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Wie uns andere sehen.
April 15, 2007, 12:25:20
Auf den ersten Seiten dieses Artikels wird meiner Meinung nach sehr schön extrahiert, wie uns unsere Nachbarn sehen.

Der Artikel an sich ist auch sehr interessant, zumal uns ja seit Jahren die Krise schüttelt, die man im Norden, wenn man dem Glauben schenken darf, abgewendet hat. Zumal auf eine, für deutsche Verhältnisse, recht spektakuläre Art und Weise.

Ich weiß nicht wie Menschen aus Flensburg und Kiel das sehen, Leute, die viel näher an Dänemark dran sind, aber ich denke schon, dass der Artikel den Dänen recht gut wiedergibt. Beruflich habe ich ziemlich oft mit ihnen zu tun und empfinde sie auch so, wie beschrieben. Sie sind weniger ängstlich, wohingegen wir mehr dazu neigen an allem festzuhalten. Die Dänen die ich kenne, können von heute auf morgen alles über den Haufen schmeißen und komplett neue Wege gehen. Bei den allermeisten Menschen hierzulande völlig undenkbar.

Wie seht ihr das? Sind wir ein Volk von Ja-Sagern, ein Volk mit mehr devotem Verhalten im Blut als Mut?

daveinitiv

Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #1: April 15, 2007, 16:55:46
Na ja, bei den restriktiven Gesetzen, die Dänemark in einigen Bereichen erlassen hat, kann man sich schon fragen, wer devot und Ja-sagend ist.
Das Schema ist doch oft ähnlich. Staatliche Allmacht wird so lange als gut empfunden, solange es den Menschen gut geht, da wird nicht viel hinterfragt. Und vielleicht ist es ja eine typisch deutsche Eigenschaft einfach vieles erstmal zu hinterfragen, vorsichtig zu sein. Aber muss man daraus werten, dass die Deutschen ein Volk von Zauderern sind?
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #2: April 15, 2007, 17:39:34
Die Wikinger kamen unter anderem auch aus Dänemark  ;D

Das waren bestimmt keine Zauderer  ;D

Ich denke jedes Volk hat so seine Eigenheiten (Vorteile vs. Nachteile).

Und jedes Volk hat so seine Zeit.

Es gab ja auch mal so eine Phase in der wir die Japaner als Vorbild nehmen sollten, allerdings nur in bestimmten Bereichen:

> Alles für die Firma.
> Geringe Entlohnung
> Wenig Urlaub

Mittlerweise hat sich das auch wieder gelegt.

Aber es ist schon so, dass bei uns viel reglementiert wird.

Das beste finde ich ja wieder mit der Nichtraucherpolizei

Jochen

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Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #3: April 15, 2007, 19:33:58
Na ja, bei den restriktiven Gesetzen, die Dänemark in einigen Bereichen erlassen hat, kann man sich schon fragen, wer devot und Ja-sagend ist.
Ich kenne die Gesetze in Dänemark nicht, aber darum ging es mir eigentlich auch gar nicht. Gesetze werden auch in Deutschland erlassen und die sind mittlerweile in den meisten Fällen ziemlich daneben.  Die Frage für mich ist, ob wir nun so sind, wie man uns außen sieht oder eben nicht.
Zitat
Das Schema ist doch oft ähnlich. Staatliche Allmacht wird so lange als gut empfunden, solange es den Menschen gut geht, da wird nicht viel hinterfragt.
Vielleicht geht es den Menschen ja viel besser, wenn sie wissen dass sie sich auf ihr System verlassen können. Evtl. ist so die Selbstverwirklichung einfacher. Ich denke da gerade an das Beispiel mit der Steuererklärung aus dem Artikel. Wäre für mich viel einfacher, wenn ich mir keine Gedanken darüber machen müsste. Oder diese dämliche Ummelderei und und und, all das, was mir meine Zeit raubt. Mir könnte dieser Gedanke sehr viel Spaß machen. Und wie muss das Gefühl sein, endlich wieder Vetrauen zu haben? Fällt mir hier in Deutschland recht schwer, auch nur einem einzigen staatlichen Organ zu vertrauen.
Zitat
Und vielleicht ist es ja eine typisch deutsche Eigenschaft einfach vieles erstmal zu hinterfragen, vorsichtig zu sein. Aber muss man daraus werten, dass die Deutschen ein Volk von Zauderern sind?
Natürlich ist es eine typisch deutsche Eigenschaft. Doch wo kommt die her? Und ist sie gut für uns, oder schadet sie uns nur? Fragen wir, bis alle gute Ideen nur noch ein Furz im Wind sind? Sobald jemand etwas machen möchte was von der "Norm" abweicht, stehen von anderen Beteiligten tausend Fragen im Raum, die man noch gar nicht beantworten kann, weil es eben etwas neues ist. Typisch Deutsch ist an der Stelle, es lieber nicht zu machen, weil es unbekannt ist. Ich persönlich werde damit tagtäglich konfrontiert.

daveinitiv

Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #4: April 15, 2007, 19:41:59
Es kommt drauf an …  8)
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #5: April 15, 2007, 19:51:05
Ja? Auf was?

Florian

  • Zurück in der Zukunft
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #6: April 20, 2007, 18:46:40
Wie seht ihr das? Sind wir ein Volk von Ja-Sagern, ein Volk mit mehr devotem Verhalten im Blut als Mut?

Nein.

Ich glaube auch weder an "Volkscharaktere" noch daran, daß es ein allgemein überinstimmendes Bild über Deutschland gibt. Weder im In- noch Ausland.

Natürlich gibt es verschiedene Gesellschaften mit verschiedenen Geschichten und in diesen Gesellschaften verschiedene eingeschliffene Mechanismen der Diskussion und des Handelns. Wobei ich die Unterschiede in Mitteleuropa des 21.Jahrhunderts als sehr gering betrachte.

In Deutschland ist es aber zum Beispiel sehr verbeitet, sich Gedanken darüber zu machen, wie man von  anderen Ländern aus gesehen wird. ;) Und kaum etwas verkauft sich besser als Prophezeiungen der Apokalypse einerseits und warme Worte aus dem Ausland oder von Einwanderern über Deutschland andererseits.
Das sind aber mediale Moden die  meines Erachtens nicht so tief blicken lassen wie oft verkündet.
_______
"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #7: April 20, 2007, 20:56:03
Wie seht ihr das? Sind wir ein Volk von Ja-Sagern, ein Volk mit mehr devotem Verhalten im Blut als Mut?

Nein.

Ich glaube auch weder an "Volkscharaktere" noch daran, daß es ein allgemein überinstimmendes Bild über Deutschland gibt. Weder im In- noch Ausland.

Natürlich gibt es verschiedene Gesellschaften mit verschiedenen Geschichten und in diesen Gesellschaften verschiedene eingeschliffene Mechanismen der Diskussion und des Handelns. Wobei ich die Unterschiede in Mitteleuropa des 21.Jahrhunderts als sehr gering betrachte.

In Deutschland ist es aber zum Beispiel sehr verbeitet, sich Gedanken darüber zu machen, wie man von  anderen Ländern aus gesehen wird. ;) Und kaum etwas verkauft sich besser als Prophezeiungen der Apokalypse einerseits und warme Worte aus dem Ausland oder von Einwanderern über Deutschland andererseits.
Das sind aber mediale Moden die  meines Erachtens nicht so tief blicken lassen wie oft verkündet.
Du bist der Meinung, dass sich über die Kultur keine Gemeinsamkeiten im Verhalten der Bevölkerung ergeben?
Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #8: April 20, 2007, 22:05:14
Die Weltwoche hat in der aktuellen Ausgabe ein Interview (leider nur Abonnenten zugänglich) mit dem in Genf im "Exil" lebenden französischen Wirtschaftsprofessor Charles Wyplosz, Berater von Premier de Villepin und EU Kommisionspräsident Barroso. Das Thema ist die Wirtschaftslage in Frankreich. Das Gespräch kommt auf Sarkozy und Wyplosz zeigt sich von seinem Wahlkampf enttäuscht, weil sich der vorher als Reformer gebärdende Sarkozy darin eher als Lavierer hervortut und sich so, sollte er gewählt werden, kaum ein Mandat für Reformen holt. Daraufhin die Frage:
Das erinnert mich an Deutschland: Angela Merkel war eine Reformerin, machte einen schlechten Wahlkampf und verlor die Wahlen. Seither rudert sie zurück.
Wyplosz: Deutschland und Frankreich gleichen sich ohnehin viel stärker, als man auf den ersten Blick glaubt: extrem rigide Arbeitsmärkte, hohe Arbeitslosigkeit, zu grosser Glaube in den Staat, schwaches Wachstum und zögerliche Politiker. Nur der Antikapitalismus ist in Frankreich noch ausgeprägter.
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Complete liberty of contradicting and disproving our opinion, is the very condition which justifies us in assuming its truth for purposes of action; and on no other terms can a being with human faculties have any rational assurance of being right. (John Stuart Mill - On Liberty)

Florian

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Re: Wie uns andere sehen.
Antwort #9: April 22, 2007, 13:41:05
Du bist der Meinung, dass sich über die Kultur keine Gemeinsamkeiten im Verhalten der Bevölkerung ergeben?

Doch, aber Kultur ist nicht Charakter. Das wollte ich damit sagen. Die Unterschiede liegen nicht in den Menschen selbst, sondern in den Strukturen begründet, in denen sie sich bewegen.
Davon bin ich zumindest felsenfest überzeugt. :)


I.Ü. sehe ich viele angebliche Unterschiede als gar nicht gegeben an. Nehmen wir mal das verlinkte Beispiel. Klar, Deutschland ist sicher sehr stark reglementiert. Das fällt einem ja als Tourist oft schon auf, als Auswanderer natürlich noch mehr, zunächst. Es ist aber nicht so, daß es anderswo wesentlich weniger Zwänge gäbe, es sind sogar teilweise dieselben, nur zeigen sie sich anders.
So gilt ja Italien als sehr ungezwungenes Land, weil sich angeblich fast niemand an staatliche Vorschriften  hält. Aber lebt man wirklich freier, wenn man den Polizisten besticht anstatt sich ans Parkverbot zu halten?
Ist das "Du"-Sagen nicht mehr Zwang als die mit dem Gegenüber ausgemachte Unterscheidung nach Du und Sie? Wird hier nicht der Betrieb als Privatleben verkauft und versucht den Arbeitnehmer zu vereinnahmen?

Das sind natürlich nur einfache Beispiele.

Jede Gesellschaft hat ihre Mechanismen und Zwänge, die sich allerdings erst dann so richtig offenbaren, wenn man dazugehören will. Also erst nach einer Weile. Als Besucher oder außenstehender Beobachter hat man nie das ganze Bild. Deshalb betrachte ich diese überaus positiven Berichte immer sehr skeptisch. Und andersherum sollte verheerende Kritik auch stets von der Frage begleitet sein, ob dieser Mißstand so oder ähnlich nicht auch bei uns besteht.
Zitat
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"If music be the food of love, play on!”
                         William Shakespeare