenschutz ganz zu schweigen.
Ich meinte jetzt eigentlich schon sogenannte Erstwelt-Staaten. Aber selbst die von Dir erwähnten Faktoren Umwelt-, Patent- und Markeschutz, die zweifellos bestehen, hätten auf die Arbeitskosten selbst keinen Einfluss. Auf die Produktionskosten, ja. Nicht aber auf die Kosten der Arbeit.

Edit: Präzisierung des letzten Abschnitts.
« Letzte Änderung: April 30, 2006, 16:02:29 von warlord »
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)